Nach einer langen Stille, von der ich bereits dachte sie würde nicht enden, sagte er zum ersten Mal seit meinem Geständnis etwas.
"Du wars dabei. Bei der Entführung mein ich." Er fragte nicht, sondern setzte die Puzzleteile zusammen, so wie ich es erwartet hatte. Ich nickte bloß und ließ mich von ihm in den Arm ziehen. In dieser Position verweilten wir eine gewisse Zeit und er strich mir beruhigend über meinen Rücken.
"Seit Pablos Tot träume ich von der Zeit im Bunker." Ich bewegte mich nicht, weil ich Angst hatte ich könnte ihn verschrecken, selbst meinen Atem hielt ich an.
"Wir laufen durch die Gänge und jedes Mal, wenn wir an der Treppe ankommen entscheide ich mich dafür runter zu gehen, anstatt hoch und jedes Mal rettet ihm das sein Leben. Wir finden euch rechtzeitig und er wird auch nicht angeschossen." Dantes Körper zittert leicht und ich drücke seine Arme fester um mich.
"Dann wache ich auf und stelle fest, dass alles nur ein Traum war. Das ich die falsche Entscheidung getroffen hatte."
Das war es also. Ich wusste, dass er sich die Schuld für Pablos Tod gab, aber nicht, dass er es an einer einzigen Entscheidung festgemacht hatte. Diese Schuldgefühle werden ihn auffressen, wenn ich nicht etwas unternehme.
Ich hob meinen Blick und nahm sein Gesicht in meine Hände. Bei dem Anblick seiner Augen stockte mir der Atem. Sie waren das einzige Fenster, welches Einblick in den wütenden Sturm in seinem Inneren verschafften.
"Es war nicht deine Schuld." Ich wusste das diese Worte nicht ausreichten, auch wenn sie noch so wahr waren. "So wie es deine Entscheidung war die Treppe nach oben zu nehmen, so war es seine sich vor diese Kugel zu stellen."
Ich sah ihm tief in die Augen, weil ich wollte, dass er meine nächsten Worte aufmerksam in sich aufnahm. "Tue das nicht! Mindere sein Opfer nicht durch deine Schuldgefühle. Er hat getan was er für das Richtige hielt und ich werde ihm mein Leben lang dankbar dafür sein, dass er dein Leben gerettet hatte."
Ich erinnerte mich wieder an Pablos Grabstelle, an welcher ich ihm gedankt hatte. Worte könnten nicht beschreiben, was er für mich, für uns getan hatte. Auch wenn er auf meine Worte hin nickte, wusste ich, dass er mehr brauchen wird um ihn davon zu überzeugen und genau morgen werde ich mich daran machen, aber jetzt brauchten wir beide etwas schlaf.
Als hätte er meine Gedanken gehört legte Dante sich mit mir ihm Arm zurück aufs Kissen und ich machte es mir auf seiner Brust gemütlich.
"Morgen werden wir über die Sache mit der Entführung sprechen Amore, aber jetzt schlaf etwas."
Mir war klar, dass wenn ich mit ihm dieses Geheimnis teilen würde er es nicht bei einer kurzen Erzählung belassen würde, aber ich denke es war an der Zeit die Karten auf den Tisch zu legen, auch wenn ich mir erhoffte, dabei wenigstens ein Ass auf der Hand zu haben.

