Kapitel 1: Eine Flamme zwischen den Fixsternen

72 5 6
                                    

Stille, auch wenn Welten in ihm toben. Leere, auch wenn Sterne in ihm leuchten. Kälte, auch wenn Seelen in ihm brennen. Das Universum. Ungreifbar, doch voller Materie. Gnadenlos, doch träumende Herzen in sich tragend. Unberechenbar, doch einem ewigen Zyklus unterworfen. Einem Zyklus, den nichts und niemand verstand, viele hatten nicht einmal einen Gedanken an ihn verschwendet, doch sie waren ein Teil von ihm, und der Zyklus war ein Teil von ihnen. Jedes Objekt, jedes Wesen, jedes Atom, sie alle waren ihm unterworfen. Das machte sie zu Kindern des Universums. Alles hatte einen Platz in ihm, doch nicht alles und jeder wusste um seinen Platz. Manche starben in der bitteren Annahme, ohne einen Platz im Universum gelebt zu haben, doch sind diese Wesen in Trug gestorben. Im Moment ihres Todes haben sie das Universum vergessen, doch das Universum vergisst seine Kinder nicht. Lediglich der Akt von Gnade und Urteil ist so schwer zu entschlüsseln, so schwer zu verstehen. So schwer, dass manche das Universum verfluchen, doch das Universum verflucht seine Kinder nicht.

Inmitten dieser unendlichen Weite des Weltraums siehe dort, eine weiße Flamme, die an den Sternen und Planeten vorbeirast. Grell, doch verschluckt in der Finsternis. Ziellos, doch die Rast scheuend. Heiß, doch verbrennen die Sterne um sie herum nicht. Diese Flamme, sie sah die Galaxie an sich vorbeiziehen, wie Planeten starben, wie sie geboren wurden, wie Sterne wanderten, wie sie ruhten, und wie Welten zerfielen. All das waren keine neuen Anblicke für diese Flamme, die durch das Universum reiste. Keinen dieser Anblicke konnte sie je verstehen. Aber sie wollte. Sie wollte alles verstehen, doch klang dieser Wunsch wie eine groteske Anmaßung.

Zeit war bedeutungslos, doch das Universum lebte, mit jeder Sekunde starb es ein Stück, gewann es gleichzeitig an Leben. Erfror, doch entzündete sich. Sprach Urteile, doch konnte auch vergeben. Diese Flamme war nur eine von Myriaden im Universum. Doch war sie etwas Besonderes. Sie war heimatlos. Eine reisende Flamme. Neugierig, auf der Suche nach Wissen. Nach Wissen und Inspiration. Nach neuen Welten und alten Gefühlen. Die Funken, die sich von der Flamme lösten, sie küssten die Sterne, an denen sie vorbeizog. Denn jeder von ihnen war ein Kind des Universums. Die Funken waren ein Zeichen des Respekts. Ein Zeichen dafür, dass diese Flamme mit größter Demut durch die Galaxie reiste. Demut vor seinem eigenen Status, seinem Platz im Universum. Davor, dass sie zwar ein Kind des Universums, doch auch nur eines von vielen war. Nicht unbedeutend. Doch die Bedeutung hatte es sich mit unendlich vielen seiner Brüder und Schwestern zu teilen. Dies anzuerkennen, war der Flamme Demut. Und die Funken waren ein Akt dieser Demut.

Doch auf einmal, diese Flamme, sie stürzte. Auf einen Planeten unter ihr. Groß. Gehüllt in dunkles, eintöniges Orange, manche hätten es als Braun gedeutet, mit Kerben und Bergen, Mustern und Formen, dunklen Winkeln und erleuchteten Ebenen. Ein monotoner Anblick für das Auge, das mehr als wenige Sekunden des Betrachtens verbracht hatte, doch die Flamme war interessiert, ließ sich auf diesen Planeten hinabfallen, wollte sie wieder einen winzig kleinen Teil dieses Universums erkunden. Auf diesem gigantischen Planeten. Die Flamme stürzte sich auf einen Berg hinab, sah einen schier endlos großen Canyon auf sich zu rasen. Dunkles Orange verdrängte sukzessive den Himmel aus dem Blickfeld der Flamme, bis sie endgültig durch alle Sphären des Planeten gedrungen war.

Nach kurzer Zeit landete sie auf diesem Berg. Langsam verformte sich die Flamme, bildete einen Körper, noch immer war sie grell am leuchten. Zwei Beine schlugen aus, zwei Arme, ein Kopf. Und ein Herz. Es war ... ein Mensch. Ein Junge. Schwarzer, dünner Stoff bedeckte seinen schlanken Körper. Er ließ die Flamme erlöschen, welche nur noch seinen Körper hinterließ. Der Junge ging ein paar Schritte vorwärts. Sandiges Gestein wärmte seine nackten Füße.

„Faszinierend", sprach der Junge zu sich selbst.

Er begutachtete seine Umgebung. Sie war komplett in dieses farbliche Spektrum zwischen Orange und Braun gehüllt, übersät mit Schluchten, Felsen, Höhlen und Bergen. Es hatte schon etwas Hypnotisierendes, wie eintönig diese Umgebung war, man konnte seinen Blick nur kaum von ihr befreien, es sei denn, man blickte in den Himmel, doch bot auch dieser nicht viel. Sanfter Wind wirbelte den dunklen Staub umher, der sich auf des Jungen Haut absetzte, ihr ein Gefühl von Trockenheit und Wärme gab.

WeltensammlerUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum