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Zuerst ein paar Gedanken zur Folge 10x03, in der Jay nach Bolivien geht, um dort bei einem Anti Drogenkartell zu arbeiten.
Die Folge hat mich genau wie zahlreiche andere unter euch sehr betroffen gestimmt. Ungeachtet der Gründe von Jesse Lee Soffers Ausstieg, werde ich nie verstehen, warum man über Jahre ein Pairing aufbaut, um es dann binnen ein bis zwei Folgen auf höchst unrealistische Art und Weise wieder zu zerstören.
Wie wir wissen, hat Jay eine PTSD (Posttraumatische Belastungsstörung). Daher wäre alles logisch gewesen, was seinen Ausstieg rechtfertigt. Nicht logisch ist stattdessen, ihn nach Bolivien zu schicken, wo er unter kriegsähnlichen Zuständen seine Zeit damit fristet, mafiöse Strukturen aufzudecken, nachdem er wegen den kriegsähnlichen Zuständen in Afghanistan zur Polizei nach Chicago gegangen ist. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass in der Polizeiarbeit in Bolivien sehr korrupte Strukturen bestehen und Einsätze extrem gefährlich sind. Zig fach gefährlicher als in Chicago. Noch dazu ist er mit Hailey verheiratet. Das alles macht es sehr unrealistisch.

Nun zur Frage: Kommt Jay zurück? Wir haben ein offenes Ende. Seine Figur ist nicht tot, insofern ist theoretisch alles möglich. Auch, dass er ggf. zurück kehrt.
Falls ja, wird Hailey aber sicher nicht mehr guter Dinge sein, denn er hat nie auf ihre Anrufe geantwortet und seine Zeit in Bolivien auf unbestimmte Dauer verlängert.
Der Fortgang nach Bolivien wird gerechtfertig durch 2 Dinge. 1. Möchte Jay nicht mehr unter Voights Machenschaften arbeiten 2. Sieht er, dass Hailey immer mehr in Voights dunkle Geschäfte hinein gezogen wird und erachtet in Folge dessen nur eine Option als möglich, um weiterhin so zu leben wie er lebt: Er widerstrebt sich den Dingen, die ihn animiert hatten zur Polizei zu gehen (Gerechtigkeit etc.) und wird auch wie Voight.

Nun ist die Frage, was es mit dieser Angabe der Zeit auf sich hat. Theoretisch wäre auch noch etwas anderes denkbar. Ich möchte hier aber nicht zu viel verraten.
Ich sage nur so viel: Wir haben hier eine Angabe von 8 Monaten, in denen er in Bolivien sein soll und eine Schwangerschaft dauert fast 40 Wochen.
Das klingt erst einmal unwahrscheinlich, aber nach den Gründen aus denen gute Darsteller mittlerweile aus der Show geschrieben wurden, ist andererseits auch nichts unmöglich.

Und bitte nicht wundern, Jay ist zum Squad Leader (Sargeant) aufgestiegen.

Wie auch immer wünsche ich euch viel Spaß beim lesen meiner neuen Geschichte!


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„Sergeant, hier ist ein Brief für Sie angekommen", hörte Jay den Mitarbeiter der Poststelle seiner Einheit sagen, bei der er stationiert war.

Sechs Monate war es mittlerweile her, dass er Chicago verlassen hatte und nach Santa Cruz de la Sierra gegangen war. Sechs Monate waren vergangen, nachdem er Hailey zum letzten Mal in die Augen gesehen hatte.
Monate, die sich wie Jahre anfühlten.
Jahre, einer sich selbst auferlegten Verbannung.

Denn auch, wenn er sich in seiner Einheit des Santa Cruz Cartel mittlerweile wohl fühlte, war Santa Cruz nie zu seiner Heimat geworden.
Genau wie der Korengal. Genau wie Afghanistan.

