M A X W E L L (6 Jahre)

1.7K 166 33
                                    

Zugegeben, als Sechsjähriger war ich mir ziemlich sicher, dass die große Liebe meines Lebens das Essen von Popeln und das Ärgern meiner kleinen Schwester Emily war – sechs war nunmal kein Alter, in dem man sich existentiellen Fragen über den Sinn des Lebens oder eben der großen Liebe stellte.

Viel wichtiger war da doch die Frage, ob ich meinen Teddy Boomer oder doch lieber Russell, meinen mutigen Sheriff, mit auf den Spielplatz nehmen sollte. Wie so oft fiel auch heute die Wahl auf Russell. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich für Boomer nun doch langsam zu groß war. Schließlich war ich kein kleines Baby wie meine Schwester Emily mehr, und es reichte doch, wenn ich meinen Teddy beim Einschlafen wertschätzte.

Unser Spielplatz um die Ecke war das reinste Abenteuerland. Es gab Klettergerüste, Schaukeln, Rutschen und den größten Sandkasten, den ich mir je hätte wünschen können.

Am Liebsten versteckte ich mich mit Russell in dem kleinen Häuschen unter dem Klettergerüst, da es der perfekte Ort für meinen streng geheimen Club war, in dem ich streng geheime Sachen machte.

Die meiste Zeit konnte ich dem auch ungestört nachgehen, doch heute war es anders. Heute steckte ein kleines, rothaariges Mädchen ihren Kopf durch mein Clubhaus-Fenster. Ihre beiden Zöpfe standen an den Seiten ab und erinnerten mich an einen riesengroßen Propeller.

„Was machst du denn da?", fragte es mit quiekender Stimme. Unter ihrer Nase klebte Sand und ein bisschen Rotze, ihre Wangen waren rot vom Toben.

„Geheime Sachen", ließ ich sie wissen.

„Darf ich mitmachen?" Mit einem Schniefen zog sie weitere Rotze zurück in die Nase.

„Mädchen haben keinen Zutritt." Damit war die Sache für mich erledigt.

„Warum nicht?", blieb sie aber dran.

„Weil nur Jungs streng geheime Sachen machen dürfen."

„Blödsinn", maulte sie. „Ich mache auch streng geheime Sachen."

„Welche denn?"

„Das ist geheim!" Sie zuckte mit den Schultern und wollte gerade gehen, doch ich rief ihr hinterher.

„Hey, du! Wenn ich dich reinlasse, sagst du es mir dann?"

Das Mädchen kam zurück an das Fenster gehüpft. „Wenn du mir dann sagst, welche geheimen Sachen du machst, dann okay."

„Okay." Ich schnappte Russell und öffnete die schmale, hölzerne Tür meines Häuschens.

Das rothaarige Mädchen kletterte in mein Clubhaus. Aus ihrer viel zu großen Latzhose rieselte Sand auf den Holzboden. In ihren zarten Fingern hielt sie einen Teddy, der Boomer zum Verwechseln ähnlich sah. Sie war also nicht nur ein Mädchen, sondern auch noch ein Baby. Pah!

„Und? Was machst du für streng geheime Sachen?", wollte ich wissen und verschränkte meine Arme vor der Brust.

„Ich gründe gerade einen Club", quiekte das Mädchen. Erst jetzt entdeckte ich ihre Sonnensprossen um ihre verrotzte Nase herum.

„Was für einen Club?"

„Einen Club für geheime Sachen."

Sofort sprang ich auf. „Das kannst du nicht, das habe ich doch schon!"

„Kann ich dann bei dir mitmachen?", fragte sie aufgeregt.

„Nein!", stieß ich entsetzt hervor.

„Schön, dann kannst du eben auch nicht bei mir mitmachen." Das Mädchen streckte mir ihre Zunge entgegen. 

„Du kannst aber gar keinen Club gründen!"

„Und warum nicht?"

„Weil man dafür einen Jungen braucht. Mädchen können sowas nicht."

Das Mädchen legte ihre Stirn in Falten. Sie schien zu grübeln. „Kannst du dann vielleicht meinen Club mit gründen?"

„Hm." Ich schaute zu Russell. Er starrte zurück. „Okay. Ich denke, das wird gehen."

Wie eingangs erwähnt... als Sechsjähriger stellte man sich nicht die Frage nach dem Sinn des Lebens oder der großen Liebe. Dass dieses verrotzte Mädchen aber beides für mich werden würde, das konnte ich an dem Tag, an dem wir unseren Club gründeten, ja kaum ahnen. 

Ein Date mit den Sternen | ✔︎Where stories live. Discover now