Kapitel 5 - Die Herrscher der Hamronie

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Natürlich hörte der Vogel nicht auf ihn. Er brach aus seinem Kreisen aus und flatterte rechts von ihnen zwischen die Bäume. Dort hockte er sich auf einen Ast, stiess ein helles »Huh-huh« aus und wippte mit dem braunen Kopf Richtung Dickicht. Fast so, als wolle er sie auffordern, ihm zu folgen.

Verwirrt drehte Mile sich zu seiner Begleiterin um. »Was habt ihr denn für Vögel in...« Er beendete den Satz nicht, als er merkte, wie bleich Red geworden war. Der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben, ihre Augen auf den diebischen Vogel gerichtet. Selbst Oskar hatte die Ohren angelegt. Nun stiess er ein tiefes Knurren aus.

»Was ist?« Er tippte Red auf die Schulter, bis sie ihn ansah. Ihr Blick flackerte, sie schüttelte den Kopf und murmelte: »Lass den Vogel, wir suchen weiter.« Sie streckte ihm die rote Hand entgegen und half ihm auf Oskars Rücken. Hinter ihnen protestierte der Kauz lautstark.

Mile war hin und her gerissen. »Wollen wir dem Kauz nicht folgen?«

Energisch schüttelte sie den Kopf. »Unsinn.«

»Du magst glauben, dass Sabrinas Schicksal bereits feststeht«, erklärte er daraufhin. »Aber das ist Nihilismus! - Wir haben sowieso keine Ahnung, wo wir hinsollen. Wir haben nichts zu verlieren, also folgen wir dem Vogel! « Es klang absurd, aber sie waren hier in einer anderen Welt. Und Reds Blick hatte ihm längst verraten, dass dies kein normaler Kauz sein konnte.

Doch die Rote blieb dabei. »Nein.«

»Warum? Ist der Vogel gefährlich oder was?«

Hinter ihnen schallte das Rufen des Kauzes. Es klang nicht weiter weg als zuvor, er schien ihnen zu folgen.

Als Red ihm nicht antwortete, liess er sich kurzerhand von Oskars Rücken gleiten und sprang in den Schnee. »Ich werde dem Vieh jetzt folgen!« Sollte sie doch versuchen, ihn aufzuhalten! Schon begann er, dem Rufen des Vogels entgegen zu stapfen.

Red liess Oskar anhalten und trabte ihm nach. »Also gut«, lenkte sie da auf einmal ein. »Aber steig wieder auf, dann sind wir schneller!«

~Sabrina~

Als es zu dämmern begann, hielt der Schlitten an und die grauen Soldaten begannen, ein Lager aufzuschlagen. Schon bald war da nur noch der Schein der Monde, der den Gefangenen durch die Plane gedämpft Licht spendete. Sie hörten die Inker rumoren und lachen. Es begann nach Feuer und gebratenem Fleisch zu riechen, sodass ihr Hunger sich meldete. Hänsel und Gretel wurden währenddessen von Minute zu Minute nervöser. Wie Raubkatzen tigerten sie geduckt auf und ab.

»Ist da was, das ich wissen müsste?«, fragte Sabrina, als die beiden ihre Paranoia so sehr angestachelt hatten, dass sie es nicht mehr aushielt.

»Gleich kommen wir dran«, knurrte Hänsel düster. Seine groben Züge waren in dem dumpfen Mondlicht fast schon weich. »Ist nie angenehm...«

Kurz darauf näherten sich Stimmen und Schritte. Die Plane wurde über dem Käfig zurückgeschlagen und vier Männer blendeten sie mit ihren Fackeln. Sie mussten schon länger unterwegs sein, denn sie waren kaum sauberer als Hänsel und Gretel. Ihre Mienen waren so gleichgültig, dass es ihr Angst machte.

Im Hintergrund erkannte Sabrina die fahlen Schemen einige schneebedeckte Ruinen von steinernen Häusern. Waren sie etwa nicht mehr im Ertrunkenen Wald?

»Auf die Knie! Arme rausstrecken!«, bellte der Älteste der Inker, dessen Bart bereits genauso grau wie seine Rüstung war, und schlug mit einem Knüppel gegen die schwarzen Gitterstäbe.

Gretel spuckte aus, zögerte aber nicht. Mit verächtlichem Gesichtsausdruck liess sie sich auf die Knie nieder und streckte die Arme bis zu den Ellen durch die Gitter. Sofort packte sie einer der Männer, verschnürte ihr die Gelenke und band sie fest.

Twos - Ein Märchen von Sommer und Winter  - Neue Fassung (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt