Kapitel 2

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»Verzeiht mir, Akiyoshi-sama«, brachte Shiori mit leicht zitternder Stimme heraus. »Ich weiß, dass es mich nicht überraschen sollte aber das ist ... fürchterlich.«

»Die Narben oder die neuen Wunden?«, wollte Akiyoshi wissen.
»Beides.« Mit sanften Fingern fuhr sie über eine der alten Narben, die er sich vor etwa einem Jahr in einem Kampf verdient hatte. Damals erwischte einer seiner Gegner ihn unvorbereitet heftig, so dass sich nun jene Narbe diagonal über seine Brust zog. Überlebt hatte jener Gegner allerdings nicht. Es brauchte schon mehr als einen ehrlosen Ronin um ihn zu überwältigen.
»Die Quetschungen sehen wirklich nicht gut aus«, fuhr Shiori fort. »Ihr könnt von Glück reden, Eure Rüstung getragen zu haben, so wird bei den meisten wohl nicht mehr als Blutergüsse bleiben. Abgesehen von ein paar neuen Narben, die Ihr Euch ebenfalls wieder verdient habt.«
  »Was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker«, murmelte Akiyoshi. »Nicht immer«, widersprach sie. Kurz sah es so aus, als wolle sie noch mehr sagen, doch dann beließ sie es doch bei einem Schweigen. Stattdessen griff sie in eine ihrer Kimonotaschen und zog etwas heraus.
  »Was ist das?«, erkundigte Akiyoshi sich misstrauisch.

 »Heilkräuter«, antwortete Shiori. »Sie werden Euren Schmerz lindern.«
Akiyoshi zog eine Braue in die Höhe. »Woher weiß ich, dass ich dir vertrauen kann und du nicht zu meinen Feinden gehörst und mich damit töten willst?«
  Shiori verdrehte die Augen. »Weil Ihr nicht tot seid.« Sie seufzte. »Wenn ich Euch hätte sterben sehen wollen, wäre ich Euch wohl auch kaum zu Hilfe gekommen, meint Ihr nicht auch?«
  Akiyoshi nickte. Trotzdem tastete er nach seinem Wakizashi und seinem Katana, die sich immer noch dort befanden, wo sie hin gehörten. In seinem Gürtel. Erleichtert atmete er aus. Dann aber fiel ihm etwas ein. »Du hast gesagt, du bist hierher geritten. Stimmt das?«, neugierig sah er sie an. Es überraschte ihn, immerhin war das Reiten zu Pferd allein den Samurai und der Adelsklasse vorbehalten. Allen anderen war es unter Strafe verboten. Erst Recht Frauen. Streng genommen verstieß Shiori also gegen Gesetze, wenn sie ritt. Und das Gesetz war hart.
  »Ihr habt Recht«, gab Shiori zu. »Es ist das Pferd meines Großvaters. Aber da unser Dorf fernab von jeglicher Zivilisation liegt und wir fast nicht beachtet werden, leih ich es mir ab und an aus.«
  »Du solltest trotzdem vorsichtiger sein«, meinte Akiyoshi tadelnd. Shiori lächelte ihn entschuldigend an. »Ihr ebenso.«

Akiyoshi schüttelte den Kopf. Nicht unbedingt um zu verneinen, sondern mehr, um ihr zu verdeutlichen, dass es für ihn nicht so einfach war, wie sie sich das vielleicht vorstellte, denn als ehrenhafter Samurai hatte er sich dem bushido, dem Weg des Kriegers, verpflichtet. Dieser verlangte von ihm unabdingbare Treue und Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn. Manche würden es möglicherweise niemals verstehen, doch Akiyoshi erfüllte diese Pflicht gerne. Ganz besonders nach allem, was sein Herr für ihn getan hatte.

»Wie auch immer. Wir sollten so langsam los«, riss Shiori aus seinen Gedanken. »Wie gesagt: In solch unruhigen Zeiten sollte man am sich am besten nicht allzu lange im Dunkeln draußen aufhalten. Auch wenn die Gegend hier eigentlich relativ ruhig ist.« Sie hielt inne. »Wo kommt Ihr eigentlich her?«
  »Mikawa«, antwortete Akiyoshi knapp und hoffte, sie würde nicht noch mehr fragen.
  Erstaunt blickte sie ihn an. »Mikawa? Da seid Ihr aber ganz schön weit weg von Zuhause!«
  »Es gibt Dinge, die ich hier in der Gegend zu erledigen habe«, sagte Akiyoshi, in einem Ton, der klar machte, dass er nichts mehr dazu sagen würde.
  Shiori zog skeptisch eine Braue in die Höhe. Für einen Moment sah es aus, als ob sie etwas dazu sagen wollte. Doch sehr zu seiner Erleichterung überlegte sie sich es noch einmal anders. Stattdessen klopfte sie sich den Staub vom hinknien vorhin von ihrem Kimono. Dann steckte sie, sehr zu seiner Überraschung, zwei Finger in den Mund und pfiff laut. Nicht wenige Minuten später raschelte es schon im Unterholz und heraus trat ein dunkelbraunes Pferd mit einer schmalen weißen Blesse auf der Stirn. Es lief auf Shiori zu, nur um sie dann freundlich anzustoßen, als wolle es sagen »hallo, da bin ich wieder«.

  »Hey, Großer.« Shiori lächelte und kraulte ihm kurz die Stirn. Dann wandte sie sich erneut Akiyoshi zu. »Wenn Ihr erlaubt mir ihn vorzustellen, Akiyoshi-sama: Das ist Arashi.«
  Akiyoshi erwiderte ihr Lächeln. »Ist er denn auch wirklich so schnell wie der Wind?«, wollte er amüsiert wissen.
  »Ich würde ja gerne ein Rennen vorschlagen, doch vermutlich wäre das jetzt erstmal nicht das klügste«, meinte sie. »Wenn es Euch besser geht, können wir das aber gerne nachholen.«
  Gerade als Akiyoshi darauf entgegnen wollte, dass er dazu erst einmal selbst nach seinem eigenen Pferd suchen müsste, knackte es erneut im Geäst. Dann ertönte ein freundliches Schnauben. »Hoshi!«, rief er glücklich, als er seinen nachtschwarzen Hengst erkannte, der seinen Namen wegen dem Abzeichen in Form eines Sterns trug, das sich auf seiner Stirn befand. Akiyoshi besaß seinen Hengst nun schon seit ein paar Jahren und bisher hatte er ihm treue Dienste geleistet. Heute war er zum ersten Mal durchgegangen und weggelaufen, andererseits konnte Akiyoshi es ihm nicht übel nehmen, denn so hatte Shiori ihn gefunden.

 »Nun, da auch dies nun geklärt ist können wir uns ja endlich auf den Weg machen«, meinte diese und schwang sich elegant auf den Rücken ihres Pferdes.
  Akiyoshi befestigte mit ein paar Handgriffen den Teil seiner Rüstung, den er jetzt nicht trug, an seinem Sattel. Dann stieg auch er auf sein Pferd, wenngleich er sich dabei viel weniger elegant anstellte als Shiori und er danach erst einmal von der Anstrengung, die ihn das Aufsteigen aufgrund seiner Wunden kostete, tief durchatmen musste.
  »Geht es Euch gut?«, erkundigte sich Shiori. Dann biss sie sich kurz auf die Lippen, als fiele ihr jetzt wieder ein, wie überflüssig ihre Frage war. »Verzeiht mir, Akiyoshi-sama. Natürlich geht es Euch nicht gut, doch ich kann Euch versichern, dass der Weg nicht weit ist. Wir werden sicher noch vor Sonnenuntergang ankommen. Direkt danach könnt Ihr Euch auch ausruhen, das verspreche ich.«

Der letzte Gruss des SamuraiWhere stories live. Discover now