Ich wische mir meine Nase trocken, muss aber ab und zu noch schniefen. So haben wir wenigstens Lückenfüller in der Stille, in der mein Chef erst einmal auf sein Leben klarkommen muss. "Also", setze ich belebter an. "Wie heißen Sie, Chef?" "Miran", setzt er ernüchtert an. "Miran Azwer. Ich bin Miran Azwer." Ach so. Jetzt machen die Initialen auch Sinn. "Ich bin Shirin Din", grinse ich und schüttele seine Hand. Dass sie so warm ist, lässt mich lächeln. "Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Sind Sie Afghane? Perser?" "Kurde." Nein. Nein, das ist er nicht. "Was reden Sie da?", presse ich durch mein aufgesetztes Grinsen hervor. Nein, er ist kein Kurde. Das kann er vergessen. Ich bin Kurdin. Er kann kein Kurde sein! "Doch, Shirin. Ich bin einer." "Nein", wiederhole ich angespannt. Er. Ist. Kein. Kurde. Bitte nicht. Ich habe ihn zu oft auf Kurdisch beleidigt. "Doch." Seine Mundwinkel zucken wissend. Nein. Wieso habe ich ihn in meine Wohnung gelassen? Wieso habe ich nach seinem Namen gefragt? Wieso muss ich so neugierig sein? Ich will meine Hand aus seiner ziehen und nein! Er hält sie fest! "Was ist denn los?" "Nichts." Mir wird schlecht. Meine Nasenspitze juckt. Das ist eine Katastrophe. Warum ist er Kurde?! "Aber verstehen Sie die Sprache auch? Es gibt doch genügend, die Ihre Muttersprache nicht beherrschen." "Das stimmt. Ich beherrsche sie jedoch fließend." Nein. Bitte nicht. Ich wimmere verzweifelt. Das ist eine Katastrophe. Er hat alles verstanden.

"Wollen Sie nicht Ihren Kakao trinken?" Vielleicht schläft er danach ein. Gott, wieso muss ich jetzt hicksen? "Kein Kakao?", piepse ich, woraufhin ein weiteres, erbarmungsloses Hicksen folgt. "Shirin." "Bitte nicht. Es tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen, aber Sie sind so trocken und gemein gewesen und Sie haben weder bitte noch danke gesagt oder sich verabschiedet und ich hasse trockene Menschen und dann konnte ich nicht anders und dann als-," "Shirin", unterbricht er mich erneut. Noch immer hält er meine Hand und weil ich so im Rederausch bin, drückt er sie. Oh Gott. Die Geigen beginnen wieder. Das ist nicht gut. Ich bin überfordert. "Bitte nicht feuern", flehe ich. Sobald er weg ist, werde ich mir ein Maulkorb bestellen. "Bitte nicht. Ich habe den Job doch erst bekommen. Bitte, Miran. Ich meine Herr Azwer, also mein Chef. Bitte, bitte." Ich drücke seine Hand flehend gegen meine Stirn. Er hat mich eiskalt erwischt. Wieso sagt er nichts? Ich hebe den Kopf sofort an. "Sie haben Ihr Urteil schon gefällt, oder?" "Nein." Oh ... was heißt das? "Also ... ?" Deutet sein kleines Lächeln auf etwas Positives hin? Oder will er mich auslachen, bevor er mich erbarmungslos feuert? Muss er mich so lange warten lassen? Mein Hicksen ist viel zu laut für die Stille. "Sie bleiben." Oh, Gott sei Dank! Ich falle erleichtert zurück auf die Couch. Das tut meinem Blutdruck nicht gut. "Wieso foltern Sie mich?" "Wieso beleidigen Sie mich?" "Weil Sie es ..." Ich muss aufhören, auf seine Tricks reinzufallen! Gott!

"Sag ich nicht." Vielleicht sollte ich mich wieder ordentlich aufsetzen. Neben einem so hübschen Mann halb zu liegen, ist nicht das Beste. "Trinken Sie Ihren Kakao." Sonst verleitet er mich in weitere unpassende Situationen. Wenigstens tut mein Chef das, was ich ihm sage und trinkt unglaublich hübsch aus der Rahul-Tasse seinen Kakao. "Kennen Sie Rahul eigentlich?" "Gefühlt jeder Mann heißt in dem Filmgenre so." Das kann schon stimmen. "Aber kennen Sie Rahul aus dem Film auf der Tasse?" Mein Blick fällt auf seine Lippen, über die er leckt, als er das Bild der Tasse zu sich dreht ... oh Mann, hat er schöne Lippen. "Ich meine den Film während meiner Kindheit einmal geschaut zu haben." "Und seitdem nie wieder?", erwidere ich schockiert. Und ich bin noch schockierter, als er den Kopf schüttelt. "Das holen wir sofort nach! Haben Sie schon gegessen?" Ich stehe schon auf, bereit für einen Bollywood-Abend. "Eine Kleinigkeit." "Sicher, dass sie keine Essstörung haben? Sie wissen schon, dass Sie-," "Das weiß ich, Shirin. Danke für Ihre Besorgnis, aber mir geht es gut." Dann ist ja gut, aber er muss trotzdem essen. "Worauf haben Sie Lust?" Ich binde mir mein Hauskleid an der Hüfte mit einem Haargummi schon höher, bereit fürs Kochen und Einführen in eine bessere, lebhafte Welt - fernab von bitterem Kaffee. "Machen Sie sich keine Umständ-," "Sie sagen jetzt, worauf Sie Lust haben. Ich muss Sie aber warnen. Es gibt hier außer Thunfisch aus der Dose und Garnelen kein Fleisch." "Sind Sie Pescetarierin?"

Tollpatschige LiebeWhere stories live. Discover now