Kapitel 6 Mehr Dunkelheit als Licht

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Als ich, zum wiederholten Mal an diesem Tag aus der Schwärze auftauchte, befand ich mich wieder in dem Schlafzimmer. Die Vorhänge waren aufgezogen und der Himmel war in ein sattes lila mit orangefarbenen Wolken getaucht. Ich genoss einen Moment der Ruhe in dem ich an nichts dachte, einen einzigen Moment, in dem ich in den Himmel sah und das Farbspiel genoss. Dann stürmten die Ereignisse und die Merkwürdige und unwirklich scheinende Unterhaltung mit dem Mann, J, auf mich ein. Und nicht nur das, auch die beiden anderen Begegnungen mit ihm und der eine Tag bei Herrn Peschel. Das Skelet im Feuer, der Merkwürdige Gang mit den Türen, ich versteh das nicht. Und was hatte J mir vorhin gesagt, irgendetwas über... Ein Bild blitzte vor meinem inneren Auge auf. Lou mit silberweißen Flügeln, die so groß waren wie sie... plötzlich, aber nicht wirklich überraschend stiegen mir Tränen in die Augen, Tränen, die ich beim Aufwachen unterdrückt hatte, überlagert von Angst und Verwirrung. Ich will nach Hause, ich will zu meiner Familie, ich weiß nicht was hier los ist.

Während ein paar Tränen ungehört über meine Wange liefen, ließ ich zu, dass meine Gedanken und Erinnerungen in meinem Kopf Karussell fuhren und versuchte nicht mal, irgendetwas zu verdrängen.

Denn das würde mir nicht helfen.

Nach und nach sortierte ich meine Gedanken, ging das Gespräch von vorhin noch einmal durch und nahm jedes noch so kleine Wort auseinander. Nebenher wischte ich mir mit dem Ärmel meines Pullis über das Gesicht, um die Tränen zu trocknen die nach und nach versiegten.

Und während dessen stellte ich zwei Dinge fest.

Zum einen fühlte ich mich zwar verwirrt und ein wenig panisch, aber ich stand nicht kurz davor die Nerven zu verlieren. Zum Glück.

Zum anderen waren meine Gedanken zwar unglaublich wirr, zusammenhangslos und vollkommen verrückt, aber ich mistraute ihnen nicht. Ich zweifelte nicht an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit. Ich wusste, was ich gesehen hatte. Und was ich gehört hatte.

Allerdings kamen auf all diese Dinge mindestens doppelt so viele Fragen. Und ich wollte Antworten auf diese Fragen. Ich musste einfach wissen was um Gottes Willen hier passierte, warum ich hier war. Ich wollte wissen, was J vorhin von meiner Familie sagte, denn diese Sätze waren verschwommen. Ich brauchte Gewissheit. Dringend. Aber wie sollte ich Antworten finden, wenn ich im Bett rum lag?

Während meine Gedanken wieder begannen, umherzuwirbeln warf ich die Decke zurück und stand auf.

Mein Blick richtete sich auf den Nachtschrank neben dem Bett und ich begann die oberste Schublade aufzuziehen. Was ich fand überraschte mich. In der Schublade lag mein Handy, zusammen mit dem Ladekabel und meinen Kopfhörern und einem Bleistift. Den Stift steckte ich ein, dann versuchte ich das Handy anzuschalten, aber es funktionierte nicht, der Akku war wahrscheinlich leer. Ich sah mich um und entdeckte rechts neben dem Nachttisch in Fußbodennähe die erste Steckdose in diesem Haus ein Stück daneben entdeckte ich ein paar schwarze Turnschuhe. Ganz offensichtlich meine. Ich schloss mein Handy an das Ladekabel zog die Schuhe an und machte mich dann auf den Weg zur Tür links vom Kamin.

Glücklicherweise fand ich dahinter das, was ich vermutet hatte. Ein Bad.

Kurz begutachtete ich mich im Spiegel, der über dem Waschbecken hing.

Ich sah fertig aus, meine Haut war blasser als sonst, in meinen Augen stand ein gehetzter Ausdruck und meine Haare waren komplett durcheinander. Ich sah mich kurz im geräumigen Raum um, es gab eine Wanne, die im Boden eingelassen war, direkt darüber waren zwei Fenster. Daneben noch eine separate verglaste Dusche. Ich öffnete einen Schrank unter dem Waschbecken, trieb dabei eine Bürste auf und kämmte mir meine zerwühlten Haare bevor ich den Stift dazu nutzte, diese hochzustecken. Ein Handtuch fand ich neben dem Waschbecken, also wusch ich mir noch schnell Hände und Gesicht mit warmem Wasser, so das langsam wieder Farbe in meine Wangen kam. Dann verließ ich das Zimmer und trat hinaus auf den Flur, überrascht davon, dass die Zimmertür nicht abgeschlossen war.

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⏰ Last updated: Feb 18, 2023 ⏰

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Die Chroniken der TräumeWhere stories live. Discover now