Chapter Thirteen//Atemnot

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"Wusst' ich's doch, dass ich dich hier finde." Felix setzte sich neben mich in den Sand. "Ich wusste, dass du nicht der Typ für solche Partys bist."

Schweigend starrten wir raus auf's Meer. Die Wellen klatschten an den Strand und zogen sich wieder zurück, als wollten sie nur kurz nach dem Rechten sehen. Ich ließ den weichen Sand durch meine Finger gleiten. "Ich bin nicht gerne unter Menschen", antwortete ich ihm nach einigen Minuten der Stille. "Alleine gefällt's mir besser."

"Ich weiß." Wieder Stille. Zwischen uns lag etwas in der Luft, vor dem wir beide zu viel Angst hatten, es auszusprechen. Felix wusste, das ich schüchtern war, aber er wusste nicht, wie schlecht es mir dadurch ging.

"Aber warum?", platzte es plötzlich aus ihm heraus. "Warum ist das so? Du bist hübsch, hast Humor, bist intelligent und hast das größte Herzen auf der Erde."

"Denkst du wirklich so über mich?", flüsterte ich. Meine Stimme klang belegt, ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und schnürrte mir die Luft ab. "Dann muss ich dich enttäuschen, so bin ich nicht. Ich bin nicht schön, sieh mich doch mal an. An mir gibt es nichts besonderes, ich bin völliger Durchschnitt. Ich bin auch nicht der Klügste oder Witzigste. Sieh mich an, Felix! Ich bin ein niemand! Ich bin allen egal, für niemanden bin ich besonders. Wenn ich jetzt gehen würde, ja, dann würden einige mich vielleicht kurz vermissen und wären traurig, aber sie würden darüber hinwegkommen! Sie könnten mich vergessen und ihr Leben ohne mich weiterleben, als hätte es mich nie gegeben!" Während meiner Ansprache wurde meine Stimme immer lauter. Tränen flossen über meine Wangen und es wurden immer mehr. Erschöpft und leise schluchzend vergrub ich mein Gesicht in meinen Handflächen und ließ die Worte auf mich wirken. Ich hatte sie bis jetzt nur gedacht und nie laut ausgesprochen. Sie trafen mich mit voller Wucht und taten noch mehr weh.

Vorsichtig löste Felix meine Hände von meinem Gesicht und schaute mir direkt in die Augen, bis tief hinein in mein Herz. "Nein, das ist nicht wahr. Für mich bist du alles. Du ahnst gar nicht, wie sehr ich dich brauche, Alex. Und Verdammt, solange es irgendwo eine Person auf diesem verfickten Planeten gibt, dessen Leben du verbessert hast, kannst du nicht egal sein! Und du hast mein Leben so sehr verbessert. Wir teilen so viele schöne Erinnerungen." Er musterte mein Gesicht, saugte jedes Detail ein. Sanft strich er mir die heißen Tränen weg. "Weißt du was, Alex? Durch dich habe ich erst gelernt, was es heißt, richtig zu lieben. Verrückt nach einer Person zu sein, sie die ganze Zeit um sich haben zu wollen. Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, wenn diese Person den Raum betritt und alles andere auf einmal nebensächlich erscheint. Wenn das einzige, was zählt, wenn ihr zusammen seid, dieser Moment der Gemeinsamkeit ist. Alexander, Verdammt, du hast mir den Kopf verdreht und es ist mir egal, wenn du jetzt angewidert bist. Du sollst nur wissen, dass du nicht egal bist, weil es da draußen eine Person gibt, die dich genau so liebt, wie du bist und wie du es verdienst. Und diese Person sitzt gerade vor dir, hält deine Hände und hofft, dass du ihn genauso sehr liebst."

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Tränen waren versiegt und hinterließen nur die Erinnerung an meine Worte, die mir jetzt so dumm und unbedeutend vorkamen. Ich konnte es nicht glauben, dass Felix, mein Freund Felix, sich in mich verliebt hatte!

"Aber... wieso? Wieso bist du gerade in mich verliebt? Es gibt so viele Mädchen da draußen, die dich attraktiv finden und die viel mehr zu bieten haben als ich." Es war einfach zu schön, um wahr zu sein.

"Weil du der Einzige bist, bei dessen Lächeln mein Herz ganz komische Dinge macht. Und bei dem mein gesamter Körper eine Gänsehaut bekommt, wenn du mich berührst. Du bist nun mal der Einzige, bei dem ich schweißnasse Hände bekomme, wenn ich ihm meine Gefühle anvertraue, weil ich Angst habe, dass du sie nicht erwiderst." Er sah mich schüchtern an und blickte dann sofort wieder auf seine Hände, die immer noch meine festhielten. Ich hatte Felix noch nie so unsicher erlebt.

"Felix, ich... Du weißt gar nicht, wie sehr mich das Ganze hier verwirrt. Aber bevor ich hier irgendeine Scheiße labere..." Ich führte meinen Satz nicht zu Ende und ließ ihn in der Luft hängen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und rückte näher an Felix heran. Erstaunt sah er hoch zu mir, ich konnte die Verwirrung in seinem Blick sehen, aber auch ein Funke Hoffnung glomm darin auf.

Ich war noch nie in meinem Leben von etwas so sehr überzeugt wie von uns. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und legte meine Stirn an seine. Wir schauten uns nur in die Augen und sagten kein Wort. Wie lange? Keine Ahnung, Zeit spielte keine Rolle.

Vorsichtig, als könnte ich zerbrechen, nahm Felix mein Gesicht in seine Hände. Mit seinem Daumen strich er über meine Augenbrauen, meinen Nasenrücken und fuhr die Konturen meiner Lippen entlang. Mein Verlangen, ihn endlich zu küssen, stieg in's Unermessliche.

Und endlich legte er seine Lippen auf meine.

Es war so anders, als ich es mir immer ausgemalt hatte. Wenn man an einen Kuss denkt, denkt man immer an diese weichen, süßen und gestellten Filmküsse. Aber dieser war ganz anders. Besser. Realer.

Felix' Lippen waren rau und schmeckten salzig von der Seeluft und meinen Tränen.

Am Anfang war es ungewohnt. Ich hatte noch nie jemanden außerhalb meiner Familie geküsst und ich hatte keine Ahnung, ob ich es richtig machte. Aber ich fing an es zu genießen und hörte auf mir zu viele Gedanken zu machen.

Dieser Kuss war wie eine Art Rettungsring, an den ich mich klammerte. Ich bat Felix um Sicherheit und er gab sie mir. In diesem Kuss steckten so viele Emotionen und Worte, die ich mich nicht traute auszusprechen, aber ich wusste, dass Felix mich auch so verstand.

Langsam ging uns die Luft aus und schwer atmend trennten wir uns ein Stück voneinander. Ich saß halb auf seinen Schoß und klammerte mich an ihm fest.

"Da, wo deine Lippen vorher waren, haben sie mir besser gefallen", grinste Felix. Ich grinste zurück. Vorsichtig lehnte Felix sich nach hinten, bis er im Sand lag, ich auf seinem Bauch. "Jetzt versperre ich dir ja die Sicht auf die Sterne", sagte ich und lachte kurz auf.

"Das macht nichts", flüsterte Felix und strich mir liebevoll durch die Haare. "Deine Augen genügen mir."

Song: Borderline - Tove Styrke

anxiety//dizziWhere stories live. Discover now