F O R T Y T H R E E

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Das heiße Wasser ließ meine Muskeln sofort ein Stück entspannen. Die Idee Baden zu gehen war wirklich brilliant, das war genau das, was ich jetzt brauchte: Eine heiße Badewanne mit ganz viel Schaum, entspannter Stimmung und natürlich das aller wichtigste, mit Lewis.

„Was wünschst du dir eigentlich zum Geburtstag?" Fragte Lewis irgendwann, während er mit dem Finger irgendwelche Dinge auf meinen Rücken malte. „Hm..." Ich überlegte. Eigentlich war das einzige was ich mir wünschte, ein glückliches Leben mit Lewis... Eins in dem wir nicht streiten, uns keine Sorgen über irgendwelche Dinge machen müssen und vor allem eins, in dem wir zusammen alt werden, mehr wollte ich nicht.

„Ich weiß nicht..." Ich zuckte unwissend mit den Schultern, ehrlich gesagt war ich schon immer schlecht in sowas. „Es gibt bestimmt irgendwas, was du gerne hättest, oder nicht?" Lewis stoppte und fing eine neue Zeichnung an. Seine feuchten Finger glitten sanft über meinen Rücken und hinterließen ein angenehmes brennen auf meiner Haut.

„Ich will meine Mama zurück..." Meinte ich irgendwann und wusste selbst nicht warum ich das gesagt habe. Aber es war die Wahrheit. Ich vermisste sie so sehr, und ich würde alles dafür geben sie wieder bei mir zu haben. Nur leider konnte ich mir mit keinem Geld der Welt diesen Wunsch erfüllen. Wenn ich es könnte, hätte ich es sicher schon längst getan, aber es geht leider nicht...

„Och man, Liv..." Murmelte Lewis und legte seinen Kopf auf meine Schulter. „Ich wünschte ich könnte dir diesen Wunsch erfüllen, aber-" Ich unterbrach ihn. „Nein, Lewis. Es ist schon okay, wirklich. Ich vermisse sie nur so, und manchmal wünschte ich einfach, dass sie noch hier wäre..." Mein Blick verlor sich in den kleinen Schaumbläschen, welche auf der Wasseroberfläche schwammen. Sie klebten an meiner Haut, meinen Armen, meinen Beinen. Manche gingen kaputt und manche nicht. Und wenn man lang genug hinschaute, konnte man vielleicht sogar abstrakte Formen in ihnen erkennen.

„Ich weiß... Und ich weiß auch, dass ich dir nicht die Art von Liebe schenken kann, die sie dir schenken sollte, aber vielleicht hilft es dir trotzdem, wenn ich dir sage, dass ich immer für dich da bin. Wenn irgendwas ist, kannst du wirklich immer zu mir kommen, dich ausheulen oder sonst was. Und ich würde dir den Schmerz auch abnehmen, wenn ich es könnte, aber vielleicht können wir ihn teilen...? Wir gehen da zusammen durch, okay?" Ich nickte verstehend und lehnte mich dann mit einem Seufzen gegen Lewis' Brust. „Danke, Lewis. Aber ich glaube, ich muss da alleine durch..." So traurig das auch klang, es war die Wahrheit. Der einzige der mit mir da durchgehen könnte, wäre mein Vater, aber das will er nicht. Ich spüre wie distanziert unser Verhältnis ist, und anstatt daran zu arbeiten, baut er den Abstand nur noch weiter aus. Zumindest unterbewusst. Nach außen hin scheint alles gut zu sein, wir reden miteinander und streiten weniger. Aber sobald wir auf mein Herz zu sprechen kommen, ist er anders, ferner. Ich fühle wie dann in ihm die Erinnerungen hochkommen, Ängste und Sorgen. Aber er würde das natürlich niemals zugeben. Einfach weil er ein verdammter Sturkopf ist, der niemals irgendwas zugibt...

„Dann steh ich halt hinter dir und fang dich falls du umfällst. Aber du bist nicht ganz alleine..."

Ich musste lachen als mir plötzlich ein komischer Gedanke kam. „Du bist ein scheiss Lügner. Der einzige Grund warum du hinter mir stehen willst, ist, damit du dir meinen hübschen Arsch anschauen kannst." Der hat gesessen. Ich drehte mich zu Lewis, der mich nur dreckig angrinste. „So kann man es auch formulieren..." Was ein Idoit, dachte ich nur, bevor ich mich daran machte aus der Badewanne zu klettern. Ich wickelte mich in eines der beiden Baumwollhandtücher und sah dann wieder zu Lewis. „Mehr als schauen wär sowieso nicht drin, also genieß den Anblick." Ich warf ihm das andere Handtuch entgegen und ging dann zurück in mein Zimmer, ignorierte dabei die Dinge, die er mir hinterher gerufen hat und suchte mir stattdessen ein T-shirt aus dem Schrank.

Später, als wir gemeinsam im Bett lagen, ließ ich den Tag nochmal Revue passieren. Ich dachte über die Dinge nach, die ich Lewis nicht erzählt hatte. Dass ich tanzen war, dass ich immer weiter gemacht - und schlussendlich übertrieben habe. Ich dachte darüber nach, was hätte geschehen können. Und ich wusste, dass es auch hätte anders enden können, doch das interessierte mich nicht wirklich. Ich sah nur das schöne. Ich sah das, was ich sehen wollte, den Rest ignorierte ich.

Schlussendlich verbannte ich jeglichen Gedanken an was-wäre-wenn Fragen in einer dunklen Ecke meines Gehirns. Ich wollte mich ihnen nicht stellen, nicht darüber nachdenken und auch nicht damit konfrontiert werden. Denn ich wüsste nicht, wie ich mich ihnen gegenüber stellen sollte, wie ich das, was ich heute getan habe, rechtfertigen könnte. Ich hatte keine Ahnung, vielleicht aber auch, weil es keine Rechtfertigung gibt. Ein normal denkender Mensch würde so etwas nämlich nicht tun, sein Leben aufs Spiel setzten, um auszutesten, wie weit man gehen kann. Aber ich bin auch nicht normal, das weiß ich schon lange, nur macht es trotzdem keinen Sinn. Und genau das ist das Problem: Es macht keinen Sinn. Ich verstehe mich selber nicht, warum ich den Drang habe, das zu tun, was ich tue. Ich kann einfach nicht anders. Es ist, als wäre ich nicht mehr ich, als wäre der Teil meines Gehirns, der Konsequenzen abschätzt und abwägen kann, ausgeschaltet. Ich war nur noch auf das Adrenalin fokussiert, ich wollte es durch meine Adern schießen spüren. Ich wollte spüren, wie es mich mit Leben füllt, mehr nicht.

Aber vielleicht war es auch gar nicht das. Möglicherweise war die Sache mit dem Adrenalin überhaupt nicht war und ich versuchte mich nur an irgendwas festzuhalten, weil der eigentliche Grund warum ich das tat, so lächerlich und jämmerlich zugleich war.

Was ist, wenn ich es einfach nur allen beweisen will. Meinem Dad, meiner Mutter, Lewis, und zu guter letzt auch mir selber. Was ist, wenn ich uns beweisen will, dass ich stark genug bin um das zu schaffen, um endlich allen zu zeigen, dass ich auf mich selber aufpassen kann und niemanden brauche, der mir seine Hand reicht. Wäre das möglich?

Wahrscheinlich wäre diese Variante die eindeutig logischere, auch wenn sie mir mur halb so gut gefiel. Eigentlich wollte ich mir nämlich nicht eingestehen, dass die anderen recht haben, wenn sie sagen, dass ich aufpassen muss. Ich wollte sie davon überzeugen, dass ich recht habe, wenn ich das schaffen will. Aber eigentlich, ganz tief in meinem inneren, wusste ich, dass ich es nicht hatte. Ich hatte unrecht, trotzdem verdrängte ich diese Gedanken und versuchte mir weiterhin etwas anderes einzureden...

Toxic Love - the beginning of the end (Band 2) | Lewis Hamilton FFDonde viven las historias. Descúbrelo ahora