Die Kanzlei

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Die letzten zwei Wochen waren die Hölle für mich.
Keine Nacht verging, in der ich nicht von Rosie träumte.
Und kein Tag verstrich, an dem ich mich nicht auf die Suche nach der Schönheit begab.
Stundenlang saß ich in Louis' Pub, verbrachte meine Zeit bei meinen Großeltern oder saß an öffentlichen Plätzen und wartete, nein hoffte, darauf, dass ich auf Rosie treffe.
Aber es geschah nicht.
Heute ist mein letzter freier Tag bevor ich morgen in der McCain Kanzlei beginne und keine Zeit mehr habe mich auf die Suche nach einem Mädchen zu machen.
Mein Haus habe ich irgendwie auf Vordermann gebracht, sodass ich morgen eigentlich ohne irgendwelche Ablenkungen in meinen Job starten könnte, aber es bleibt die schöne Rosie!
Ich weiß, dass sie mir auch morgen den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gehen wird und ich mich nicht voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren kann. Also mache ich mich ein letztes Mal auf dem Weg um meinen Nachmittag im Park zu verbringen.
Vielleicht hat Rosie ja auch einen Hund mit dem sie an so einem sonnigen Nachmittag den Park besucht. Ich hoffe es auf jeden Fall.

Ich mache mich heute mit meinem Laptop auf dem Weg und setze mich auf eine Bank im Park.
Von da aus kann ich die Leute die vorbeikommen beobachten, aber auch in Ruhe mich meiner Arbeit widmen und mich auf morgen vorbereiten.
Ich wiederhole so viel von dem was ich auf der Uni gelernt habe, damit ich auf alle Eventualitäten vorbereitet bin.
Ich will morgen glänzen und die alten Hasen überraschen! Ich will, dass sie merken, wie besonders ich bin und dass es eine mehr als gute Entscheidung war, mich zu wählen.

Aber auch heute gehe ich nach Hause ohne, dass ich Rosie gesehen habe.
Meine Chance ist vorbei! Das war's nun.
Vielleicht werde ich sie mal in Louis' Pub sehen oder in ferner Zukunft auch wieder bei meinen Großeltern, aber ich werde nicht mehr nach ihr suchen können! Es wird ewig dauern!
Vielleicht sollte ich es gut sein lassen und vielleicht sollte ich sie vergessen, aber ich kann es einfach nicht!
Rosies rot-braune Lockenmähne, ihre knallgrünen Augen, ihr leichten Sommersprossen auf ihrer hellen Haut und dazu ihr herzerwärmendes Lächeln und ihre Gutmütigkeit - dieses Mädchen kann man einfach nicht aus seinen Gedächtnis streichen!
Eine Amy Cullen, eine Emily Parsons und auch eine Olivia Woods kann man vergessen - ja selbst eine unwiderstehliche Katie, meine Kitty! Aber diese Rosie, dessen Nachname ich ja noch nicht einmal kenne, ja genau diese, die kann man nicht vergessen - es geht nicht!
Sie hat sich ein mein Gehirn gebrannt und frisst sich nun durch meine Gedanken - den ganzen Tag und die ganze Nacht.

Niedergeschlagen gehe ich nach Hause und will eigentlich nur noch duschen und danach ins Bett gehen, aber meine Mutter macht einen Strich durch diese Rechnung.
Mit einem Pflaumenkuchen in der Hand steht sie vor meiner Tür.
Abwimmeln kann ich sie nicht. Zu gut kennt diese Frau mich! Sie wird sofort merken, dass irgendwas gewaltig schief läuft und dann komme ich an einem langen Gespräch über meine Gefühle nicht mehr drum herum. Sie redet genauso viel wie Granny und wenn sie erstmal in Fahrt ist, dann kann man sie nicht mehr zum schweigen bringen.

Ich lasse meine Mutter also rein und setze mich mit ihr in mein Wohnzimmer.
Sie stellt ihren Kuchen auf den hellen Couchtisch und öffnet die Haube ihrer Runden Tortenplatte.
Zu sehen ist jede Menge Pflaumenkuchen, welcher zu einem kreisförmigen Türmchen aufgetürmt ist.
Sofort hole ich zwei Teller aus der Küche und nehme mir ein Stück.
Nein, nicht weil ich Hunger auf den Kuchen habe, sondern damit meine Mutter nichts merkt.
Meine Täuschungsversuche sind aber nicht gut genug. Nachdem ich mir nur ein Stück Kuchen statt der gewöhnlichen drei nehme, wird meine Mutter stutzig. Sofort weiß sie, dass mich irgendwas bedrückt und bohrt nach.
»Aber Willy, was ist denn los? Was bedrückt dich?«
Mein Kummer zu leugnen wäre unnötig gewesen, aber komplett offen zu legen, dass ich einem Mädchen nachtrauer, welches ich noch nicht einmal kenne, das kann ich einfach nicht!
Das ist so gar nicht meine Art und das weiß auch meine Mutter!
Stattdessen versuche ich meine Situation zu umschreiben.
»Ich habe etwas verloren und suche es seit Wochen, aber ich kann es einfach nicht mehr auffinden...«
»Das Problem hattest du als Kind auch immer. Egal ob es dein Fußball war, deine Schuhe, dein Lieblingsshirt oder dein Fanti, du hast all dies immer erst dann gefunden, wenn du aufhörtest zu suchen.«
»Ja, daran erinnere ich mich noch! Gerade mein Lieblingskuscheltier Fanti habe ich immer verlegt. Der blaue Elefant war immer weg und egal wo ich suchte, ich fand ihn nicht. Zum Glück ist das heute anders. Er liegt immer auf meinem Bett und wartet bis ich müde neben ihn plumpse.« Ich muss schmunzeln und mein Kummer scheint für einen Moment gelindert. Vielleicht muss ich sie wirklich vergessen und meinen Fokus auf ganz andere Dinge richten. Vorerst zumindest, denn nach Mamas Theorie, wird sie ganz alleine wieder in mein Leben treten!

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