51 | Die Wahrheit

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»Na gut. Dann schieß mal los.« Es ist schwer, mich bereit zu erklären, ihm zuzuhören, doch die winzige Hoffnung in mir, dass er mir tatsächlich alles erklären kann, lässt nicht zu, dass ich jetzt einfach so verschwinde.

Ryle seufzt erschöpft. Und dieses Seufzen bricht mir beinahe das Herz. »Ich kann nicht glauben, dass du dich damit so viele Tage rumgeschlagen hast. Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mich zur Rede gestellt? Wieso hast du es die ganze Zeit für dich behalten? Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich verarscht habe...«

Ryle sieht tatsächlich verletzt aus, doch es geht mir ja nicht anders. Für mich war das, was ich gesehen habe, klar und deutlich. Er hat zugelassen, dass dieses hübsche Mädchen ihn geküsst hat. Dazu sahen sie auch noch so unglaublich vertraut aus...

Ich schnappe nach Luft. »Was würdest du denn denken, wenn du mich dabei erwischen würdest, wie ich einen anderen Jungen küsse, hm?«

Ryle schließt bei den Worten für einen Moment die Augen und öffnet sie dann wieder, um mich nicht gerade erfreut anzusehen. »Ich habe sie nicht geküsst. Sie hat mich geküsst. Ja, ich weiß, ich habe es zugelassen. Aber das hat alles einen Grund.«

Ich sehe Ryle unsicher an und mustere sein Gesicht, doch er sieht aus, als würde er die Wahrheit sagen. Ich schlucke schwer. »Gut, ich höre.«

»Das Mädchen, du weißt schon... die, du du mit mir gesehen hast... Ihr Name ist Ella. Sie ist die Schwester von dem Freund... oder eher Ex meiner Schwester.«

Ich höre Ryle zu und mir wird leicht schlecht, als er den Ex seiner Schwester erwähnt. Ich erinnere mich unweigerlich an Ryle's und mein letztes Gespräch zurück, als ich Ryle komplett blutüberströmt aufgefunden habe. Er hatte mir ja erzählt, was für eine Art Kerl dieser Ex seiner Schwester ist...

Ich erkenne, dass sich Ryle's Brust merklich anspannt, sobald er über ihn spricht. »Ella und ich... wir hatten mal was. Und egal wie scheisse sich das anhört, sie ist nicht so wirklich darüber hinweg gekommen. Das heißt, ich weiß, dass sie noch immer was für mich übrig hat... auch so, sind wir immer gute Freunde gewesen.«

In meiner Brust zieht es einwenig. Ryle erkennt, dass mich das nicht besonders beruhigt, denn er beisst den Kiefer zusammen und schüttelt dann den Kopf. »Ich empfinde rein gar nichts mehr für sie, damit das klar ist.«

Ich reiße mich zusammen und nicke einfach, damit er fortfährt. Schließlich stehe ich gerade hier, um den Grund für diesen Kuss zu erfahren.

»Warum hast du es nun zugelassen?«, frage ich nun, da ich es langsam nicht mehr aushalte, dass er über diese... blonde Schönheit spricht.

»Ich musste es einfach zulassen. Eine andere Wahl habe ich in dieser Situation nicht. Meine Schwester hört nicht auf, sich mit diesem Bastard zu treffen... alles was ich ihr sage, meine ganzen Warnungen, einfach alles prallt an ihr ab. Sie... sie weiß, was er ihr alles angetan hat und das er es wieder tun würde, aber sie entscheidet sich trotzdem dazu, ihm immer wieder eine Chance zu geben. Ich... es macht mich wirklich fertig...« Ryle atmet schwer, und in mir verspüre ich den Drang, ihn zu berühren, um ihm irgendwie mentale Unterstützung zu geben, doch ich bringe es einfach nicht über mich...

»Ella hat gesagt, sie stellt sich bereit, mir Auskunft zu geben. Sie wird mir ab jetzt immer dann Bescheid geben, wenn die beiden sich treffen. Meine Schwester hat mir versprochen, sie würde ihn nie wiedersehen, doch ihr kann man nicht vertrauen. Sie ist wie blind verliebt in diesen verdammten Bastard...«, fährt Ryle fort und greift nun nach meinen Händen. Er sieht mich an und ich kann nicht anders, als seinen Blick zu erwidern. »Der Kuss war ihre Forderung im Gegenzug, dass sie mir hilft.«

Ich senke den Blick für einen Moment. Das alles ist irgendwie sehr kritisch. »Aber... aber sie würde doch nicht einfach ihren Bruder hintergehen.«

»Ella hat selbst die Nase voll von ihm. Sie und meine Schwester sind gute Freundinnen und sie will auch nicht mehr, dass ihr wehgetan wird«, erwidert Ryle und nun macht das alles doch ein bisschen mehr Sinn in meinen Augen.

Das alles hat er also nur für seine Schwester getan...

Für ihren Schutz...

Und doch schmerzt es immer noch. Er hätte es mir ja zumindest sagen können.

»Aber warum hast du mir das nicht von Anfang an gesagt? Warum hast du es verheimlicht?«

»Ich weiß nicht... ich wollte nicht, dass du dir einen Kopf darüber machst. Es war schließlich nur eine einmalige Sache, sowas wird nie wieder passieren. Und ich wusste, dass du noch ganz bei der Sache mit Diana bist, bei der ich ebenso eine Rolle spiele, da wollte ich nicht, dass dich das auch noch bedrückt....«

Ich atme tief aus und versuche, alles zu realisieren.

»Verzeihst du mir?«

Überrascht sehe ich zu Ryle auf. Seine hellen Augen funkeln, während er mich intensiv betrachtet. Wie auf Knopfdruck fängt es an in meinem Unterleib zu kribbeln.

Ich öffne zögerlich den Mund. »Du hast nichts bei dem Kuss empfunden?«

Ryle nickt. »Nichts.«

»Du hast dir wirklich nichts dabei gedacht?«, bohre ich nochmal nach, da ich einfach die komplette Wahrheit wissen muss.

Ryle will antworten, zögert dann jedoch. »Doch, um ehrlich zu sein, habe ich schon etwas dabei gedacht...«

In meinem Hals bildet sich ein Klos und ich lasse von Ryle's Händen ab. Wieder tritt ein gewisser Schmerz in meine Brust, doch ehe ich überhaupt fragen kann, was genau Ryle sich gedacht hat, antwortet er auch schon.

Ein kleines Lächeln schleicht sich plötzlich auf seine Lippen. »Ich habe mir gedacht, oder mir eher gewünscht, das du das vor mir gewesen wärst«, beginnt er und kommt mir noch näher, sodass meine Brust seinen Körper beim einatmen berührt. »Ich denke immer nur an dich«, flüstert er nun und löst damit die letzten Zweifel in mir.

Auch auf mein Gesicht macht sich ein Lächeln spürbar, und das scheint Ryle zu beruhigen, denn die letzte Last, die auf ihm lag, verschwindet mit einem Mal.

»Sorry, aber das wollte ich schon den ganzen Abend lang tun«, ehe ich weiß, was Ryle mit seinen Worten meint, legt er auch schon seine Lippen auf meine und tut damit auch das, wonach mein Herz sich seit zu langem gesehnt hat.

Er küsst mich und lässt mich damit endlich das Bild von ihm und dem Mädchen vergessen.

Nicht nur das, er lässt mich einfach alles vergessen.

Alles, was mich verletzt hat.

   
     
   
A/N:

Noch ein Kapitel, so schnell kann das gehen 😂

Wie fandet ihr es?

Lasst mir gerne Feedback und Motivation in den Kommentaren da, damit ich so schnell wie möglich weiter schreibe.

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag.❤️

Matching Hearts ✓Where stories live. Discover now