Kapitel 1

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Lautlos trat Sie aus dem Wald und betrachtete die Szenerie. Das Haus. Noch immer hielt der Mond sein schillerndes Antlitz hinter dunklen Wolken versteckt, der wind war mittlerweile jedoch abgeflaut. Als ob auch er nicht hier sein wollte. Wenn sie recht hatte mit ihrer Vermutung, dann war diese Dunkelheit alles andere als natürlichen Ursprunges. Das spielte allerdings gerade eine nebensächliche Rolle. Sie musste sich jetzt auf das wesentliche konzentrieren. Ihre Freunde, die sich im Haus befanden. Mit diesem psychopatischen Monster. Obwohl sie es nicht wollte, schlich sich ein kleines lächeln auf ihre Lippen. Wenn man die Situation betrachtete, in der sie sich gerade befand, eher etwas unpassend. Und dennoch... Sie konnte nur hoffen, dass der Entführer sie längst bemerkt hatte und reiß-aus genommen hatte. Um seinetwillen.

Nur noch die ungepflasterte Wald-straße trennte sie von dem idyllischen Haus auf der Lichtung. Unter diesen Umständen wirkte es höchstwahrscheinlich weniger einladend, vielleicht auch ein wenig bedrohlich. Jedoch nicht für sie. Sie war aufgeregt. Klar, sie machte sich sorgen um ihre Freunde, aber sie ließ sich davon nicht beherrschen. Und sie würde endlich die Chance haben alle im real-life kennen zu lernen. Und die Chancen standen gut, dass er auch noch hier war. Bei dem Gedanken daran, diesen Mist Kerl endlich in die Finger zu gekommen, wurde ihr lächeln noch ein wenig breiter. Diabolischer. Sie glaubte nicht, dass er sie bemerkt hatte. Nach dem der Anruf abgebrochen war, war sie zwar so schnell wie möglich hergekommen, sie war aber vorsichtig gewesen. Hatte sich vor allem und jedem verborgen.

Leise setzte sie sich wieder in Bewegung. Genau wie zuvor auch im Wald verursachten ihre Schritte kein Geräusch. Sie atmete tief ein, lauschte. Sie konnte die Angst riechen. Sie erfüllte jede Ecke des Hauses, so präsent, dass sie schon fast sichtbar war. Sie befanden sich alle noch dort. Sie konnte sie riechen. Zwei Männer. Thomas und Dan. Drei Frauen. Jessy, Lili und Cleo. Doch verletzt schienen sie nicht zu sein. Blut konnte sie jedenfalls nicht riechen, dafür den ruß. Er musste von der Pistole kommen. Jemand schien damit geschossen zu haben, ohne jemanden getroffen zu haben. Sie war dem Haus nun noch nähergekommen. Sie konnte das leise wimmern weiblicher stimmen hören. Vielleicht Jessy oder Lilli, dass konnte sie nicht so genau sagen. Das war das, was sie an der Dunkelheit immer schon besonders geschätzt hatte. Sie schärfte ihre sinne. Und sie konnte ihn riechen. Ihn spüren. Seine Überheblichkeit, seinen Wahnsinn. Und noch etwas anderes, etwas Böses. Sie rümpfte die Nase. Jemandem mit so verdorbenem Charakter war sie noch nie begegnet.

Sie wollte gerade die Türklinke runter drücken, als ihr Handy in der Hosentasche ihrer Schwarzen Jeans zu vibrieren begann. Sie blieb stehen. Ein Video Anruf. Von einer unbekannten Nummer. Der Entführer. Glücklicherweise hatte sie daran gedacht es lautlos zu stellen. Sie nahm ab, stellte sicher das ihre Kamera ausgeschaltet war, sagte jedoch nichts. Das hatte sie bis jetzt noch nie getan. Kein einziges mal hatte sie ihm geantwortet. Auf dem Bildschirm erschien sein Gesicht, Verdeckt von dieser lächerlichen Maske. Dann drehte er die Kamera und richtete sie auf die gruppe. Sie befanden sich immer noch im selben Raum seit dem der Anruf abgebrochen war. Jessy und Cleo saßen zitternd dort, krallten sich ängstlich an einander. Lilly war bei Thomas, beide wahren wie erstarrt. Auch aus ihren Augen sprach die Angst, und noch etwas anderes. Unendlicher hass und Zorn auf den Entführer, die Person die ihnen Schwester und Partnerin genommen hatte. Einzig bei Dan schien die Angst nur nebensächlich zu sein. Er stand zwischen dem Entführer und dem Rest der gruppe, sein blick von Wut und Verzweiflung verzerrt. Sie konnte ihn wirklich gut verstehen. Er wollte sie alle beschützen, er war nun einmal so jemand. Und doch war er an seinen Rollstuhl gefesselt, zum nichts tuen verdammt.

Die behandschuhte Hand des Entführers schob sich nun ins Bild. In seiner Hand hielt er eine Pistole. Die Pistole, welche überhaupt der Anlass zu eben jenem Video Anruf gewesen war. Jener Anruf der damit begann das Cleo die Pistole fand. Dann kam der Anruf auf dem Handy der vermissten Hanna Donfort. Und dann ein schrei, ein Schuss und schließlich schwärze.

Er hielt die Pistole auf ihre Freunde gerichtet. Er wollte ihr wohl Angst machen. Nur mit Mühe unterdrückte sie ein abfälliges schnauben. Wieso sollte sie sich vor einem albernen Mann mit Sack auf dem Kopf und dämlich verstellter Stimme fürchten? Die Pistole war schon etwas besorgniserregend, das musste sie zugeben. Jedoch nur auf ihre Freunde bezogen. Und da der Raum, in dem sie sich befanden, lediglich am Ende des Ganges war würde sie schnell genug eingreifen können, bevor er abdrücken könnte. Außerdem wusste sie, dass er sich zeit lassen würde. Um sie alle auf die Folter zu spannen. Sie leiden zu lassen.

Immer noch stand sie regungslos an der Tür. Immer noch lag ihre Hand auf der Türklinke. Und dann begann Er mit seiner dämlich verstellten Stimme zu sprechen. „Ich habe dich gewarnt. Sogar mehrmals. Doch du wolltest nicht hören. Hast meine Gnade ignoriert. Dachtest wohl, dass alles wäre nur ein spiel." Seine Stimme überschlug sich fast vor Wut und Wahnsinn. „Du erinnerst dich doch sicher noch an das Versprechen, das ich dir gegeben habe?" kurz hielt er inne- schien eine Antwort von ihr zu wollen. Als sie stumm blieb fuhr er fort. „Ich hatte dir versprochen das ich sie holen würde. Und das du dabei zusehen darfst, wenn ich es tue. Und weil ich so ein ehrlicher Mensch bin halte ich mich natürlich an meine Versprechen" Aufregung und Freude waren der Wut in seiner Stimme gewichen. Sie war sich ziemlich sicher, dass er unter seiner Maske lachte. Genau wie auch ihre Lippen ein grinsen umspielte. Der arme – er hatte ja keine Ahnung was ihm bevorstehen würde, sollte er tatsächlich abdrücken.

Langsam, in einer über dramatischen Geste richtete er den Lauf der Pistole auf Dan. Legte seinen Finger auf den Abzug. Jessy begann unkontrolliert zu schluchzen. Dan starrte ihn nur stumm an. „Nummer 1". „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun." Ihre Stimme klang eiskalt, gnadenlos. „Ich weiß wer du bist. Was du bist. Und ich weiß wie ich dich vernichten kann." Mit diesen Worten legte sie auf und öffnete die Tür. 

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