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Ich wusste dass ich hier nicht sein durfte. Es war verboten. Zumindest für uns Dienstboten. Aber es war niemand hier und wenn niemand hier war konnte ich auch nicht gesehen werden oder?
Mit leisen Schritten folgte ich dem breiten Gang entlang. Jetzt war es ruhig und ich hatte Zeit mir alles genau anzuschauen.
An den Wänden hingen wunderschöne Gemälde. Ritter, wunderschöne Prinzessinen, Bilder von Schlachten und Heldentaten in unglaublich satten Farben.
Jedes Einzelne war auf seine eigene Art und Weise besonders.
Große Kerzenleuchter tauchten alles in warmes, sanftes Licht. Ich fühlte mich in eine andere Welt versetzt. So etwas schönes hatte ich selten gesehen.
Meine Füße versanken in weichen Teppichen. Wie gerne ich mich genau hier hinlegen wollte. Mit Blick nach draußen in den Sternenhimmel.
Doch meine Neugier trieb mich weiter. Weiter den Gang entlang in Richtung einer großen Steinernen Wendeltreppe. Auf einigen Stufen standen hohe Vasen, befüllt mit himmlisch duftenden Rosen.
Langsam stieg ich hinauf und ließ meine Hand über den kühlen Stein gleiten.
Von unten vernahm ich gedämpftes Gelächter und laute Musik. Das Fest zu Ehren von Lady Dorset war in vollem Gange. Umsobesser.
Mit einem breiten Grinsen nahm ich die letzten Stufen nach oben und fand mich in einer Art Gallerie wieder. Sie war mindestens fünf Meter breit und bietete freie Sicht auf den nächtlichen Innenhof, da es hier keine Glasfenster gab. Der Springbrunnen in der Mitte plätscherte leise vor sich hin und auf der Wasseroberfläche schwammen unzählige Kerzen in kleinen Holzschiffchen. Auch an den Wänden rings um den Hof herum brannten Fackeln und tauchten Alles in ein warmes beinahe romantisches Licht. Verträumt sah ich hinab und genoss die leichte Brise, die durch meine Haare strich.
Es war so wunderschön hier und ich hatte noch nichtmal die ganze Burg erkundet. Am liebsten wäre ich hier geblieben für den Rest der Nacht. Doch meine Neugier trieb mich weiter. Wäre der Rest Camelots nur halb so schön, wie das was ich bisher gesehen hatte, war das hier die beeindruckendste Burg von Allen, die ich bisher gesehen hatte.
Als ich um die nächste Ecke bog wusste ich sofort wo ich mich Befand. Und zwar in dem Bereich, der für Bedienstet wirklich aufs strengste verboten war.
Im Westflügel. Hier befanden sich die Schlafgemächer des Königs und des Prinzen.
Sollte ich weitergehen? Es war mucksmäuschenstill und die hohen Herrschaften befanden sich auf dem Fest. Also. Wer sollte mich hier schon sehen?
Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und betrachtete staunend die bemalten Wände. Das hier waren keine Gemälde, zumindest nicht solche mit Goldrahmen. Es war direkt auf die Wand gemalt worden und es sah wunderschön aus. Blumenranken, die sich über die komplette Seite zogen.
Doch anstatt von Blütenknospen waren es Portraits. Eines erkannte ich sofort wieder. Das unseres Königs. Uther Pendragon. Rechts neben ihm seine Frau Igraine. Ihr blondes Haar war mit goldener Farbe gemalt worden und ihre Gesichtszüge waren sanft und königlich. Wie gerne ich sie gesehen hätte. Was man so hörte war sie großzügig gewesen und nett zu jedermann. Selbst zu so jemandem wie mir.
Doch sie starb schon vor vielen Jahren an einer schweren Krankheit, die nichtmal ein Zauberer heilen konnte. Das hatte das ganze Königreich erschüttert und ich tiefe Trauer versetzt. Uther musste sie sehr geliebt haben, denn es folgte keine andere Frau und somit auch keine weiteren Kinder.
Von Beiden Portraits verlief jeweils eine Ranke nach unten und vereinte sich in einem weiteren Bildnis. Ich hatte schon oft Abbildungen des Prinzen gesehen, aber diese hier war mit Abstand die Schönste. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, also konnte ich nicht beurteilen ob sie ihm gerecht wurde oder nicht, aber eins konnte ich mit Sicherheit sagen.
Er war der attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte. Grüne Augen, wie die seiner Mutter, dunkelblonde Haare und volle Lippen. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über die kühle Wand.
Ob er wohl so freundlich war wie immer berichtet wurde? So wie seine Mutter?
Waren seine Augen wirklich so strahlend grün? War er wirklich so stattlich wie es hieß?
Ich seufzte leise auf und ließ meinen Blick weiter wandern. Die Meisten Gesichter kannte ich nicht, die Namen darunter jedoch schon. Das war der Stammbaum der Pendragons.
Von Anbeginn des Geschlechts.
Ich hatte mich schon immer für Geschichte interessiert und natürlich auch über die Vergangenheit unserer Königsfamilie. Das gehörte sozusagen zum Grundwissen eines jeden Bediensteten.
Gerade als ich meinen Streifzug durch die nächtliche Burg fortsetzten wollte, hörte ich Schritte auf dem Gang hinter mir, die schnell näher kamen.
Panik stieg in mir auf. Wo sollte ich hin? Hier gab es keine Versteckmöglichkeiten und ich konnte schlecht in eines der Schlafzimmer flüchten. Mir blieb also nur die Flucht nach vorne.
Schnell hastete ich vorwärts, bis ich schließlich rannte. Als ich um die Ecke bog, die in den nächsten Flügel führt, prallte ich mit etwas zusammen. Die Wucht traf mich so stark, dass ich zurücktaumelte und vermutlich sogar gefallen wäre, wären da nicht zwei Arme gewesen, die mich auffingen.
Als ich nach oben sah um zu schauen mit wem oder was ich da zusammengestroßen war rutschte mir mein Herz in die Hose und ich bekam schlagartig einen trockenen Mund.
Entsetzt blickte ich in die Augen, die ich mir gerade noch angesehen hatte. Grüne Augen. So grün wie die Wiesen vor der Burg. So schön.
Ich war wie erstarrt und konnte mich nicht bewegen.
Seine Lippen waren zu einem amüsierten Lächeln verzogen und ich hörte nur dumpf was er zu mir sagte.
„Alles in Ordnung?"
Ich schluckte.
„Ich lass dich jetzt los" sanft schob er mich ein Stück von sich weg und ließ sein Arme sinken. In diesem Moment sank ich in einen tiefen Knicks und senkte den Blick.
„Es .. tut mir so leid, Mylord. Ich weiß es ist uns untersagt hier zu sein"
„Und dennoch bist du hier. Du kannst dich erheben" seine Stimme war tief, sanft und jagte mir einen angenehmen Schauer über den ganzen Körper.
Langsam stand ich auf, hielt aber den Blick weiterhin gesenkt.
„Wie ist dein Name?"
„Gwyneth, aber die Meisten nennen mich Gwen" meine Stimme war zittrig und leise. Beinahe so, als hätte ich sie verloren.
„Schöner Name, hört man selten. Du bist mit Lady Dorset angereist?"
Ich nickte leicht „Ich bin ihre Kammerzofe"
„Verstehe. Und was genau hast du hier verbotenerweise zu suchen?"
„Ich war .. Neugierig. Ich wähnte Alle auf dem Fest"
„Dein Plan wäre vermutlich auch aufgegangen. Lauf nächstes Mal in die andere Richtung zurück. Die Geräusche in der Galerie sind trügerisch" er klang noch immer amüsiert über diese Situation. Ich wollte so gerne aufsehen, ihn ansehen, doch ich traute mich nicht.
„Und warum seid Ihr nicht auf dem Fest?" fragte ich vorsichtig.
„Ich bin gerade auf dem Weg mich dafür umzuziehen. Die Jagd hat doch etwas mehr Zeit in Anspruch genommen"
„War sie denn erfolgreich?"
„Sehr, aber sie war auch nur Vorwand. Ich habe keine große Lust auf dieses Fest. Die Jagd hätte zugelassen früher zu kommen, aber ich wollte nicht"
„Ich kenne niemanden, der sich ein Fest zu seinen Ehren entgehen ließe"
„Nun. Jetzt kennst du jemanden und .. weißt du, es ist ziemlich unhöflich auf den Boden zu sehen, wenn jemand mit dir spricht"
„Aber ihr seid nicht jemand. Ihr seid der Prinz. Mir ist es nicht gestattet. Mir ist es nichtmal gestattet mit euch zu reden oder überhaupt hier zu sein" piepste ich und trat einen Schritt von ihm zurück.
„Nun. Dann gebe ich dir hiermit die Erlaubnis. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede" er hob mein Kin an und ich war gezwungen ihn anzusehen.
Ich merkte wie mein Herz für einen Moment aussetzte und ein flaues Gefühl sich in meinem Magen ausbreitete. Jetzt konnte ich sein Gesicht betrachten, wie das Gemälde von ihm. Als er seine Hand sinken ließ lächelte er „Viel besser"
Da konnte ich ihm nur zustimmen. Viel besser. Ich versank in diesem weiten Grün seiner Augen. Seine Gesichtszüge waren markant und dennoch sanft. Seine Lippen Voll und noch immer zu einem Lächeln verzogen. Zerzauste, dunkelblonde Strähnen hingen im hin die Stirn. Wie gern ich sie zur Seite gestrichen hätte.
Er trug schwarze Stoffhosen und ein schwarzes Hemd. An seiner Hüfte baumelte ein silbernes Schwert und seine Beine steckten in Lederstiefeln. Erst jetzt bemerkte ich den Geruch von Wald, der an ihm haftete. Ich liebte die Wälder. Dort hatte ich das Gefühl frei zu sein und es war ruhig und friedlich.
„Alles in Ordnung?" fragte er erneut und ich nickte leicht „Ich .. sollte zurückgehen" wisperte ich und trat einen weiteren Schritt zurück.
„Ich halte dich nicht weiter auf, das Schloss zu erkunden. Heute hast du die beste Gelegenheit dazu, da sonst immer jemand hier sein wird auf den Gängen" zwinkerte er und deutete eine leichte Verbeugung an „Es war schön, deine Bekanntschaft zu machen, Gwen" und damit trat er an mir vorbei und verschwand im Westflügel.
Wie vom Donner gerührt stand ich da und konnte mich nicht bewegen, geschweige den Atmen. Hatte ich da gerade mit dem Prinzen gesprochen? Mit Arthur Pendragon?
In meinem Kopf herrschte Chaos und meine Beine waren so zittrig, dass ich Angst hatte einen Schritt zu machen.
War das gerade wirklich passiert? Ja, war es und sein Geruch hing noch immer in der Luft. Für einen kleinen Moment schloss ich meine Augen.
Er war so freundlich gewesen. Hatte mich nicht von oben herab behandelt, so wie ich es eigentlich gewöhnt war. Er hatte mich .. berührt. Nicht unsittlich, nein. Er hatte mich sanft berührt, beinahe so, wie es einer Lady gebührte.
Vermutlich hätte ich heute mit Allem gerechnet, nur nicht mit einer Begegnung mit dem Prinzen höchstpersönlich. Ich war schließlich noch nichtmal einen ganzen Tag hier und hatte mich schon in verbotenen Schlossflügeln herumgetrieben und mit dem Prinzen gesprochen. Ich, eine Bedienstete.
Langsam lichteten sich meine Gedanken und ich atmete einmal tief durch.
Vermutlich sollte ich nicht allzuviel auf diese Begegnung setzten. Wahrscheinlich würde ich ihm nichtmal mehr über den Weg laufen. Camelot war groß und eigentlich hielt ich mich die Meiste Zeit des Tages in den Räumen der Dienstboten auf um meine Arbeiten zu erledigen. Zumindest war es so in der Vergangenheit gewesen.
Und dennoch wusste ich, dass mir dieser heutige Abend nicht mehr aus dem Kopf gehen würde. Denn Eins konnte ich mit Sicherheit sagen: Das Bildnis wurde ihm mehr als gerecht. Nein. In Wirklichkeit war er noch schöner und noch stattlicher. So wie man sich einen Prinzen in den kühnsten Träumen vorstellte.
Langsam trat ich meinen Rückweg an. Es wäre peinlich hier noch immer wie angewurzelt zu stehen, wenn der Prinz zum Fest gehen würde.
Mit schnellen Schritten durchquerte ich den Westflügel, sprang die Stufen nach unten zur Gallerie und hastete durch den Gang mit den schön gerahmten Gemälden auf die schmale Treppe zu, die zu den Räumen der Dienstboten führte.
Selbst dort unten war schon Alles still. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Als ich schließlich in meinem Bett lag merkte ich erst, wie müde ich war. Eigentlich träumte ich nie, doch diese Nacht schlichen sich grüne Augen in meinen Traum.

PendragonWhere stories live. Discover now