Kapitel 2: Geflüster zu Mitternacht

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So setzte die Flamme ihre Reise fort, mit derselben Leidenschaft wie selbige sie sich zu einem Teil ihrer Bestimmung einst erklärt hatte. Bestimmung, so nannte sie es zwar, doch wusste sie nicht, ob das wirklich der Weg war, den das Universum für sie vorgesehen hatte. So war die Reise durch die Galaxie eigentlich nur der letzte Ausweg, die Flucht vor ihrem alten, unzulänglichen Leben. So nannte die Flamme es ihre Bestimmung, doch war es eher die Suche danach. Für einen Menschen wie Ahry mochte die Suche auch schon eine Art Bestimmung bedeuten, schließlich war es seit langer Zeit das Einzige, dessen er sich mit vollem Herzen widmen konnte und wollte, doch was bedeutete es für das Universum? Wäre es einverstanden gewesen mit Ahrys Perspektive? Oder würde es ihm sogar anrechnen, dass er sich eine Bestimmung ins Herz geschlossen hatte, wohl wissend, dass sie nicht das Ziel, sondern die Reise dahin war? Die letzte Rettung, der nötige Impuls. Doch dann wiederum gab es Zeiten, in denen der Begriff Bestimmung wie eine übertriebene Anmaßung für Ahry klang, schließlich hatte er, als kleine Flamme, als kleines Licht in der Galaxie doch nur marginales Wissen über sie. Oh diese Flamme, sie wusste nichts, doch hatte Weg und Ziel.

Nur konnte sie von Ersterem niemals vollends überzeugt sein, stets den richtigen Pfad zu wählen, und von Letzerem niemals, ob sie es je erreichen würde, und woran sie es merken würde. Seine Bestimmung zu finden. Das wohl höchste Ziel im Universum. Doch solange die Flamme nicht das Gefühl hatte, dieses Ziel erreicht zu haben, musste die Suche nach ihr den Platz der Bestimmung in ihrer Seele einnehmen. Wie paradox. Ahry, der zur Flamme im Universum geworden war, war überzeugt, dass es etwas Höheres geben musste. Doch solange er dies nicht gefunden hatte, musste die Reise seine Bestimmung sein. Schließlich war er am Ende des Tages immer noch ein Mensch. Mit Gefühlen. Er musste fühlen, wie sein Herz, seine Seele mit einem Zweck erfüllt wird. Nur dann konnte er endgültige Überzeugung erlangen, auch wenn das Universum seine Bestimmung schon für ihn bereit hielt.

Doch das, was die Flamme tat, war das, was sie brauchte, um den Schmerz zu lindern, der sich über Jahre in ihrer Seele akkumulierte. Und diese Verzweiflung in ihr. Das permanente Grübeln, mentales Umherirren, ihr emotionales Auf und Ab, die seelische Pein, alles was sie plagte, was sie schlussendlich zu antiken Schriften führte, in der Zeit, bevor die Flamme zum ersten Mal zu einer Flamme wurde. Bevor dieser einfache Menschenjunge die Fähigkeit erlangte, sich in zwei Formen manifestieren zu können. Bevor sie anfing, sich weitaus tiefgründigeren Fragen zu widmen, auf die sie keine Antworten mehr in alten Schriften fand. Ahry war ein Mensch. Doch auch eine Flamme.

Und ebenjene zog just vorbei an ein paar dunklen Planeten. Ihre Anziehungskräfte, die auf die Flamme wirkten, manifestierten sich in kleinen Funken, die in Richtung selbiger Planeten ausschlugen. Doch brannte das Herz stets stark genug, um dieser Kraft zu widerstehen. Das war eine der wichtigsten und frühsten Lektionen, die die Flamme zu lernen hatte, wollte sie doch nicht riskieren, Zeit zu verschwenden, stattdessen selbstbestimmt das Universum erkunden, nur die Planeten und Welten erforschen, die sie reizten, die die größte Anziehungskraft nicht auf ihren physischen Körper, sondern auf ihr Herz, ihre nach Inspiration suchende Seele hatte. Die Flamme atmete tief ein, jeder Funke zog sich postwendend in ihr Zentrum zurück, um sich den Anziehungskräften vollends zu entziehen, um ihre Energien zu schonen.

Warum gehen Sterne unter? Ununterbrochen sah es die Flamme, während sie durch die Galaxie reiste, und jedes Mal stellte sie sich diese Frage. Jene Sterne, die im Leuchten ihren Zweck sehen, bevor sie sterben, beginnen sie zu flackern, erst nur sporadisch, doch immer wilder, vielleicht manifestiert sich darin auch nur ihre Angst vor dem Tod, ihre Farben werden sukzessive dunkler, das Leuchten immer kraftloser, bis zu dem Punkt des Erlöschens, nichts weiter als eine triste, aschfahle Kälte hinterlassend. Warum sterben sie? Dann wiederum jene, die Rotation, zirkularen Bewegungen oder gar beidem unterworfen sind, seien sie noch so langsam und unscheinbar. Die Wandelsterne, Planeten, auch sie beginnen, ihre Farbe zu verlieren, das war das Einzige, was ihren Tod mit jenen der Fixsterne verbindet, doch ist ihr Untergang weitaus tragischer für das Auge. Risse fressen sich durch ihren Mantel, brechen die Hülle auseinander, auf dass diese nicht mehr den Kern des Planeten schützen kann. Der Kern erfriert langsam in der dunklen Kälte des Weltraums, die einstige Hülle zerbricht in viele kleine Teile. Warum zerbricht sie? Jeden Tag sah die Flamme Sterne untergehen. Warum - gehen - sie - unter? So selbstverständlich, so natürlich es schien, ist es ein ewiger Lauf, ein kleines Stück des Zyklus des Universums? War es wie eine Art kosmische Apoptose oder hatte es vielleicht sogar ganz andere Gründe? Die Flamme konnte nicht aufhören, sich zu fragen, warum sie starben. Welche Bedeutung ihr Tod hatte. War es natürlicher Zerfall oder gar Untergang? War das Universum unzufrieden mit ihnen oder hat es ihr Leiden vernachlässigt?

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