Kapitel 1

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Mit meinem Kaffee in der Hand verließ ich ein kleines Café und machte mich auf den Weg zur Arbeit. Meine Handtasche baumelte an meiner rechten Seite und schlug mit jedem Schritt gegen meinen Oberschenkel. Unter meinem linken Arm klemmten zwei schmale A3 Ordner.

Um nicht zu spät zu kommen, beschleunigte ich meine Schritte, um noch bei Grün über den Zebrastreifen zu gelangen. Wenn mein Auto letzte Woche nicht geklaut worden wäre, wäre ich jetzt nicht spät dran. Wahrscheinlich würde ich mein Auto auch nicht wieder sehen. Meiner Meinung nach war es kein gutes Zeichen, wenn man nach einer Woche immer noch nichts gehört hatte. Zu meinem Pech hatte mein Wecker aufgrund eines Stromausfalls nicht geklingelt und ich hatte verschlafen. Zum Glück hatte Samy mir eine Nachricht geschickt und das Vibrieren neben meinem Kopf hatte mich schließlich geweckt.

Ein letzter Blick auf die Ampel bestätigte mir, dass es noch Grün war, also ging ich mit schnellen Schritten über die Straße.

Doch weit kam ich nicht. Plötzlich lag ich auf dem Boden und ein heftiger Schmerz schoss durch mein Bein und mein Kopf dröhnte. Irritiert blickte ich mich um. Eine kleine Gruppe von Menschen hatte sich bereits um mich herum versammelt und starrten zu mir herunter. Nur eine junge Frau hatte genug Anstand um sich neben mich zu knien und mich zu fragen ob alles ok war.

„Ist alles ok mit Ihnen?", fragte sie mit sanfter Stimme und legte ihre Hand auf meinen Arm. Doch bevor ich reagieren konnte, hörte ich eine tiefe Stimme.

„Sind Sie noch ganz dicht?" Die laute Stimme und der harsche Ton ließen mich zusammen zucken. Der Typ aus dem Auto stand plötzlich neben mir und schaute wütend auf mich herab.

„Ist das Ihr ernst, Sie Arsch? Sie sind bei Rot über die Ampel gefahren, haben mich angefahren und haben noch den Nerv mich anzuschreien? Im ernst?" Fassungslos starrte ich ihn an. Das war echt nicht zu glauben. Wie unverschämt musste man sein um ein Opfer so anzufahren?

Als ich versuchte aufzustehen, fuhr ein starker Schmerz durch mein Bein. Plötzlich war mir Schwindelig und ich verspürte leichte Übelkeit.

Vorsichtig legte ich meine Hand an meinen Knöchel. Er war jetzt schon geschwollen und pochte schmerzhaft. Na toll! Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Falsch gedacht. Mein Kaffee war während meines Falls ausgelaufen. Und zwar auf meine neue Bluse und meine Unterlagen. Der Absatz meines Schuhs war abgebrochen und meine Hände aufgeschürft.

Erbost blickte ich zu ihm auf. In sein unverschämt attraktives Gesicht. Auch er blickte mich an. Doch ich konnte nicht erkennen was er dachte oder fühlte. Nur sein Mund war leicht verkniffen. Plötzlich kniete er neben mir und schob seine Arme unter meinen Körper und hob mich mit einer fließenden Bewegung hoch. Erschrocken keuchte ich auf und schlang automatisch meine Arme um seine breiten Schultern.

„Was machen Sie da? Lassen Sie mich runter." Doch er hörte nicht auf mich. Er lief auf sein Auto zu und öffnete die Tür. Überraschend vorsichtig setzte er mich ins Auto und schloss die Tür. Irritiert schaute ich ihm dann dabei zu, wie er meine Unterlagen und Handtasche aufsammelte und sie im Kofferraum verstaute.

Als er dann endlich neben mir im Auto saß und den Motor startete, schaute ich ihn entsetzt an.

„Wo bringen Sie mich hin?" Obwohl ich versuchte nicht in Panik zu geraten, schlug mein Herz immer schneller. Schleichend machte sich die Panik in mir breit.

„Keine Sorge. Ich bringe Sie nur ins Krankenhaus. „

„Ist ja auch das Mindeste was Sie tun können.", murmelte ich leise.

„Was haben Sie gerade gesagt?"

Ich schaute aus den Augenwinkeln zu ihm rüber. Seine Hände waren so verkrampft, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Er hatte ganz genau verstanden was ich gesagt hatte.

„Sie haben mich schon verstanden." Böse blickte er zu mir rüber.

„Sie sollten lieber auf die Straße sehen bevor Sie noch jemanden umfahren."

Eigentlich war ich nicht so zickig, doch irgendwie reizte mich dieser Mann und ich wollte ihn weiter provozieren. Als ich ein Knurren hörte, schaute ich ihn überrascht an. Hatte er gerade geknurrt? Nein. Nur Tiere knurrten. Vielleicht kam das Geräusch vom Auto. Oder er hatte mit seiner Fahrweise gerade ein unschuldiges Tier platt gemacht. Ich hoffte wirklich das Ersteres zu traf.

Den Rest der Fahrt schwiegen wir. Als er das Auto an der Straßenseite parkte, riss ich die Tür auf und stieg aus. Doch ich hatte nicht mit meinem Fuß gerechnet, denn kaum berührt er den Boden, war ich auch schon umgeknickt und hockte wieder auf dem Boden.

„Verdammt! Was machen Sie da?"

Er klang mehr als nur genervt. Als ob er mit einem kleinen, unartigen Kind reden würde. Während ich mich am Auto abstützte und versuchte auf die Beine zu kommen, stieg er aus und stellte sich neben mich. Vorsichtig legte er den Arm um meine Mitte und zog mich nah an seinen Körper.

„Sie müssen mich nicht so nah an sich heran ziehen. Ich schaffe das schon alleine." Ich versuchte ihn von mir zu drücken, doch er bewegte sich keinen Millimeter.

„Wollen Sie etwa ins Krankenhaus kriechen?", fragte er mit einem Stirnrunzeln im Gesicht.

Als ich darauf nichts erwiderte, schüttelte er nur den Kopf.

„Stures Weib." Wie bitte? Hatte er mich gerade stur genannt? Doch bevor ich etwas darauf erwidern konnte, hob er mich wie vorhin bereits auf die Arme und trug mich durch die Schiebetür in den Empfangsbereich.

„Diese junge Frau ist hingefallen und hat sich wahrscheinlich den Fuß verstaucht." Nicht zu fassen. Jetzt log er auch noch das Personal an. War das jetzt unverschämt, selbstbewusst oder dumm? Schließlich würde ich die Wahrheit sagen wenn mich jemand nach dem Unfallhergang fragen würde.

„Oh! Mr. Cutler. Wir haben Sie lange nicht mehr hier gesehen. Bringen Sie die junge Dame in Untersuchungsraum 3. Sie wissen ja wo es ist. Oder brauchen Sie einen Rollstuhl?"

„Das ist nicht nötig. Falls mein Vater gerade frei ist, soll er sich bitte bei mir melden. Ich möchte noch etwas mit ihm besprechen während ich auf die junge Frau warte."

„Natürlich." Die ältere Frau griff nach einem Hörer und wählte eine Nummer. Doch anstatt auf eine Antwort zu warten, ging Mr. Cutler los und trug mich durch unzählige Korridore. Seine starken Arme hielten mich fest und sicher in der Höhe, ohne ein einziges Mal zu zittern. Entspannt lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter. Da ich schon mal auf Händen getragen wurde, beschloss ich es zu genießen. Schließlich wusste ich ja nicht wann ich das nächste Mal so zuvorkommend behandelt werden würde. An einer breiten Tür mit einer blauen drei blieb er stehen. Um ihm zu helfen streckte ich den Arm aus und öffnete sie.

„Danke." Er setzte mich vorsichtig auf einem Untersuchungstisch ab und ging wieder raus. Ein letztes Mal steckte er den Kopf hinein.

„Sie sollten Ihren Chef anrufen und Ihm sagen, dass Sie heute nicht zur Arbeit kommen werden. Ich warte solange hier draußen und fahre Sie dann nach Hause."

Bevor ich etwas erwidern konnte, fiel die Tür wieder ins Schloss und er war verschwunden. Ich tastete meine Rocktaschen ab und war erleichtert als ich die Konturen meines kleinen Handys fühlte. Zumindest war es mir während des Unfalls nicht aus der Tasche gefallen. Die Uhr zeigte 9:13 Uhr an. Ich war schon mehr als eine Stunde zu spät. Als ich es entsperrte, sah ich, dass ich drei verpasste Anrufe hatte. Zwei von meiner Sekretärin und einen von meinem Chef. Resigniert drückte ich auf seine Nummer und wartete bis er abnahm.

„Miss Franklin, schön dass Sie zurückrufen. Ihre Sekretärin hat mir mitgeteilt dass Sie nicht zur Arbeit erschienen sind."

Ich versuchte ihm kurz und klar zu schildern was passiert war und ihm schonend beizubringen, dass ich heute nicht mehr kommen würde.

„Das ist kein Problem. Der Kunde hat gerade angerufen und seinen Termin verschoben. Also können Sie sich heute einen entspannten Tag machen und sich von ihrem Unfall erholen."

(Überarbeitet am 18.02.2018) follow, vote, comment & share :)

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