Zerstörte Erde

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Kaliumiodid ist wirksam gegen Radioaktivität. Es setzt sich in der Schilddrüse ab und schützt den Körper vor der Strahlung. Normalerweise nimmt man Kaliumiodid in Tablettenform.

Ein intelligenter, amerikanischer Arzt hatte allerdings nach einer wirksameren Lösung gesucht. Jahrelang experimentierte er herum und hatte tatsächlich einen medizinischen Durchbruch.

Durch hochmoderne Technik und weitere, mir unbekannte Substanzen neben Kaliumodid, entwickelte er eine Flüssigkeit, welche den Körper vollkommen gegen die gefährliche Strahlung schützen sollte.

Leider konnte diese Flüssigkeit vor dem Kriegsbeginn nicht ausreichend getestet werden.

Nun standen Isaac und ich hier, hatten uns die Flüssigkeit injiziert und hatten keine Ahnung was passieren würde.

Jeder amerikanische Bunker besaß zwei der Flüssigkeiten, für den Notfall.

Unsere Strahlenanzüge waren nutzlos, denn niemand hatte einen Helm dabei. Und der Bunker war noch nicht vollständig mit Schutzanzügen ausgestattet. Die Spritze war also unsere einzige Chance.

Wir mussten aus diesem Bunker heraus, denn wir brauchten Hilfe. Wir wollten hier nicht ewig festsitzen, ohne zu wissen wie groß der Schaden war.

Mit zittrigen Beinen machte ich einen Schritt in die neue Welt. In die zerstörte Welt.

Soweit das Auge reichte, lag alles in Trümmern. Die hohen Gebäude in der Ferne existierten nicht mehr, oder bestanden nur noch aus undefinierbaren Mauern.

Alles in Richtung Manchester war komplett verbrannt. Die Hitzewelle reichte kilometerweit. Kein Leben existierte hier.

Isaacs Geigerzähler schlug aus. Die Strahlung hier war so hoch, dass man innerhalb weniger Stunden sterben würde.

Ich griff nach seiner Hand und krallte mich an ihm fest. Ich hatte Angst. Wahnsinnige Angst.

Isaac schluckte und lief mit kleinen Schritten los, ich folgte ihm und ließ ihn keine Sekunde los. Wenn wir hier sterben würden, dann zusammen.

Die Luft roch verbrannt und besaß vermutlich einen hohen Staubanteil. Kleine Partikel wurden durch den leichten Wind durch die Luft gewirbelt.

„Der Plan", flüsterte Isaac und lief nun etwas schneller.

Ja, wir hatten einen Plan. Weg von Manchester oder sogar weg von England. Wir kannten das Ausmaß nicht und mussten eine Militärbasis finden, die nicht komplett zerstört war. Wir mussten Funkkontakt zu anderen aufnehmen.

Falls es andere gab.

Also bewegten wir uns mit kleinen, aber schnellen Schritten voran, immer bedacht darauf den Trümmern auszuweichen.

Die Umgebung war grauenhaft, Pflanzen, Bäume und Gräser existierten nicht mehr. Alles war tot und trocken.

Und das änderte sich so schnell auch nicht. Zwar liefen wir von Manchester weg, allerdings zog sich die Zerstörung kilometerweit.

Erst als es langsam dunkler wurde, kamen wir in ein gesünderes Gebiet. Zwar hatte die Druckwelle und Strahlung hier auch einen enormen Schaden angerichtet, aber es sah besser aus als in der Stadt.

Isaac und ich wechselten kein Wort. Wir waren von dem allem hier viel zu schockiert und frustriert.

„Wir sollten heute Nacht hier bleiben."
Isaac deutete auf ein halb eingestürztes Gebäude am Rande eines Waldes und brach somit das Schweigen.

Ich nickte und folgte ihm zu der Ruine.

Dort angekommen, ließ ich das erste Mal seit Stunden seine Hand los. Wir schauten uns grob in der Umgebung und im inneren des Gebäudes um, bevor wir im Eingangsbereich unsere Rucksäcke absetzten.

Isaac setzte sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Er legte sein Sturmgewehr beiseite und holte sich Wasser und einen Energieriegel aus seinem Rucksack.

Trinken war eine gute Idee. Also tat ich ihm gleich und setzte mich, um mir eine Flasche Wasser aus dem Rucksack zu nehmen.

„Du solltest auch essen", sagte Isaac und reichte mir einen der Riegel.

„Wie fühlst du dich? Hast du Symptome von der Strahlung?"

Isaac schüttelte den Kopf. „Nein, die Spritze scheint zu wirken. Hast du welche?"

Ich schüttelte ebenfalls den Kopf und biss in den Riegel.

Die Situation zwischen Isaac und mir war komisch. Ich konnte es nicht genau beschreiben, aber irgendwas war anders.

Schweigend aßen wir etwas und beschlossen dann, dass es besser war zu schlafen. Mittlerweile war es fast stockdunkel und nur die Taschenlampen spendeten uns Licht.

Da es warm war, entschieden wir uns gegen die Schlafsäcke und legten uns einfach nur auf sie drauf. Die Rucksäcke benutzen wir als unsere Kissen.

Isaac nahm meine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander.

Wie würden die nächsten Tage werden? Würden wir etwas nützliches finden? Würden wir gesund bleiben? Würden wir mehr miteinander reden?

Diese Gedanken hielten mich viel zu lange wach, bis ich endlich einschlief.

Tatsächlich waren wir zwei Tage lang erfolglos. Wir blieben im Umkreis von Manchester und liefen mehrere Stützpunkte ab. Bis jetzt hatten wir nichts gefunden.

Unsere Körper waren den ganzen Tag lang einer tödlichen Dosis Strahlung ausgesetzt und dennoch entwickelten wir keine Symptome.

Das Medikament schien zu wirken.

Dennoch mussten wir schnell etwas finden, denn wir hatten lediglich für fünf ganze Tage Vorräte dabei.

War, Love, and other feelings [Band 1]Where stories live. Discover now