𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 ║ 2

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Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite und löse die Verspannung, die meinen Körper ergriffen hat

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Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite und löse die Verspannung, die meinen Körper ergriffen hat.
In der Zwischenzeit betrachte ich Nathanael's Hand, die mit der Leichtigkeit einer Feder auf meinem Oberarm ruht.
Ich sehe auf seine langen geradlinigen Finger, die jeden Zentimeter meines Körpers in Aufruhr versetzen und versuche, zu verstehen, was ich nicht verstehen kann.
Nämlich was seine Berührung in mir auslöst.
Etwas Vergleichbares habe ich noch nie empfunden. Obwohl der Druck seiner Hand hauchzart ist, wirkt sie in mir nach wie ein Echo.

In dem Moment, indem ich meine Finger um seine Hand schließe, um sie zu entfernen, durchzuckt mich eine weitere Empfindung, die ich weder zuordnen, noch begreifen kann.
Diesmal erinnert sie mich an einen Magneten, denn selbst, wenn unsere Hände perfekt ineinander passen, habe ich den Drang, seine abzustoßen.
Ihm bloß nicht näher zu kommen.
Es kommt mir fast wie eine böse Vorahnung vor, die mich bittet, Abstand zu halten.
Ich weiß, dass er genauso fühlt.
Sein ganzes Wesen verrät es mir.
In dem Augenblick, in dem ich ihn berührt habe, ist er zu Salzsäure erstarrt und hat seinen Atem angehalten.

Als bräuchte ich eine Bestätigung für meine Beobachtung, lässt er ihn nun stoßweise aus seinen Lippen dringen.
Wie ein Fisch, dem es nach Wasser lechzt.
Die Verzweiflung, mit der er versucht unbeeindruckt zu wirken ist genauso lächerlich wie die Macht, die seine Annäherung in sich trägt.
Mit einem manierlichen Lächeln, das sich so falsch anfühlt, dass es schon fast auf meinen Lippen brennt, ziehe ich seine Hand vor mir und stelle das mittlerweile leere Glas auf eines der Tabletts ab, die auf den Stehtischen ausliegen.
Wenn es eine Sache gibt, die hier zu bewundern ist, dann ist es in jedem Fall die Grazilität, mit der der Veranstaltungssaal geschmückt ist.

Auf den runden marmorierten Tischen stehen Gestecke aus Flieder und Schleierkraut und kleine Äste, auf die schillernde Perlen aufgesteckt worden sind.
Der Perlmuttton der Perlen findet sich in den Kronleuchtern wieder, die an den Balken aus dunklem Holz hängen, welche sich über den gesamten Saal erstrecken.
Es ist wundervoll und die einzige offenkundige Schönheit, die für mein Auge sichtbar ist.

Ich bin mir ziemlicher sicher, dass eine weitere kleine Unendlichkeit vergeht, bis ich es schaffe, meinen Blick von der Stelle zu nehmen, an der kurz zuvor seine Hand geruht hat.
Ganz so, als hätte mir seine Berührung ein Brandmal hinzugefügt, das nur für mein Auge sichtbar ist.
Wie lange es in Wahrheit dauert, kann ich nicht genau sagen.
Raum und Zeit sind zu einer einzigen Masse verschwommen, die mich ratlos zurücklässt.
Das gefällt mir ganz und gar nicht.
Unsere Hände haben sich nicht einmal einen ganzen Atemzug lang berührt und das soll reichen, um mich so durcheinanderzubringen?

Eigentlich widerstrebt es mir, ihn direkt anzusehen zu müssen, tatsächlich möchte ich nichts weniger als das.
Doch allem Anschein nach hat er mit mir gesprochen und mich durch sein Handauflegen nur darauf aufmerksam machen wollen.
Demnach wäre es mehr als unhöflich, würde ich das ignorieren.
Also tanzen meine Augen unvorstellbar langsam zu ihm hinauf und in dem Moment, in dem sich unsere Blicke treffen weiß ich, dass das hier nicht gut gehen wird.
Ich sehe das Ende eines Buches, das noch nicht geschrieben ist.
Die finale Szene eines Horrorfilmes, die das Publikum verstört zurücklässt.
Blicke dürfen sich nicht so anfühlen.
Nicht, wenn man nicht einmal ein einziges Wort miteinander gesprochen hat.

𝐈𝐍 𝐌𝐄𝐈𝐍𝐄𝐍 𝐕𝐄𝐍𝐄𝐍 [𝙴𝙻𝙸𝙰𝙽𝙰 & 𝙽𝙰𝚃𝙴]Where stories live. Discover now