Doch ich halte inne, als ich eine Gruppe Männer an meiner Haustür und an einem Auto gegenüber angelehnt sehe. Ich sehe auch einige Bierflaschen in der Hand. Das ist mir doch zu unangenehm. Mein Herz schlägt allein bei dem Gedanken, an ihnen vorbeizumüssen, schneller. Es muss nichts passieren, aber sie grölen ja jetzt schon wie wilde Tiere herum. Was ist, wenn einer etwas sagt? Was ist, wenn einer mich beim Aufschließen der Tür belästigt und überfällt? Der alleinige Gedanke lässt mich schon frösteln. "Ich begleite Sie, Shirin." Meine Augen schließen sich dankbar. Wenn Miran nur wüsste, was für eine große Schutzrolle er in meinem Leben spielt. Seitdem er von meinen Erfahrungen bescheid weiß, hat er mich kein einziges Mal fallen lassen und das schätze ich sehr. "Danke, Miran", murmele ich. "Jederzeit, Shirin." Der Motor kommt zum Stillstand und ich bemerke, dass sich das Gehäuse ein wenig durch sein Aussteigen bewegt. Er ist eben ein großer Mann mit stattlichem Körper. Da ist es nicht anders zu erwarten. Selbst leblose Gegenstände bewegen sich dann, aber vor allem mein Herz, als ich ihn vor mir sehe. Es ist sehr aufmerksam, dass er mir wieder die Tür aufhalten will, aber das muss er nicht. Das kann er auf unserer Hochzeit machen.

"Sind hier öfter Betrunkene um diese Uhrzeit?" "Nicht, dass ich wüsste." Ich zucke zusammen, als zwei der Gruppe zu mir schauen. Instinktiv greife ich nach seinem Arm. Ich möchte gar nicht an den Männern vorbeilaufen, selbst in der Begleitung eines großen Mannes. Was ist, wenn sie uns beide attackieren? Miran schiebt mich nach links zu sich, sodass ich nicht in die Nähe der Männer komme, die sich weiterhin lautstark miteinander unterhalten. Ich spanne mich ungewollt an. Das laute Lachen der Männer sorgt für eine instinktive Fluchtreaktion und das bemerkt Miran. Sein Arm legt sich um mich, drückt mich fest an seine Seite, um mir den nötigen Schutz zu vermitteln. Selbst vor der Haustür, stellt er sich hinter mich, um mich zu verdecken. "Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Ich bin da." Ja, das ist er. Seine Hände auf meinen Oberarmen beweisen es mir. Wenn er nur wüsste, dass ich das Gefühl männlicher Hände an meinen Schultern und Armen sonst immer gehasst habe. Wenn er nur wüsste, dass ich das Gefühl seiner männlichen Hände an meinen Armen genieße, egal wie sehr meine Hände beim herausfischen meines Schlüssels aus meiner Tasche zittern. Es klimpert durch die ganzen Anhänger so laut. Zu laut aktuell für mich. Ich möchte nur noch rein. Ich will in meinem Bett liegen und gehalten werden.

"Soll ich das übernehmen?" Ich nicke. "Der Eckige ist es. Der Runde ist für meine Wohnungstür." Ich will rein. Ich will schnell rein. Ich möchte keines der lauten, lallenden Gespräche mitbekommen. Werden sie öfter hierhin kommen? Was ist, wenn sie an meiner Tür klingeln? Was ist, wenn sie sich Zugang in den Hausflur verschaffen? Mich durchströhmt keine Erleichterung, als Miran die Tür für mich aufschließt. Stattdessen überkommt mich die Angst, dass sie uns folgen. Mein Körper füllt sich mit Angst, mit Übelkeit bei den Vorstellungen. Ich drücke die Tür wieder zu, als auch er in den Flur reintritt. Ich halte das so nicht aus. "Shirin, durchatmen." Ich schaffe das so nicht. Ich kann mich nicht einmal an die Tür drücken, aus Angst, sie könnten etwas versuchen. Deshalb will ich nie lange raus. Ich möchte vor Sonnenuntergang zu Hause sein. Miran stellt sich besorgt vor mich, versucht irgendeinen Punkt zu finden, um mir zu helfen. Ich möchte nicht alleine sein. Nur heute nicht. Ich weiß, dass das nicht richtig ist und dass es das Arbeitsverhältnis beeinflussen wird, aber ich werde nicht zur Ruhe kommen, wenn ich gleich alleine in meiner Wohnung bin. "Können Sie noch ein wenig bei mir bleiben?", frage ich beschämt. Ich weiß, dass er das als Chef nicht darf, aber ... wir haben doch auch einen Film zusammengeguckt und getanzt. Ich brauche gerade wirklich jemanden, der bei mir ist. So sehr, dass mir die Tränen aufsteigen.

Meine Stimme ist ein heiseres Wrack, als ich weiterspreche. "Ich weiß, dass ich Sie das überhaupt nicht fragen darf, aber gerade fühle ich mich so bedrückt und möchte einfach nur gehalten werden und mich beruhigen und Sie sind so groß und-," "Ich bleibe, Shirin. Lassen Sie uns hoch." Ich seufze. Mein Schniefen wirkt so erleichternd, als ich mir meine Tränen und wahrscheinlich meinen Concealer wegwische. "Okay", murmele ich nasal. Miran betrachtet mich nach wie vor besorgt und voller Vorsicht. Selbst als ich die Treppen aufsteige, spüre ich seine Augen auf mir. Es ist unbeschreiblich nett von ihm, dass er mir emotionalen Beistand leistet. Er weiß gar nicht, wie unruhig ich im Bett liegen würde, wenn ich alleine wäre. Wie hätte ich reagiert, wenn Narin mich gefahren hätte? Wären wir früher hier? Vor den Betrunkenen? Was wäre dann passiert? Ich weiß es nicht. Ich möchte es gar nicht wissen. Ich möchte einfach nur noch in meine Wohnung und diese Schuhe ausziehen. Es hat etwas Ungewöhnliches an sich, dass Miran meine Wohnungstür öffnet und doch gefällt mir der Gedanke. Ihm beim Aufschließen zuzusehen, beruhigt mich. Es sieht schön aus. So vertraut und beruhigend. Ich darf wieder zuerst eintreten. Miran ist sogar so lieb und schließt die Tür für mich ab, lässt sogar den Schlüssel im Schloss stecken. Das beruhigt mich. Das mache ich auch immer.

"Dankeschön." Und das meine ich so aufrichtig wie lange nicht mehr. Er kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie sehr er mir damit hilft. Ich schätze es wirklich sehr, dass er die Grenze meinetwegen überschreitet, um mir zu helfen. In dieser großen Stadt ist er wirklich mein Fels in der Brandung. "Nicht dafür." Er winkt ab, als wäre es keine große Sache, dabei ist es eben genau das. Ich bewundere sein Engagement. Ich kann deshalb nicht den Blick von ihm abwenden. Meine Finger verfangen sich ineinander, als ich ihn bewundernd ansehe. "Sie sind wirklich ein Held für mich. Wenn der Aufenthalt Sie in irgendwelche Schwierigkeiten bringen sollte, müssen Sie nicht-," "Shirin?" Wie schön er meinen Namen ausspricht und wie schnell die Aussprache dieser rauen Stimme meine gereizten Sinne beruhigt. "Ja?", erwidere ich leiser. Er bewegt sich nur einen Schritt näher zu mir und doch reicht es, um meinen ganzen Körper kribbeln zu lassen. Das leichte Rauschen des Stoffs, als er seine Hände in seine Hosentaschen schiebt, lässt mein Trommelfell knistern. Ich romantisiere jede Bewegung dieses Mannes. "Zerbrechen Sie sich deshalb nicht den Kopf. Das ist unverbindlich und es bleibt unter uns." Natürlich! Unter uns! Von mir kommt nichts über die Lippen. Ich nicke. Alles zwischen uns wird niemand erfahren. Egal, was noch kommt. Ob es wieder eine tröstende Umarmung ist oder wie ich wieder auf seinem Schoß einschlafe ... oder andere Dinge.

Vielleicht ein Kuss?

Tollpatschige LiebeWhere stories live. Discover now