Als ich morgens aufwachte stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Dante lag nicht mehr neben mir und ich konnte nur beten, dass er wenigsten ein paar Stunden Schlaf hatte. Ich stand vom Bett auf und machte mich im angrenzenden Badezimmer fertig.
Mit einer Jeans und einem Band T-Shirt bekleidet verließ ich unser Zimmer. Unser Gespräch von gestern Nacht kam mir wieder in den Sinn und ich holte mein Telefon raus. Schnell tippte ich eine Nachricht und schickte sie Cristiano. Ich hatte einen Plan, um Dante die Augen zu öffnen, aber dafür werde ich Hilfe brauchen.
Ich ging die Treppe runter und wollte gerade zum Esszimmer abbiegen, als ich laute Stimmen höre.
Nachdem ich mich kurz ungeschaut hatte nahm ich die Abzweigung zu den Büroräumen. Dantes stimme war so laut, dass sie bis in den Flur wiederhalte.
"Das werde ich nicht tun, Vater." schrie er so laut, dass man ihn auch ihm Flur verstehen konnte.
"Oh doch das wirst du! Ich zwinge dich ja nicht schon so früh nach seinem Tod einen neuen zu wählen, aber die Veranstaltung werden wir trotzdem geben!"
Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und trat näher an die Tür. Ist es noch lauschen, wenn sie so laut schreien? Ich schätze, dass ist eine Frage der Auslegung und da mir niemand in meinem Kopf widersprechen konnte, entschied ich mich für nein.
"Steht die Stelle des Cape frei, so muss ein Anwärterabend gegeben werden, so schreibt es das Protokoll vor."
Protokoll? Wo waren wir? Am englischen Hof?
"Schön, mach was du willst, aber ich werde keinen neuen Cape wählen." Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme.
"Niemals." fügte Dante nach einigen Sekunden hinzu.
"Und wie du das wirst. Ohne Cape kein Don!" Donnerte Sergio meinem Mann nun entgegen.
Ein schepperndes Geräusch ertönte und es klang so, als wäre eine Vase zu Bruch gegangen. Ich war so auf die Stimmen fokussiert, dass ich die Person hinter mir nicht bemerkte.
Plötzlich tauchte eine Stimme neben meinem Ohr auf. "Lauschen ist gegen die Etikette des Hauses." Marco sah mich spielerisch böse an. Etikette des Hauses? Was war den heute los? Sind wir über Nacht adelig geworden?
Ich quittierte seinen Blick, wandte mich dann aber wieder dem Gespräch hinter der Tür zu. Dante und Sergio müssten ihre Lautstärke gedrosselt haben, denn ich konnte nichts mehr verstehen.
Also drehte ich mich wieder zu Marco. "Was ist ein Anwärterabend?" Er zog die Augenbrauen zusammen und musterte mich, bevor er sprach.
"War es das worüber sie gesprochen haben?" Dabei zeigte er auf die Tür von Sergios Büro. Ich nickte und er leicht nach meinem Arm um mich ins Wohnzimmer zu ziehen.
Erst beim Sofa ließ er mich los und nahm gegenüber von mir Platz.
"Der Anwärterabend wird veranstaltet wenn die Position des Cape vergeben werden soll. Früher gab es noch andere, ähnliche Veranstaltungen. Aber mein Großvater hatte alle bis auf diese Tradition beendet." Ja so viel wusste ich durch mein lauschen bereits auch.
Ach verdammt nicht lauschen, zufälliges aufschnappen. Man könnte auch sagen meine Ohren wurden von ihren dominanten Stimmen angegriffen.
Ich sah wieder zu Marco um meinen Faden nicht zu verlieren. "Welche anderen Veranstaltungen?" Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als hätte er meine Frage bereits geahnt. "Um sich eine Frau auszusuchen. Man nannte es Brautschau. Der angehende Don und manchmal auch sein Cape nutzen diese Abende, um sich mit heiratsfähigen Frauen bekannt zu machen. Am Ende fällte er die seiner Meinung nach fähigste Braut, um an seiner Seite die Geschäfte zu führen." Dunkel erinnerte ich mich daran, dass Dante mal so etwas ähnliches Erwähnt hatte als wir in der Höhle auf Capri waren und auch, dass sein Opa dies beendet hatte.
"Mh, und wie wird so ein Anwärterabend ablaufen?"
Natürlich könnte ich warten und später Dante fragen, aber dann müsste ich wohl oder übel zugeben, dass ich ihn und seinen Vater gehört hatte. Außerdem war ich zu neugierig, also war Marco die perfekte Informationsquelle.
"Na ja, für gewöhnlich werden Kämpfe in Form von Turnieren abgehalten. Dabei gibt es verschiede Runden mit unterschiedlichen Hindernissen. Getestet wird das Denkvermögen, Ausdauer und natürlich Kraft."
Irgendwie erinnerte mich das an die Ritterspiele aus dem Mittelalter.
"Danach gibt es ein Bankett für alle Teilnehmer und Zuschauer, auch dann wenn kein Cape gewählt wurde."
Ohne, dass ich Dantes Antwort ihm gegenüber erwähnt hatte wusste sein Bruder bereits, dass Dante Pablo nicht ersetzten wird. Vielleicht aber hatte er genauso gelauscht wie ich.
Verdammt! Zugehört!
Oh Gott jetzt diskutiere ich bereits mit mir selbst. Marco riss meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Bei dem Bankett gibt es eine unausgesprochene Regel, die du niemals brechen darfst." Ich verdrehte bloß die Augen und sah ihn amüsiert an.
"Was niemals einen Versace Gürtel zu einem Armani Anzug tragen?" Allein die Vorstellung zauberte ein angewiderten Ausdruck auf Marcos Gesicht.
"Bäh Anastasia!" Ich grinste weil ich sehen konnte wie er sich schüttelte. "Das auch, aber das mein ich nicht. Du darfst von keinem Mann ein Getränk annehmen. Selbst nicht von mir oder meinen Brüdern. Außer Dante natürlich."
Nun war mein Interesse geweckt, welcher sexistische Gedanke verbarg sich wohl hinter dieser Regel?
Fragend zog ich eine Augenbraue hoch, damit er weiter sprach und mich endlich aufklärte.
"Nimmst einen angebotenen Drink an, dann stimmst zu schweigend zu eine Nacht mit diesem Mann zu verbringen. Du gehörst dann ihm, egal ob verheiratet oder nicht. Sogar Dante müsste sich dann daran halten."
Schwer schluckte ich nach dieser Offenbarung. Ich schätze ich würde zur Sicherheit gar nichts trinken an diesem Abend.
"Beruhig dich, Mama wird dich noch ausgiebig vorbereiten für den Abend."
Das wollte ich aber auch hoffen. Ich hatte keine Lust, wegen einer harmlosen Geste, von einem fremden verschleppt zu werden.

Marco zwinkerte mir zu und stand dann auf. Gerade als mich ebenfalls auf den Weg machen wolle klingelte meine Handy.
-Alles erledigt. Cristiano-
Zufrieden lächelte ich. Wird Zeit meinem Mann die Augen zu öffnen.

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