Prolog

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Schwerelos.

Das Gefühl der Schwerelosigkeit war unbeschreiblich. Man fühlte sich frei wie ein Vogel, so leicht wie eine Feder, wie ein Blatt im Wind.

Plötzlich war nichts mehr von Bedeutung, alle Probleme schienen wie ausgelöscht zu sein, kein einziger Gedanke existierte in meinem Kopf. Es schien wie komplett leergefegt zu sein.

Mein Kopf begann wehzutun, das Gefühl der Schwerelosigkeit verschwand und ein Druck breitete sich aus. Schreckliche Kopfschmerzen machten sich breit, meine Lunge fühlte sich so an, als würde sie sich zusammenziehen.

Die Schmerzen wurden unerträglich. Ich riss meine Augen auf und sah nichts als Dunkelheit.

Ich strampelte mit meinen Beinen und Armen, versuchte an die Wasseroberfläche zu gelangen, aber nichts schien zu klappen. Das Wasser zog mich weiter in die Tiefe und das Verlangen nach Luft wurde mit einem Mal viel stärker.

Hilfesuchend drehte ich mich im Kreis, doch niemand könnte mich hier unten jemals finden. Dachte ich zumindest, denn eine Person tauchte vor meinem Gesicht auf.

Es war ein junger Mann, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Dachte ich zumindest, denn tief in inneren kam mir sein Gesicht bekannt vor.

Langsam bekam mein Körper wieder das Gefühl der Schwerelosigkeit, alles schien taub zu werden und in den Hintergrund zu rücken.

Meine Augen schlossen sich automatisch und ich hatte das Gefühl, bereit zum Sterben zu sein.

Ganz leicht spürte ich, wie sich lange Finger um meine Handgelenke schlangen. Ich wurde ruckartig und ohne Vorwarnung aus dem Wasser gezogen.

Sowohl mein Mund als auch meine Augen waren sperrangelweit aufgerissen, frische Luft strömte durch meine Lungen und ich hatte mich vorher noch nie so lebendig gefühlt.

Kurz sah ich die in das Gesicht des jungen Mannes, welchen ich zuvor im Wasser gesehen hatte, dann verschwand er spurlos, direkt vor meiner Nase. Ein Haus am See kam zum Vorschein.

Erschrocken setze ich mich auf und sehe mich um. Ich bin wohl auf dem Sofa eingeschlafen. Der Fernseher zeigt mir gerade eine nicht wirklich wichtige Werbung, weshalb ich ihn ausschalte.

»Albtraum?«

Mit einem halben Herzinfarkt drehe ich mich zu meiner Mutter um, die auf ihrem Sessel am Fenster sitzt und durch ein Fotoalbum blättert, soweit ich es beurteilen kann.

Ich nicke knapp und antworte müde: »Kann man so sagen.«

Ächzend richte ich mich auf und laufe zu meiner Mutter, um mich dann auf die Fensterbank zu setzen. Meinen schmerzenden Rücken lehne ich leicht gegen die Wand und ziehe meine Knie an mich, um dann meine Arme um meine Beine zu legen.

Mein Blick wandert fast automatisch zu den Bildern und sehe mir jedes Bild gründlich an. Bis ich das Haus am See sehe. Wie aus meinem Traum. Albtraum.

»Was ist das für ein Haus?«, frage ich und deute auf das Bild.

Meine Mutter streicht sanft mit dem Finger darüber: »In dem Haus haben wir gewohnt, als du noch 5 Jahre alt warst.«

»Wieso kann ich mich nicht daran erinnern?«, frage ich mit gerunzelter Stirn und versuche irgendeine Erinnerung aus meinem Gedächtnis herauszukramen, doch ich konnte mich beim besten Willen einfach nicht erinnern.

»Du warst noch klein, Raven«, meint meine Mutter und sieht mich an. »Du hattest aber einen unsichtbaren Freund gehabt.«

»Einen unsichtbaren Freund?«, frage ich leicht lachend. »So etwas hat sich mein jüngeres Ich ausgedacht?«

»Du warst fest davon überzeugt, dass er wirklich existierte. Du hattest gesagt, dass er Louis heißt und gerne mit dir spielt.«

Lachend schüttle ich den Kopf: »Ihr hättet das mal aufnehmen müssen. Ich hätte es zu gerne gesehen. Warum wohnen wir nicht mehr dort?«

»Die Bewohner des Dorfes sagten sich untereinander, das Haus am See sei verflucht und irgendwann geschahen merkwürdige Dinge, die für dich zur Normalität gehörten. Lassen wir das mit den alten Geschichten. Ich mache mal das Abendessen, Liebes.«

Meine Mutter erhebt sich aus ihrem Sessel und ich schnappe mir das Fotoalbum, um mir das Haus am See länger anzugucken.

Und je länger ich das anstarre, desto mehr kommt es mir so vor, als würde eine Person, ein junger Mann, am Fenster im Obergeschoss ganz auf der rechten Seite stehen. Sein Blick scheint direkt auf mich gerichtet zu sein, denn auf dem Bild sitzt eine kleinere Ausgabe von mir und strahlt in die Kamera.


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