ist dir schon aufgefallen, dass Leute selten die Wahrheit sagen? Und dann, wenn du dich im Internet zeigst, konfrontiert mit Menschen, die du nicht persönlich kennst, offenbaren sie dir plötzlich ungeschönt ihre Meinung. Ich wünschte, wir wären im wahren Leben viel ehrlicher. Wir schaffen es doch auch, gegenseitig Kritik zu üben, ohne daran zu zerbrechen. Solange man etwas sachlich und nicht verletzend formuliert, bevorzuge ich die Wahrheit gegenüber der Lüge. Deshalb bist du mir wohl so ans Herz gewachsen.

Mir ist aufgefallen, dass du auf den letzten Brief nicht geantwortet hast. Wahrscheinlich, weil ich darum gebettelt habe, für meine Persönlichkeit gelobt zu werden. Wir wollen uns immer die Wahrheit sagen. Und für den kurzen Zeitraum, wo wir miteinander schreiben, war das zu viel verlangt. Sorry. Aber was ist mit Äußerlichkeiten?

Bin ich hübsch genug, um mich im Internet zu zeigen, ohne mit Hasskommentaren attackiert zu werden? Ich weiß, dass kein Mensch perfekt ist, deshalb darfst du weiterhin ehrlich sein. Hier in diesem Brief findest du die Mädchen der Gruppe, im nächsten die Jungs. Ich denke, es ist sinnvoller, die gleichen Geschlechter miteinander zu vergleichen.

Danke!

Dein:e Brieffreund:in

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Für Ende April herrschten im Hanser Park recht milde Temperaturen. Mit der Antwort von Nummer zwei setzte ich mich auf eine Parkbank, die direkt vor einem kleinen Tümpel aufgestellt wurde. Eine Kröte gab zwischen Schilf ihre tiefsten Töne zum Besten. Aus ihren großen Glupschaugen beobachtete sie mich, als fragte sie: Worauf wartest du? Ich schüttelte den Kopf. Sie hatte recht. Mit dem, was dort stand, kam ich klar.

Ich entfaltete den Brief auf meinem Schoß. Für Nummer zweis Verhältnisse war diese Antwort fast schon lieblos verfasst. Er schrieb nach wie vor mit derselben ordentlichen Schrift, aber das Briefpapier wurde aus einem linierten Collegeblock entwendet. Er hatte keinerlei Illustrationen hinzugefügt, obwohl er sonst ein begnadeter Künstler war. Zumindest blieb er seinem Schönschreibfüller treu.

 Zumindest blieb er seinem Schönschreibfüller treu

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ich freue mich, dass du ähnlicher Meinung bist. Viele Menschen haben Angst vor Kritik, wollen sich aber trotzdem verbessern. Aus Erfahrung sage ich: Das ist nicht möglich. Ich genieße es, mit dir ehrlich zu sein. Daher würde ich es begrüßen, wenn du zu den Bildern ebenfalls dein Kommentar ablässt. Zum einen finde ich es interessant, was du über mich denkst, zum anderen wäre es nur fair, oder?

Ich gehe der Reihenfolge nach. Yuna hat etwas Einzigartiges an sich. In einem Film wäre sie die Protagonistin. Ihre blonden Haare leuchten im Kontrast zu ihrer dunklen Haut. Hollywood wird das lieben. Ich dagegen würde ihr empfehlen, die Farbe auszuwaschen. Mit ihrer Zwergengröße fällt sie genug auf. Ich sehe es schon, wie sich ihre Schüler später auf dem Flur die gemeinsten Spitznamen ausdenken. Vielleicht sowas wie Barbie. Sie ist für mich keine angehende Lehrerin, sondern ein Model oder die Schauspielerin des nächsten Hollywoodblockbusters. Ich bezweifele, dass sie so wirken möchte. Yuna ist so verschlossen. Sie trägt ihre Kleidung, als bräuchte sie jede Sekunde einen Spiegel, um zu checken, ob das Outfit noch immer passte. Falls du Yuna bist, tut es mir leid, aber ich fürchte, du gehörst zu der Sorte, die nicht mit meiner Kritik umgehen kann. Ich weiß nicht, wie du später vor einer Klasse stehen willst, wenn du nicht mal vernünftig in eine Kamera lächelst, sobald niemand zuschaut. Dabei bist du von allen Mädchen die, die die Schönheit mit Löffeln gefressen hat. Aber ist das nicht immer so? Die Schönsten wissen nicht, wie hell sie strahlen?

Box Nr. 7Onde histórias criam vida. Descubra agora