Zum dritten Mal

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Er hatte sich weiter Interpretationen im Internet herausgesucht und war tiefer in die Materie des Fausts eingetaucht als er beabsichtigt hatte. Doch es gab keine Interpretation, die zu den Morden gepasst hätte. Nicht eine!

Stöhnend vergrub er den Kopf erneut in den Händen. Es würde ein Langer, ernüchternder Tag werden, der sich wohl nicht einmal durch einen guten Kaffee verbessern konnte.


Sein morgendlicher Arbeitsweg führte ihn erneut an dem Café vorbei, in dem er gestern die Frau zum ersten Mal gesehen hatte. Wahrscheinlich hätte er es einfach links liegen lassen, wäre ihm nicht ein bekannter, blonder Lockenkopf aufgefallen, dessen Besitzerin am Tresen lehnte.


Eine Hitzewelle schoss in seine Wangen und dennoch schaffte er es nicht, an der Tür vorbei zu gehen. Fast so, als würde das Fettnäpfchen, in das er sich schon treten sah, ihn magisch anziehen.

Mit feuchten Händen öffnete Reid die Tür und wurde von einem kurzen, melodischen Klingeln begrüßt. Im Café war es sogar noch wärmer als draußen, wo nach dem gestrigen Regen eine unangenehme, sommerliche Schwüle herrschte. Der Duft nach gemahlenem Kaffee drang in seine Nase und ließ ihn aufatmen, bevor er an die Theke ging, um seine übliche Bestellung abzugeben.

Seine Augen glitten wie von selbst zu der Studentin, deren bunte Tasche auf dem Stuhl neben ihr stand. Ein Buch streckte ihm seinen Einband entgegen.


„Sie lesen Faust?", rief Reid plötzlich aus und bereute seine Worte sogleich wieder.

Die Frau blickte zu ihm auf und lächelte überrascht. „Nein. Ich habe ihn gelesen. Sie kennen das Drama?"

„Ähm, ja", stammelte er, unglaublich froh darüber, dass sie ihn nicht musterte wie einen Vollidioten. „Ich d-denke, ich sollte mich vorstellen. Doctor Spencer Reid... aber Sie... Sie können den Doctor weglassen."

Ein Lachen schlich sich auf ihre Züge, als sie ihm eine von Armreifen gezierte Hand entgegenstreckte. „Juliana McAllen. Wow. Sie können nicht viel älter als ich sein und haben schon einen Doktortitel?"

Ein Kribbeln fuhr durch seinen Arm und machte jeden klaren Gedanken unmöglich. Nur am Rande merkte er, dass sein Gesicht inzwischen feuerrot sein musste und er wahrscheinlich exakt das Falsche sagte: „Eig-Eigentlich drei..."


**


Juliana fühlte sich seltsam leicht und übermütig, während sie in das junge, schüchterne Gesicht des Mannes schaute. Es war lange her, dass sie sich zuletzt so gefühlt hatte, aber dennoch konnte sie nichts dagegen tun.


„Sie scherzen!", beschuldigte sie ihn, doch gegen das halbe Lachen, das sich in ihren Tonfall geschlichen hatte, konnte sie nichts tun.

„Nein, nein... ich habe in Mathematik, Chemie und Ingenieurwissenschaften promoviert und einen Abschluss in Psychologie und..." Er unterbrach sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das klingt jetzt wohl sehr angeberisch..."

„Außergewöhnlich... und Sie kennen Faust... mein Traummann!" Oh Gott, was redest du da? Halt die Klappe, Juliana. Warum kannst du nicht einmal deine Klappe halten? Das ist ja noch schlimmer als gestern..., dachte sie, als es bereits zu spät war. Die Worte waren ausgesprochen und aufgenommen. Nun war es an ihr, beschämt in ihren Kaffee zu starren. „Vergessen Sie letzteres. Bitte."


Ein leises Lachen kam nun von ihm. „Ja, ich kenne Faust... Studieren Sie Deutsch oder kommen Sie aus Deutschland?"

„Ich studiere Germanistik und Musik, aber Faust habe ich privat gelesen. Es war einfach faszinierend... allein dieser Gegensatz zwischen Mephisto als Teufel und Gretchen, das ja von Faust immer holder Engel genannt wird. Dieser Gegensatz zwischen Gut und Böse und die Ablehnung Gretchens gegenüber Mephisto... es ist so faszinierend!"

Juliana beobachtete, wie sich Spencers Blick für einen Moment trübte, als denke er angestrengt über etwas nach. Was konnte an ihren Worten so besonders gewesen sein, dass ein Bundesagent ernsthaft damit beschäftigt sein konnte? Sollte sie ihn unterbrechen? Wie lange würden seine Überlegungen noch andauern? Wahrscheinlich war er auf dem Weg zur Arbeit und würde sich gleich hektisch verabschieden. Wieder ohne, dass sie Nummern ausgetauscht hätten. Sie würde sich diese Gelegenheit nicht erneut entgehen lassen!


Ihre Sorge schien unbegründet zu sein, da sich Spencers Blick klärte und auch seine Schüchternheit daraus verschwand. „Kennen Sie noch weitere Aspekte?"

„Naja... ja", entgegnete sie überrascht. „Die Ideen zwingen sich einem ja praktisch auf."

„Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu meinem Büro zu begleiten?" Er wirkte plötzlich sehr aufgekratzt, öffnete seine Tasche und kramte nach einem alten Notizbuch. „Es wäre sicherlich sehr hilfreich, wenn Sie uns helfen könnten, Miss McAllen."

„Juliana", murmelte sie automatisch. „Warum?"

Er stockte. Einen Grund dafür konnte sie nicht sofort erkennen. „Sie könnten bei einer Ermittlung behilflich sein."

Juliana hob eine Augenbraue, doch ihre Neugier war zu sehr geweckt, als dass sie das Angebot hätte ausschlagen können. „Okay... Nach Ihnen."

Gretchentragödie [Eine Criminal Minds Fanfiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt