7. Der Arzttermin

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,,Und ihr beide?", sie wies auf mich und Jonathan. Ich überlegte kurz.
,,Einen Tag nach Weihnachten wird es ein halbes Jahr."
,,Wow, ihr haltet es ja jetzt auch schon eine Weile miteinander aus."
Jonathan, der unserem Gespräch zugehört hatte, griff nach meiner Hand und zog mich ein wenug an sich. Ich wurde rot.
,,Naja, ich hab ja nicht wirklich eine Wahl", meinte ich ein wenig ironisch.
Jonathan zog mich an der Hand an sich, ich geriet in Schieflage und lachte.

Moni lächelte und sah Robin an. Ich wusste, was sie dachte und ich wusste auch, dass es stimmte. Jonathan hatte mich mindestens in dem Maß verändert, in dem sie Robin verändert hatte und ich hatte nichts dagegen.

Nach der Schule wartete Jonathan vor dem Klassenzimmer auf mich.
,,Bist du bereit, zum Onkel Doktor zu gehen?", fragte er scherzhaft.
,,Die Frage ist doch eher, ob du bereit bist."
Er grinste. ,,Ich bin allzeit bereit."

Beide von uns waren wegen des immer noch anhaltenden Busstreiks mit dem Fahrrad da. Ich setzte meinen wunderbaren blauen Helm auf, während Jonathan wie immer ohne Helm fuhr.
Noch so eine Angewohnheit, an der er mal arbeiten sollte, aber dieses Mal sprach ich es nicht an.

Trotz der guten Stimmung wirkte er innerlich angespannt, aufgeregt was der Arzt sagen würde, denn diese Untersuchung würde unter anderem darüber entscheiden, ob er wieder Eishockey spielen durfte. Bis jetzt hatte er sich einigermaßen brav an das Verbot gehalten, aber wartete mit Spannung darauf, wieder alles zu geben und mitspielen zu dürfen.

Ich verstand seine Angst, dass Doktor Kristoph etwas finden würde, was ihn davon überzeugen würde, dass Jonathan nicht wieder aufs Eis konnte.

Allerdings machten wir uns die Sorgen umsonst. Doktor Kristoph untersuchte alles mit seinem altbekannten Sarkasmus, befand Jonathan dann aber als genesen.
Natürlich mahnte er ihn noch zur Vorsicht, er solle es nicht übertreiben, es langsam angehen, aber das Strahlen auf Jonathans Gesicht konnte er damit nicht mehr nehmen.

Der Arzt fuhr fort ihm zu erklären, was er tun sollte, wenn die Schmerzen zurück kamen und was für Vorsichtsmaßnahmen er treffen sollte, aber ich schweifte langsam aber sicher ab, denn durch das Fenster neben der Tür konnte man selbst durch die halb geschlossenen Jalousien erkennen, wie ein großer, braunhaariger Junge vorbeilief, der einen kleineren, fest an der Schulter gepackt, vor sich herschob.

,,Ich bin kurz auf der Toilette", wandte ich mich hektisch Jonathan und Doktor Kristoph zu.
Dann ging ich so ruhig wie möglich aus der Tür, doch in mir zitterte alles.
Was genau tat ich da schon wieder?
In was wollte ich mich schon wieder einmischen?

Es konnte mir doch egal sein, was die beiden hier machten und wie die beiden Brüder miteinander umgingen.
Ich konnte jetzt umdrehen, zurückgehen, aufs Klo gehen und so tun, als wäre nichts gewesen.
Aber ich tat es nicht.
Ich folgte der Richtung in die Kalle und Theo gegangen waren, unschlüssig darüber wie ich reagieren sollte, falls sie umdrehten und mir entgegenkamen, denn der Gang war wunderbar schrecklich gewunden und ich konnte nicht erahnen, wer hinter der nächsten Ecke stand.

Noch dachte ich über umdrehen nach, doch da hörte ich etwas. Ich hielt inne, schmiegte mich an die Wand und sah vorsichtig um die Ecke. Ganz am Ende des ganzen, wo ein paar Stühle standen, saßen Kalle und Theo und sprachen miteinander. Beide wirkten wütend, Theo sogar in Tränen aufgelöst.

Das leise Geräusch was zu hören war, war Kalle, der während dem Gebärden die Wörter flüsternd, leiser als alles, was ich bisher von ihm gehört hatte, vor sich hersprach.

Ich versuchte etwas zu verstehen, aber es war mehr wie ein leises Säuseln, ein wütendes Wispern, dass seine Handgesten in den richtigen Momenten unterstrich.
Es war nicht laut genug und ich war zu weit weg, um etwas davon zu verstehen.

Sein tauber Bruder allerdings schien mehr als genug zu verstehen.
In seine Augen stand die Wut und er verteidigte sich unter Tränen.

Zu gerne hätte ich gewusst, worum es in der Diskussion ging, vielleicht hätte es mir einen Hinweis gegeben, wie ich Kalle nun einschätzen sollte, denn so sicher war ich mir längst nicht mehr.
Ich wusste, dass ich ihn eigentlich immer noch hasste und nichts mit ihm zu tun haben wollte, aber was war seine Absicht? Wenn er etwas ändern wollte, was war es, denn mir fiel selbst nichts ein.

Vorsichtig rutschte ich noch ein Stück näher an die Szenerie.
Unter dem leisen Tuscheln verstand ich aber immer noch nichts.
So entschloss ich mich, mich leise auf den Rückweg zu machen. Was war das denn überhaupt für eine Aktion gewesen?

Doch als ich ungefähr die Hälfte des Weges wieder zurückgegangen war, hörte ich hinter mir andere Schritte und konnte nur erahnen, dass sich die beiden ebenfalls auf den Rückweg gemacht hatten.
Mir wurde heiß, ich spürte ihre Augen auf meinem Rücken, aber drehte mich nicht um.
Bis Kalle meinen Namen rief.

WeihnachtswunderWhere stories live. Discover now