Seufzend nahm Halstead den Briefumschlag entgegen. Irgendwann hatte sie aufgehört, ihn telefonisch erreichen zu wollen, auch wenn er die Anrufe nie angenommen hatte.
War das jetzt eine neue Strategie, um ihn zum umkehren zu bewegen? Und warum machte sie es sich und ihm so derart schwer?

Was musste noch passieren, damit sie verstand, dass er nicht zurückkommen würde? Dass es keinen Weg in seine alte Einheit gab, weil er kein zweiter Hank Voight werden wollte?

Nachdenklich starrte er auf das Couvert des Briefumschlags. Sollte er das Schreiben ungeöffnet entsorgen?
Er kannte ihre Handschrift, wusste dass der Brief von ihr verfasst war.

Von damals, als er noch Gefühle zulassen konnte. Als er noch nicht in einem der gefährlichsten Länder der Welt gearbeitet hatte, bei dem es täglich um schwere Morde, Bandenkriminalität oder Anschläge gegangen war.
Als er noch nicht als Leiter einer ganzen Einheit tätig war.

Sicher war Chicago dagegen auch kein Kindergeburtstag, aber dennoch war es anders. Weil man eine Einheit war. Eine Einheit, die über eine familienähnliche Gemeinschaft verfügte.

Ganz anders als im Santa Cruz Cartel, wo man froh sein konnte, wenn man die Namen seiner stetig wechselnden Kollegen kannte, die aufgrund einer hohen Fluktuation, egal ob aufgrund von Todesfällen oder Personalwechseln ständig die Einheiten tauschten.

Und doch gab es eine entscheidende Tatsache, die ihn verändert wirken ließ. Er war noch härter geworden. Härter mit sich selbst und mit dem was er sah.

Dass er sich von Anfang an etwas vorgemacht hatte, verdrängte er dabei geschickt, denn das hier war nicht besser als Chicago. Es war um Längen schlimmer als die Stadt, in der er aufgewachsen war.
Doch sich dies eingestehen konnte er nicht. Weil die Wahrheit weh tat. Oder weil er sie nicht wahrhaben wollte. Vielleicht auch beides.

Jay strich sich den Schweiß von der Stirn. An diesem Freitag waren es schon wieder 39 Grad.

Zögerlich taxierte er die Aufschrift der Adresse seiner Dienststelle. Sollte er doch einen Blick riskieren und das Risiko eingehen, die alten Wunden aufzureißen?

Er hasste es Menschen zu verletzen, genauso wie er verletzt wurde.
Damals, als Erin einfach gegangen war. Nie hätte er sich vorstellen können, einmal genauso zu handeln und das Herz der Frau zu brechen, der er blind sein Leben anvertraut hatte. Und doch hatte er es getan.
Mittlerweile war Hailey nicht mehr als eine Erinnerung geworden. Eine Erinnerung an eine Zeit, die er jeden Tag aufs neue schmerzlich zu verdrängen versuchte.
Auch wenn er gut darin geworden war.

Er schluckte, strich mit dem Finger sacht über das weiße Papier und schließlich entschied er sich doch dazu.
Völlig emotionslos öffnete er den Umschlag, um eine Karte mit einer kurzen Nachricht heraus zu holen.

„Wir müssen reden. Ungeachtet von deiner Entscheidung, gibt es etwas, dass ich dir mitteilen muss. Ich warte auf deinen Anruf."

„Sergeant Halsteadt?"

Eine Stimme unterbrach seinen Lesefluss. Erschrocken sah er auf, starrte mit ernster Miene auf niemand geringeres als seinen Vorgesetzten.

„Der Zugriff startet in 15 Minuten. Sind Sie bereit?"

Jay nickte düster. Wie so oft zuvor würde an diesem Nachmittag jemand sterben. Wie so oft, würde er hinterher froh sein, noch am Leben zu sein.


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Die Tage vergingen. Und aus Tagen wurden Wochen und schließlich Monate. Mittlerweile schien längst klar, dass aus den ursprünglich angedachten 8 Monaten in Bolivien deutlich mehr geworden war.

Es war ein Montag im Februar, der Jays Leben bis auf alles weitere verändern sollte.

Sein Team hatte gerade einen Attentäter überführt, der wegen Menschenhandel und mehreren Anschlägen gesucht wurde und mehr als 500 Zivilisten auf dem Gewissen hatte.

Jay trug noch die komplette Schutzausrüstung, als er sich in der Base seiner Einheit zurück meldete. Nur die Augen waren durch die Sturmmaske zu erkennen, die er aus Sicherheitsgründen trug. Der Helm bedeckte den Kopf und die mehrere Kilo schwere Weste polsterte den Oberkörper gut aus, um im Fall der Fälle gut gewappnet zu sein.

„Die Zielperson ist neutralisiert", vermeldete Jay seinem obersten Chef, der ihn auf eine Art und Weise ansah, die er zuvor bei ihm noch nie gesehen hatte. Er dachte sich nichts dabei, sollte aber kurz darauf eines besseren belehrt werden.

„Verstanden, Halstead. Sie werden heute Nachmittag jedoch nicht am Einsatz Ihrer Einheit teilnehmen. Besuch hat sich für Sie angemeldet."

Besuch? Jay schien seinen Ohren nicht zu trauen?

Doch mehr war aus seinem obersten Vorgesetzten nicht herauszubekommen.

Halstead wurde unheimlich. In seinem Hirn lief alles durcheinander.

Hatte er Mist gebaut? Drohte ihm eine Versetzung?

Zu weiteren Gedanken kam es nicht, denn sein Chef führte ihn in den Aufenthaltsbereich des Nebengebäudes. Jay wusste, dass man dort ungestört reden konnte und was er dann kurz darauf sah, verschlug ihm nicht nur den Atem, sondern ließ ihn für einen kurzen Moment taumeln.

Ungebremst starrte er in zwei vertraute blaue Augen, die ihn mit einer Mischung aus Vorwurf und Traurigkeit taxierten.

„Hailey", flüsterte er heiser und rang nach Worten, als er in das Gesicht seiner Frau sah. Der Frau, mit der er seit 12 Monaten noch immer auf dem Papier verheiratet war.
Dass sich im Raum noch jemand anders befand, hatte er in seinem Schockzustand gar nicht mitbekommen, aber dazu kam es auch vorerst nicht, da er so sehr mit der Fassung kämpfte.

Mit bebenden Händen legte er Helm und Vermummung ab.

„Du kannst vor mir oder dir selbst bis ans Ende der Welt weglaufen. Und normal hätte ich damit auch längst abgeschlossen. Aber es gibt da jemanden, in dessen Interesse ich dich wissen lassen wollte, dass er existiert."

Spätestens als Hailey eine Babyschale auf den Tisch des Aufenthaltraumes stellte und ihn vorwurfsvoll musterte, musste sich Jay am Tisch festhalten, weil ihm schwindlig wurde.
War das hier ein Alptraum, aus dem er jeden Moment aufwachen würde?

Jay versuchte sämtliche Muskeln seines Körpers anzuspannen. Doch ganz gleich, was er auch probierte, es passierte nicht, denn er wachte nicht auf.

„Normalerweise hätte ich diesen Weg unter den Umständen nie in Kauf genommen. Aber da du weder auf meine Briefe, noch auf meine Anrufe reagierst, blieb mir keine andere Wahl. Darf ich vorstellen, das hier ist dein Sohn, James. Geboren am 13. November 2022", sprach Hailey mit fester, aber deutlich aufgebrachter Stimme.
Für mehrere Minuten sagte Jay erst einmal gar nichts mehr und verfiel in bedächtiges Schweigen.
In seinem gesamten Körper ereignete sich ein Wechselbad der Gefühle, das ihn zittern und ihm abwechselnd heiß und kalt werden ließ.
Schließlich bildeten sich Tränen in seinen Augen.

„Das kann nicht sein", stotterte er fassungslos und sah auf den kleinen Menschen, der friedlich in seiner Babyschale ruhte und dem Schlaf der Gerechten nachging.

„Was kann nicht sein? Dass ich von dir schwanger war, als du Chicago von einem auf den anderen Tag verlassen hast?", herrschte sie ihn deutlich aufgebracht an. Die Wut war Hailey kaum zu übersehen. Es schien, als würden sich all die Ängste und Enttäuschungen der letzten Monate mit einem Mal entladen.

„Aber warum....?"
Er ließ den Satz unvollendet, was sie nicht daran hinderte, ihn zu vervollständigen.

„Hast du dich nicht gemeldet???!!!", ergänzte sie und ehe er sich versah, kollidierte ihre Hand mit seiner Wange Hailey verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.

Der Schlag hatte gesessen. Doch er tat nichts, saß einfach nur regungslos da und wich schuldbewusst ihren Blicken aus, starrte auf das Baby vor sich, während er mit den Tränen kämpfte.

„Ist das jetzt dein Ernst? Ich versuche dich seit Wochen zu erreichen?", hauchte sie ihm mit dünner Stimme völlig aufgelöst entgegen und mittlerweile kamen auch ihr die Tränen, wenn es auch aus mehr aus Wut, als aus Vorwürfen und Überforderung wie bei ihm war.

„Aber das einzige, das scheinbar für dich zählt, sind nur du und deine Selbstverwirklichung. Ich habe deinen Wunsch nach Veränderung akzeptiert. Ich habe begriffen, dass du nicht zu einem zweiten Hank Voight werden willst. Aber ich habe nicht verstanden, an welchem Punkt ich verpasst habe, dass ich dir egal geworden bin."
Hailey rang schniefend nach Fassung.
Jay hatte noch immer nicht den Mut ihr ins Gesicht zu sehen. Vielleicht weil sie Recht hatte. Und die Wahrheit zu weh tat. Zu weh.

„Was auch immer da noch zwischen uns steht und vielleicht ist es dir wirklich auch egal geworden, aber mittlerweile gibt es noch jemanden, in dessen Sinn wir rational handeln sollten", sagte sie nun augenscheinlich gefasst.

Sie machte eine Pause. Mittlerweile konnte Jay die aufgestauten Tränen kaum noch verdrängen. Das Baby hatte etwas in ihm hervorgerufen, das ihn emotional schwer getroffen hatte.

„Bevor du wegen der Gefahr deines Jobs vielleicht morgen oder übermorgen in die Luft fliegst oder nicht lebend von deinem Einsatz zurück kommst, wollte ich, dass du weißt, dass da jemand existiert, der deine Gene hat. Das wird an deiner Zukunftsplanung vielleicht nichts ändern, aber ich habe es auch für James gemacht."

Dann sahen sie einander zum ersten Mal länger in die Augen. Sein Blick war voller Reue, während in ihr die Sorge und Verzweiflung zu sehen war.

„Übermorgen geht unser Rückflug. Ich will mit dem Kleinen nicht tagelang unterwegs sein. Es ist eh schon wahnsinnig, was ich hier losgetreten habe. Mit einem Baby zu fliegen ist echt kein Kinderspiel", kritisierte sie ihre Entscheidung, ehe sie Jay eine Visitenkarte entgegen schob.

„Das hier sind die Kontaktdaten vom Hotel. Meine Nummer kennst du. Bis übermorgen bin ich da."
Mehr sagte sie nicht. Stattdessen erhob sie sich nach oben, schnappte nach dem schlafenden Baby und verließ den Raum.

Zurück ließ sie stattdessen einen sichtlich mitgenommenen Jay Halstead, der schwerer angegriffen schien, als es nach fünf Razzien und drei Zugriffen auf Drogenbosse der Fall war.
Regungslos starrte er an die Wand, bis die Emotionen erneut die Oberhand gewannen und ihn aufschluchzen ließen...

love of my lifeWhere stories live. Discover now