Kapitel 1

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Sienna |

Ich bin so erschöpft, als hätte ich drei Tage am Stück nicht geschlafen.
Mein Kopf ist schwer und voller Gedanken, die einfach nicht verstummen wollen.
Mit den Zehen male ich ein Herz in den feuchten Sand und schaue zu, wie eine herannahende Welle, es mit sich trägt.
An Tagen wie heute fühle ich mich frei und genau das möchte ich nutzen, um Inspirationen zu sammeln.
Der Strand ist heute nahezu menschenleer, was ich genieße.
Immer wenn ich einen klaren Kopf brauche, treibt es mich hierher, nach Manhattan Beach, der südwestlich von Los Angeles liegt. Die halbe Stunde Fahrt nehme ich dafür gerne auf mich.
Völlig in meinen Gedanken versunken, laufe ich ein Stück weiter, bis ich mich irgendwann in den warmen Sand setze, meine Knie unter mein Kinn ziehe und der Sonne zuschaue, die langsam hinterm Horizont versinkt. Doch die Ruhe hält nicht lange an, da höre ich mein Handy in der Strandtasche vibrieren. Ohne das ich es zur Hand nehme, weiß ich, wer mich anruft.
Meine Hochzeit mit Benedikt liegt jetzt fast ein Jahr zurück, und auch wenn es mir an nichts Materiellen fehlt, fühlt es sich oft so an, als wenn ich im Leben etwas vermisse.
Seit er die Kanzlei seines Vaters übernommen hat, verbringt er kaum noch Zeit mit mir, was mich jedoch nicht stört.
Manchmal bin ich froh, wenn er erst spät zuhause ist. So bleibt mir mehr Zeit für mich und meine Arbeit.
Das Designen von Mode ist das einzige, was meinem Leben einen Sinn gibt.
Mein Handy vibriert erneut und diesmal hört es nicht auf, sodass ich es hervorziehe und den Anruf annehme.
»Hi, Ben.«
Ohne wirklich hinzuhören weiß ich, was er sagen wird. Denn es ist immer das selbe.
»Wo bist du? Warum gehst du nicht an dein Telefon? Ich mache mir Sorgen!«
»Ich war bei Joane und bin schon auf dem Weg heim.«
»Fahr vorsichtig. Wir sehen uns zuhause.«
Am Anfang verabschiedete ich mich mit einem: Bis gleich, Schatz. Jetzt beende ich ein Telefonat oft ohne etwas in der Richtung zu sagen. Ich frage mich ... weshalb ich mich auf eine Heirat mit ihm eingelassen habe. War es nur das Drängen meiner Familie? Ich rede es mir gerne ein und schiebe somit jede Schuld von mir.

