Dieses Jahr schien es, als würde der Schnee auf eine andere Art fallen. Auf eine weichere, sanftere, schönere.
Der Dezember funkelte im Glanz der Wasserkristalle und tauchte ganz Washington in eine Stadt aus schillernden Lichtern und natürlichem Glamour.
Willow lächelte, als das Auto durch die schneebefallenen Gassen der Hauptstadt fuhr und sie an jeder Ecke Weihnachtsschmuck, Lichterketten oder Tannenbäume stehen oder hängen sah.
In ihrem Leben war sie nie sonderlich in Weihnachtsstimmung gekommen.
Überhaupt hatten sie und Heaver es erst einmal im Leben geschafft, einen Tannenbaum im Wohnzimmer aufzustellen, nur um ihn dann ungeschmückt bis zum Mai darin stehenzulassen.
Manch einer nannte es trostlos und schade.
Manch einer schockierend.
Kelly Dillons womöglich originell.
Doch eigentlich war es bloß Unwissenheit. Denn Willow wusste nicht, wie man Weihnachten richtig feierte, mit wem man es tat oder weshalb überhaupt.
Wieso verhielten sich Menschen einmal im Jahr anständig, zogen sich schick an und aßen sich die Bäuche voll, bis sie beinahe platzten?
Und am nächsten Tag meckerten sie darüber, dass sie dick waren und begannen mit den üblichen Streitereien, die sie in der Familie hatten.
Die Harmonie an Weihnachten war eine brillante Illusion von der sich Willow herzlich anstecken lassen wollte.
Nervös trippelten ihre Füße auf der Fußmatte in Wesleys Auto und ihre Finger sahen immer wieder auf das Navi am Armaturenbrett des Autos, wo die Ankunftszeit beim gewünschten Zielort – Wesleys Elternhaus – angezeigt wurde.
Fünf Minuten noch.
Fünf Minuten und Willow würde ihr erstes Jahr Weihnachten im Kreise ihrer Liebsten feiern.
Wesley grinste, seit Willow in sein Auto gestiegen war.
Er hatte sie selten so aufgeregt erlebt.
Wie ein kleines Kind saß sie neben ihm und konnte es nicht erwarten, endlich anzukommen. Als würde sie bei seinen Eltern einen Haufen Gummibärchen gratis geschenkt bekommen.
Heaver musterte Wesley und Willow abwechselnd.
In den letzten Wochen hatte sie die Rückbank des Porsches zu ihrem persönlichen Reich erklärt und Wesley dafür abgeschleckt, als er eines Tages ein Körbchen auf die Ledersitze montiert hatte, sodass Heaver bequemer liegen konnte.
Die Wochen, seit den schweren Tagen im Oktober waren seicht, schön, liebevoll, aber auch auf ihre Art und Weise zermürbend gewesen.
Dennoch, Willow und Wesley hatten jeden Schritt – egal ob hoch oder tief – gemeinsam gemeistert und wie versprochen, war Wesley nicht einmal von Willows Seite gewichen oder hatte sie anderweitig enttäuscht.
Er war ein toller Freund und ihre Beziehung nach all diesen Wochen ein starker Bund.
Nachdem Malia klargeworden war, dass sie niemals eine Chance bei Wesley haben würde und sie am Tag, an dem Lila nach Washington gefahren war, auch von Kelly Dillons eine Standpauke der unfeinen Art bekommen hatte, hatte sie schneller gekündigt, als Wesley oder Charlie sie hätten feuern können.
Es waren ein paar unschöne Worte gefallen, aber das hatte nur bestätigt, wie falsch Malia in ihrem Berufsfeld gewesen war.
Nach den gemeinsamen Tagen in Innerforks mit Kelly, John und Wesley waren die Wogen schnell geglättet. Die Dillons hatten Willow gebürtig in ihre Mitte aufgenommen und in jedem ihrer nächsten Schritte bestärkt.
Es war eine Zeit der Selbstheilung gewesen. Eine Zeit der Akzeptanz, dass die Dinge manchmal eben nicht so und womöglich niemals so laufen würden, wie man sie laufen lassen wollte.
Akzeptanz, dass man manche Menschen niemals würde ändern können und dass sie sich auch selbst niemals ändern würden. Dafür standen sie in ihrer eigenen Schuld und trugen die Konsequenzen für ihr Verhalten.
Jahrelang hatte Willow den Terror ihrer Mutter ertragen.
Weil sie nie weiter gegangen war, als zu drohen oder zu beleidigen.
Weil Willow die Gefahr nicht wirklich hatte wahrhaben wollen.
Weil sie einen Selbsthass gehabt hatte, der sie stets unterdrücken wollte.
Davon war sie nun frei.
Sie war frei von Briefen, unangekündigten Besuchen und Schuldzuweisungen.
Frei von ewigen Angstzuständen und Depressionen im Oktober.
Frei von Verdrängungen und dem Vorbeischieben von Dingen.
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A WORLD IN BETWEEN
Romance»𝐒𝐭𝐚𝐝𝐭, 𝐋𝐚𝐧𝐝, 𝐋𝐢𝐞𝐛𝐞 ...« Wie hart das Leben sein kann, lernen wir Menschen auf unterschiedliche Weise. Die einen sehen Schicksalsschläge und Katastrophen im Fernsehen und die anderen sind live dabei. Wesley Dillons begegnet Opfern von...
