Kapitel 4

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Cameron kämpfte gegen einen braunen Wolf, biss diesem das Genick durch. Sogleich stürzte er sich auf den nächsten. Er war einer der besten Kämpfer und seine Gegner erhielten keine Gnade. Das hatten sie nun verstanden, also umstellten ihn nun vier gleichzeitig. Scheiße. Er drehte sich, wartete. Vermutlich würde er hier sterben.

Einer griff an, doch bevor er ihn erreichen konnte, wurde er brutal von einem massigen Körper getroffen und zur Seite geschleudert. Der Leopard sprang über diesen und biss ihm das Genick durch. Dann fuhr er herum und erwischte einen mit seinen scharfen Krallen.

Der Duft war eindeutig. Jesse. Cameron riss sich aus seiner Erstarrung und griff an. Jesse hielt ihm den Rücken frei.

Als Crane sah, wie sein Beta mit dem Leoparden kämpfte, huschte ein leises Grinsen über sein Gesicht. Doch es sah schlecht aus. Sie hatten ihn ebenfalls umstellt und er blutete bereits an seiner Flanke. Ihr bekommt mich nicht lebend. Ein weiterer griff an, doch er bremste ab, schaute unsicher hinter Crane.

Er hörte ein tiefes Knurren, dann trat ein weiterer Leopard mit dunkelblauen Augen neben ihn. Ein lautes Brüllen erklang aus dessen Maul und zahlreiche Leoparden stürmten aus allen Richtungen herbei und rangen die fremden Wölfe nieder. Einer nach dem anderen verwandelte sich und ergab sich, die Leoparden weiterhin ihre scharfen Krallen an ihren Kehlen.

Sie nahmen sie nach und nach gefangen, legten sie in Ketten. Der Alpha des Rudels war nirgends zu sehen. Ist er geflohen? Hat er seine Kameraden einfach zurückgelassen? Crane verwandelte sich und Caden tat es ihm gleich. Jedem wurde eine Hose zugeworfen, die sie über ihre Hüften zogen.

„Du verdammter Dreckswolf", erklang eine weibliche Stimme und alle schauten in die Richtung, aus der sie gekommen war. Eine rothaarige Frau mit eiskalten Augen und wutverzerrten Gesicht. Doch als sie sahen, worauf ihre Waffe zielte, war es bereits zu spät. Ein Schuss erklang.

Cameron wurde von einem schweren Leoparden umgeworfen, krachte auf den Rücken. Die Luft wurde aus dessen Lungen gepresst. Die Rothaarige wurde gefangengenommen und weggeschleift.

Cameron schaute zu dem Leoparden, der auf ihm lag. Dieser verwandelte sich in dessen menschliche Gestalt, sodass das Gewicht wich. Der Geruch, die Hitze. Sein Gefährte war endlich bei ihm. Zwei blaue Augen schauten ihn an.

„Hallo Cameron... Ich liebe dich", erklang Jesses Stimme mit einem Lächeln.

Das Herz des Betas schlug vor Freude. Sein Gefährte hatte zum ersten Mal seinen Namen gesagt und dazu auch noch die drei Worte, doch dann nahm er den Geruch wahr. Seine Hand wanderte über Jesses Rücken und traf auf Feuchtigkeit. Als er die Hand hob, sah er deren rote Farbe. Jesses Augen schlossen sich und sein Kopf fiel bewusstlos zur Seite.

„Jesse?", fragte Cameron mit zitternder Stimme.

„Jesse!", begann er zu schreien, presste die Hand auf die Wunde, aus der unaufhörlich Blut schoss. Entsetzen breitete sich in Cameron aus.

Jesse hatte sich vor seinen Gefährten geworfen und die Kugel abgefangen. Dabei hatte sie eine Arterie durchschlagen und er verlor viel Blut.

Panik brach aus. Jesse wurde in das Krankenzimmer gebracht, wo ihre Ärztin sofort mit der Operation begann.

„Wir brauchen Blut", sagte Sylvie, die die Arterie abklemmte und die Kugel aus Jesse holte. Caden stand neben ihr.

„Nimm mein Blut, wir haben dieselbe Blutgruppe", sagte er und sofort wurde ihm Blut abgenommen.

„Das reicht nicht, welche Blutgruppe hat er?", fragte sie.

„Null negativ."

Scheiße, ausgerechnet die Blutgruppe, die nur von ihrer eigenen Blut erhalten kann.

„Hat jemand die Blutgruppe null negativ?", rief sie, doch alle Köpfe schüttelten verneinend. Wenn Jesse nicht mehr Blut bekam, würde er sterben.

„Ich habe sie, nehmt meins", erklang Cranes Stimme.

Caden schaute ihn mit Überraschung an, sah zu, wie auch er Blut spendete, nur um seinen Bruder zu retten. Verdammt. Crane sah ihn nur ruhig an.

„Ich denke, wir sollten unseren Friedensvertrag neu aushandeln." Caden nickte stumm.

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Jesse lag für mehrere Wochen im Koma, Cameron wich ihm nicht von der Seite, wartete, dass er endlich aufwachte.

„Jesse, wach bitte auf. Ich brauche dich. Sag noch einmal meinen Namen, bitte", sagte Cameron. Er wusste nicht, wie oft er es schon gesagt hatte, er hatte aufgehört zu zählen. Doch sein Liebster schwieg, öffnete nicht die Augen und ließ ihn mit seiner Verzweiflung allein. Es war seine Schuld. Die Kugel hätte ihn treffen sollen, nicht seinen Gefährten. Wie hatte er so etwas Dummes tun können?

Seine Position als Beta hatte vorrübergehend jemand anders übernommen, denn er war nicht in der Lage, von Jesses Seite zu weichen. Nach einer gefühlten Ewigkeit spürte er es dann. Ein Zucken. Jesses Hand, die in seiner lag, zuckte. Die Atemzüge wurden tiefer und schon bald flatterten die Augenlider seines Gefährten.

Sofort gab er seinem Alpha Bescheid. Crane, er wacht auf!

Müde und verwirrte hellblaue Augen starrten ihn an, doch es waren die schönsten, die er je gesehen hat. Ein Krächzen erklang.

Cameron küsste seine Hand uns sagte, so ruhig es ging: „Bleib ruhig liegen. Komm erst einmal langsam zu dir. Ich bin bei dir."

Jesse sah, wie seine Sicht sich schärfte, und blickte in hellbraune Augen, die sich in einem besorgten Gesicht befanden. „Cameron?", krächzte er und sein Gefährte nickte. Er sah, wie Tränen über dessen Wangen flossen.

„Warum weinst du, was ist los?", sagte Jesse leise.

„Es ist alles in Ordnung, du bist endlich wieder bei mir. Bitte, tu das nie wieder. Ich kann dich nicht verlieren", schluchzte Cameron.

Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Der Streit mit seinem Bruder, der Angriff, der Schuss. Der Schuss? Er hatte sich vor Cameron geworfen, dann... Alles schwarz. Bin ich getroffen worden? Nach der Reaktion seines Gefährten zu schließen, was dies der Fall gewesen. „Wie lange war ich bewusstlos?", fragte er Cameron.

„Etwa zweieinhalb Monate", sagte er, nachdem er sich etwas beruhigt hatte.

„Dir geht es gut?", fragte er vorsichtig und sein Gefährte nickte. Dann hat es sich ja gelohnt.

Laute Schritte erklangen und die Tür wurde geöffnet. Sein Spiegelbild trat ein und stellte sich ans Ende des Bettes. Caden.

„Jesse", begrüßte sein Bruder ihn, mit unlesbarer Miene, doch Jesse wusste nun, was kommen würde. Er hatte sein Rudel verraten. Nun würde er dafür die Verantwortung übernehmen, denn er würde keinen Krieg zulassen. „Caden, ich möchte, dass du mich aus dem Rudel verbannst."

Cameron schaute ihn fassungslos an und Caden verengte die Augen.

„Aber warum, Jesse?", fragte sein Gefährte.

„Weil ein Verbannter nicht unter den Friedensvertrag fällt, dieser somit nicht gebrochen wird. Du bist also bereit deine Familie und dein Leben für ihn wegzuwerfen?", fragte Caden kühl, hatte eine unlesbare Miene.

Jesse nickte.

„Das ist nicht nötig", erklang die Stimme des Alphas der Timberwolves. Alle schauten ihn an, Cameron am sprachlosesten. Zeit, das Ganze zu erklären.

So begann Crane: „Es gab keinen Vertragsbruch, denn der Vertrag wurde aufgelöst."

Entsetzen stand in den Gesichtern der beiden.

„Wir haben einen neuen geschlossen, einer der unser Gebiet vereinigt. Die Grenze ist nur noch pro forma vorhanden. Alle Mitglieder können sich frei bewegen und wir unterstützen uns gegenseitig, sollte es erneut zum Angriff kommen", beendete der Alpha die Erklärung.

„Der Grundstein ist die Verbindung zwischen dem stellvertretenden Alpha des Claws und dem Beta der Timberwolves", fügte Jesses Bruder an.

Das musste die beiden erst einmal verdauen, dann erschien Freude und Erleichterung auf ihren Gesichtern. Die Alphas nickten sich zu, dann verließen sie den Raum. An dem Tag des Angriffs, war die stärkste Allianz zwischen Tierwandlern entstanden, die es gab. Niemand wagte mehr, deren Territorium anzugreifen.

Die Grenze zu dirWhere stories live. Discover now