Der Abend ist bereits hereingebrochen und die Sonne untergegangen, als ich mit meinem weißen Bentley Cabriolet das schmiedeeiserne Tor durchquere, das sich hinter mir, wie durch Geisterhand, schließt.
Es ist egal wie oft ich nach Hause komme. Es fühlt sich immer noch nicht nach einem Heim für mich an. Dieser moderne, gläserne Kasten trägt Bens Handschrift. Alles wurde von ihm ausgesucht. Vom Boden bis zum Dach. Selbst die Einrichtung wirkt eher maskulin und unterkühlt. Als würde ich hier nicht leben.
Als ich zur Haustür herein komme und aus meinen Espadrilles steige, steht Ben schon am Ende der Treppe, die er herunter kommt.
»Da bist du ja endlich. Sagtest du nicht, du warst bei Joane?«
Seine Stimme bereitet mir Unbehagen, denn es klingt so, als wüsste er, dass ich nicht bei meiner Freundin war.
»Was ist denn los? Darf ich jetzt nicht mehr aus dem Haus ohne mich an und abzumelden?«
Er spürt, dass ich gereizt bin, doch das hält ihn nicht davon ab, mich weiter zu befragen.
»Warst du bei Jo, ja oder nein?«
Ich werfe meine Tasche auf den dunklen Marmorboden und will an ihm vorbei nach oben gehen, doch er greift unsanft nach meinen Oberarm und reißt mich zurück.
»Jo ist seit gestern bei ihrer Mutter in San Francisco! Also sag mir, wo du dich den ganzen Tag herumgetrieben hast!«, brüllt er und schleudert mich gegen die Wand, wodurch ein Bilderrahmen lautstark zu Boden kracht.
Niemals würde ich ihm verraten wo ich war. Denn dieser Ort ist der einzige, von dem er nichts weiß und das soll auch so bleiben.
»Fass mich nicht an!«, schreie ich. Meine Schulter durchzieht ein stechender Schmerz und ich schrecke zurück, als Benedikt mit dunkler Miene auf mich zukommt, um mich erneut zu packen und durch den Flur, die Treppen rauf, ins Schlafzimmer zu zerren.
»Lass mich los! Du tust mir weh!« Ich stolpere als er mich ins Zimmer stößt und falle auf meine Knie. Auf allen Vieren versuche ich vor ihm zu fliehen, doch da hat er mich schon an meinen langen, dunkelbraunen Haaren gepackt und reißt mich gewaltsam zurück.
»Du warst bei einem anderen Mann, sag die Wahrheit! Wer ist er?«, brüllt er wie im Wahn. Sein langes, dunkelblondes Haar hat sich aus seinem Zopf gelöst und fällt ihm ins Gesicht. Seine kalten, blauen Augen bohren sich in meine grauen und ich habe plötzlich fürchterliche Angst vor ihm. Seine große, schwere Gestalt hält mich am Boden und ich weiß, dieses Martyrium hat noch lange kein Ende.
»Es gibt keinen anderen Mann! Ich bitte dich, Ben! Lass mich los!«
Doch all mein Flehen hilft nicht. Er zieht mich auf die Beine und schleudert mich quer übers Bett. Dann packt er meine Fußgelenke und zerrt mich bis zum Bettrand wo er meine Beine weit auseinanderspreizt.
»Es gibt keinen anderen Mann? Das werden wir ja gleich feststellen!«
Er zerreißt mein weißes Kleid und ich spüre, wie seine Hand sich in meinen Slip schiebt. Seine Finger reiben schmerzhaft über meine intimste Stelle und schieben sich mit Gewalt in meine Öffnung.
»Du bist feucht da unten. Sicher, dass du nicht gerade bei einem anderen gelegen hast? Hat er dich gut gefickt?«
Es schmerzt, als er mir die Unterhose vom Leib reißt und sich über mich legt, sodass mir die Luft wegbleibt. Dabei öffnet er seine Hose und wichst seinen harten Schwanz, dessen Spitze sich bereits gegen meine Klit drückt.
»Geh von mir runter! Lass mich! Ich will nicht! Ich will -.«
Seine flache Hand schlägt mir mitten ins Gesicht. Kurz sehe ich tanzende Lichter und schmecke das Blut, das aus meiner aufgeplatzten Lippe quillt. Der beißende Schmerz stellt sich sofort ein und ich versuche nicht mehr zu schreien oder mich zu wehren. Denn das, was er als Nächstes zu mir sagt, lässt mich augenblicklich verstummen.
»Um so mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es für dich! Und ich schwöre ... diesmal bringe ich dich um!«
Ich weiß, dass er es tun wird. Er hat es mir schon einmal angedroht und damals wäre ich beinahe an den Folgen gestorben. Ein unglücklicher Treppensturz, sagte er im Krankenhaus, als der Arzt meinen gebrochen Arm, die geprellten Rippen und Platzwunden am Kopf und im Gesicht behandelte. Benedikt Powell, ist bis jetzt mit allem durchgekommen, was er mir je angetan hat. Selbst meine Familie ahnt nichts von den Misshandlungen, denn aus Angst, schweige ich.
Sein steifes Glied schiebt sich immer wieder unaufhaltsam in mich, seine Hand legt sich um meinen Hals und er drückt fest zu. Sein Stöhnen wird lauter und sein widerlicher Atem prallt gegen mein Ohr, an dem er leckt und lutscht. Dieses Schmatzen ekelt mich und treibt mir Tränen in die Augen.
All der Schmerz und das Leid endet plötzlich ... denn ich bin bereits nicht mehr anwesend. Mein Geist reist zurück, an einen anderen Ort, zu einer anderen ... glücklicheren Zeit.
Zu einem Menschen, der in dunkelsten Stunden, immer mein kleiner Lichtblick war.

Wo bist du gerade? Denkst du manchmal noch an mich ... Oder hast du mich wirklich vergessen?

Still sitze ich im Badezimmer. Mein Körper fühlt sich schwer wie Blei an und ich betrachte mich im langen Spiegel vor mir. Nur eine Platzwunde an der Lippe und einige blaue Flecken, die ich unter der Kleidung verstecken kann, denke ich. Es könnte schlimmer sein. Meine Erniedrigung herunter schluckend, recke ich mein Kinn.
Er wird mich niemals brechen, eher werde ich sterben.
Als er herein kommt, wende ich mein Gesicht von ihm ab. Ich will ihn nicht anschauen.
»Du solltest besser aufpassen, Sienna. Irgendwann brichst du dir auf den Treppen das Genick.«
Dieser Soziopath kommt zu mir und nimmt mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Halt still. Das müssen wir versorgen.«
Als wenn es das normalste der Welt ist, tupft er mit einem, in Jod getränkten Wattepad, über meine Wunde. So gewalttätig und brutal er eben noch war, so zärtlich und liebevoll geht er in diesem Moment mit mir um.
»Das nächste Mal, sagst du mir einfach wohin du fährst, mein Engel. Ich mache mir doch nur Sorgen um dich.«
Er küsst meine Stirn und entsorgt die Watte im Mülleimer. »Geh jetzt duschen und komm zu Bett.«
Ohne ihn anzuschauen nicke ich, dann verlässt er das Bad und schließt hinter sich die Tür. Kurz bin ich den Tränen nahe, doch ich fange mich und stehe auf, um meinen Körper von Benedikts Gestank zu befreien.

It's all good, Baby Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt