Aber stattdessen drehe ich mich um und laufe auf sein Auto zu. Ich bin gleich zu Hause und kann von ihm träumen. Von diesem wunderschönen Mann, der mich heute gerettet hat und mit dem ich wirklich tanzen durfte. Es hat sich wunderschön in seinen Armen angefühlt. Das Problem ist, dass ich jetzt heiraten will. Alles ist so chaotisch, seit dem ich einen neuen Job habe. Vielleicht liegt es auch an der Luft hier in Hamburg. Die ist anders als in Dörfern. Manchmal stinkt es hier mehr. An der Beifahrertür angekommen, schreie ich mir für eine Sekunde die Seele bei der großen Hand, die sich mit meiner auf die Klinke legt, aus dem Leib. Gott! Woher kommt die? "Shirin, ich bin es nur!" Oh ... ich habe meinen Chef durch die ganzen Gedanken an meinen Chef vergessen. "Oh", murmele ich. Zum Glück muss ich ihn nicht ansehen. Weiß er, dass er nah an meinem Rücken steht? Und mich damit auch wärmt? Ich rutsche verlegen zur Seite, lasse mir die Tür von diesem hübschen Hübschling öffnen, ohne nur einmal zu hicksen! Er ist heute sehr aufmerksam. Ich mag das. Mein Herz schlägt deshalb viel schwerer. Wäre kein hübscher Chef mit mir im Auto, würde ich strampeln und kreischen. Stattdessen sitze ich nur steif da und kann es nicht abwarten, die Energie abzuschütteln.

Das Auto startet, mein Chef schaltet die Sitzheizung an und erkundigt sich mit einem kurzen Blick zu mir, ob mir etwas fehlt. Ob er darauf kommt, dass er als eventueller, potenzieller, wahrscheinlicher, optimaler Ehemann fehlt, weiß ich nicht. Vielleicht. Das würde es um einiges vereinfachen. Vielleicht könnte ich ja ein Projekt vorschlagen und dann heiraten wir im Konferenzraum oder so. "Geht es Ihnen besser?" Mein Blick hebt sich vom losen Punkt und ich bereue es kein Stück, als ich zu ihm schaue. In diesem schwachen Licht wirkt dieser hübsche Mann nur noch hübscher. Das ist die schönste Nase, die ich an einem Mann gesehen habe. Er ist der Beweis, dass Nasen keinen Schwung besitzen müssen, um schön zu sein. Ich glaube, sie ist so gerade wie ein Lineal. Damit kann man sicherlich gerade Linien ziehen. "Ja und Ihnen?" "Mir geht es gut. Danke der Nachfrage. Ich werde den Conférencier suspendieren lassen." Oh ... wow. Das ist aber eine impulsive Strafe ... oder doch genau die Richtige. "Dankeschön. Wusste er nicht, dass ich mitmoderiere?" "Doch. Das stand in seinem Skript." "Also wollte er die ganze Aufmerksamkeit für sich haben?" "Wollte er", erwidert mein Chef knapp. Wow. Das ist echt gemein. Hoffentlich fällt er von der Treppe.

Der Weg auf die Autobahn wirft mich zurück in meine Müdigkeit. Autofahrten hatten schon immer eine beruhigende und schläfrige Wirkung auf mich und in Kombination mit der Sitzheizung und seinem gut duftendem Jackett fühle ich mich wie auf einer parfümierten Wolke. Hat er das auch bei meiner Vorgängerin gemacht? Soweit ich weiß war sie viel älter als ich, aber das muss ja nichts heißen. Er ist ja auch alt. Ich kuschele mich in den warmen Sitz, schaue gedankentrunken aus dem Fenster, während ich sein Jackett fester um mich ziehe. Die Erinnerungen an den Tanz schleichen sich wieder in meine Gedanken. Wie er seine Hand unter mein Kinn gelegt hat. War das diskret? Wie hat er sich dabei gefühlt? Überdenkt er die Handlungen gerade? Wird er am Montag wieder distanzierter? Ich hoffe nicht. Gerade war es doch so schön zwischen uns. Er hat sich entschuldigt und trägt die grüne Krawatte. Bei der Erinnerung muss ich schmunzeln, doch meine Mundwinkel sinken wieder, als ich an den einen, spezifischen Moment im Raum denke. Wir waren uns nah. Ziemlich nah. Und wir haben uns so lange in die Augen gesehen und die Stimmung wirkte so anders ... so anziehend. Oder war es nur mein Empfinden? Aber wieso sollte er mich dann so lange ansehen? Hätte er nichts gesagt, um es zu beenden, wenn er nicht auch im Bann gewesen wäre?

"Shirin?" Ich schrecke auf. Wir sind da. Wir stehen vor meiner Haustür. Moment mal! Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen, als ich zu ihm schaue. "Woher wissen Sie, wo ich wohne? Stalken Sie mich etwa?" Er braucht gar nicht seine Augenbrauen zusammenzuziehen! Ich habe ihm nie gesagt, wo ich wohne! "Sie sind zufälligerweise meine Assistentin, Shirin. Dazu gehört nun mal auch die Anschrift, falls Briefe nach Hause kommen oder sonstiges." Oh ... stimmt. Aber warum muss er mich anmeckern? Ich darf doch wohl fragen ... "Und außerdem", setzt er an. "Wieso kommt Ihnen das erst jetzt in den Sinn? Wir hatten schon ein Aufeinandertreffen vor Ihrer Wohnungstür." Oh ... stimmt. Da war ja was. "Aber da war ich überfordert und dachte, Sie wollen mich kündigen. Außerdem habe ich davor einen Film geguckt. Meine Emotionen waren da in einem Mischmasch", erkläre ich ihm mit großen Augen, ohne eine Antwort zu erhalten. Seine Augenbrauen bleiben zusammengezogen. "Warum schauen Sie so?" "Ich weiß nicht", erwidert er nachdenklich. Ich muss zugeben, dass er ziemlich hübsch wirkt, wenn er nachdenkt. Dann spannt sich sein Kiefer ein wenig an und dann nickt er ganz leicht und huch, es ist so heiß hier plötzlich! "Vermutlich, weil meine Assistentin denkt, ich stalke Sie." Ich winke nur ab. "Sie müssen ja personenbezogene Daten haben. Sie meinte es sicherlich nicht so." Damit schnalle ich mich ab und mache mich bereit, auszusteigen.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt