Grausames

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Die Arbeitswoche ist fast vorbei und es ist Freitag.
Ein wenig traurig, dass nun das Wochenende kommt, bin ich schon, aber ich freue mich auch enorm auf heute Abend.
Ich bin die ganze Woche mit Megan zu Mittag essen gegangen und ich würde schon sagen, dass wir mittlerweile Freunde sind.
Nun weiß ich aber auch, dass zwischen ihr und mir niemals mehr laufen könnte.
Das ist glaub ich zu so einem Ding wie bei Frank und Viola geworden.
Aber das ist keineswegs negativ!
Ich habe Megan viel zu dolle lieb und will sie nicht verletzen. Unsere Freundschaft bedeutet mir was, weil wir irgendwie Leidensgenossen sind und uns verstehen. Viele Freundschaften von uns sind kaputt gegangen, weil sich der gegenüber in uns verknallt hat. Es ist nicht immer leicht hübsch zu sein - wie ironisch. Was haben wir denn für Probleme, müssen sich viele denken. Aber manchmal braucht man halt einfach eine gute Freundschaft und keinen weiteren Verehrer - das verstehen viele nicht.
Zum anderen habe ich viel zu viel zu tun!
Unser Fall raubt mir all meine Zeit - viel Zeit für eine Beziehung ist da gerade einfach nicht!
Das merkt auch Viola. Sie hat zwischendurch immer wieder nach einem Treffen gefragt und ich wollte so sehr, aber konnte nicht. Meine Arbeit geht nun mal vor und das versteht sie - sie kennt das nicht anders.

Ich blättere gerade wieder in meiner Akte, als es an meiner Tür klopft.
»Will?« Megan kommt zögerlich hinein und schließt die Tür hinter sich.
»Hey Megan.« Ich lege sofort meine Akte beiseite und schaue zu ihr auf.
»Ist etwas?«
»Ja schon.« Megans Gesicht ist Kreidebleich und ich glaube, dass sie geweint hat.
Ich mache mir Sorgen um sie, denn so verletzt habe ich sie zuvor nicht gesehen - sowas hab ich nicht erwartet.
»Na komm schon her«, sage ich mit einem beklemmtem Gefühl und stehe auf.
Sie kommt sofort zu mir rüber und ich lasse sie auf meinem Stuhl Platz nehmen.
Fürsorglich gehe ich vor ihr auf die Knie und lege meine Hand auf ihr Bein.
Sie senkt den Blick und schaut mich nicht mehr an.
»Was ist denn los?« Ich lege meine Hand an ihre Wange und drehe ihre  Kopf sanft in meine Richtung.
»Ich weiß nicht wie ich es sagen soll - ich schäme mich so.« Ihre Stimme ist brüchig und ich merke, dass ihr ein dicker fetter Kloß im Hals sitzt. Ihre Händen zittern und sie würde jeden Moment wieder anfangen zu weinen - das ist nicht zu übersehen.
»Nein das brauchst du nicht! Egal was es ist, du kannst es mir sagen. Ich helfe dir, Megan - ich bin für dich da.«
Eine Träne verlässt ihr Auge und eine zweite folgt sogleich.
»Komm her.«
Ich fordere sie zum aufstehen auf und ziehe sie in eine feste Umarmung.
»Du bist hier sicher. Ich pass auf«, spreche ich ihr weiterhin mit ruhiger Stimme Mut zu.

Tatsächlich braucht sie ein paar Minuten, um sich zu fangen und sie traut sich auch nicht mich anzusehen, aber dann spricht sie gegen meine stabile Brust.
»Ich bin eben auf einer anderen Etage gewesen. Mister McCain hatte mich geschickt. Und dann war da dieser Typ...«
Ihre Stimme bricht ab und sie kann sich nicht überwinden zu sprechen.
Ich kann nichts anderes tun als ihr ihre Zeit zu geben und sanft ihr Haar zu tätscheln.
»Nimm dir soviel Zeit wie du brauchst.«
Sie nimmt sich ein paar Atemzüge, ehe sie es schafft ihr Leiden in Worte zu fassen.
»Er hat zuerst nur so auffällige Kommentare gemacht, nach mir gepfiffen, aber das kenne ich von den alten Säcken in diesem Gebäude schon. Er war aber so aufdringlich und drängte mich in sein Büro zu kommen. Ich wollte nur höflich sein.« Sie zittert nun schon am ganzen Körper und ich hab das Gefühl, dass ihre Beine jeden Augenblick unter ihr nachgeben.
Ich halte sie ganz fest und versuche ihr Zittern zu stoppen, aber das ist gar nicht so leicht.
Ich kann schon ahnen was gleich kommt und Megan tut mir so furchtbar leid.

Megan atmet erneut tief durch und gewinnt neue Kraft in ihrer Stimme.
»Er hat angefangen mich zu begrabschen! Hat mich auf einen Stuhl gesetzt und angefangen über meine Haut zu fahren. Über meine Arme. Über meine Beine...«
In ihrer Stimme kommt Wut auf.
»Dieser Widerling hat angefangen immer wieder über meine Brüste zu streifen - „aus Versehen". Dann hat er meine Bluse geöffnet und rein gefasst. Mein Rock zog er immer wieder ein Stück höher und ließ seine Hand drunter verschwinden! Er hat nur aufgehört, weil es an seiner Tür geklopft hat - er hätte sonst nicht aufgehört, nicht bis er das bekommen hatte, was er wollte! Will, es ist so eklig! Ich fühle mich so benutzt! Ich dumme Pute habe aber auch nichts gegen gemacht - ich saß die ganze Zeit nur wie versteinert da und habe gewinselt, dass er aufhören soll...«
Mittlerweile weint sie nicht mehr in mich hinein, sondern hat es geschafft ihren Kopf zu heben und mir wütend in die Augen zusehen.
»Megan, Nein heißt Nein! Du hast ALLES richtig gemacht und ihm klar gesagt, dass du das nicht willst. Er hat eine Grenze überschritten und sich an dir vergriffen - das ist nicht deine Schuld!«
Ich rede klar und deutlich mit ihr.
In meiner Stimme ist strenge und ich rede langsam und bestimmt. Trotzdem zweifelt Megan an sich.
»Aber ich hätte doch...«
Ich unterbreche sie.
»Nein hättest du nicht! Er ist dir körperlich überlegen und du warst dieser Situation ausgesetzt. Du bist im Schock und das verstehe ich! Du hast nichts falsch gemacht, sondern er! Er ist der Schuldige und er wird es bereuen!«
Sie schlingt ihre Arme fester um mich und vergräbt ihren Kopf wieder in meiner Brust.
»Ich weiß nicht was ich tun soll!« Sie weint wieder so bitterlich und es zerreißt mir mein Herz.

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