Creme-Gold-Bitter und Süß-Türkis-Silber

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Daichis Lachen war der Soundtrack zu Sugas Leben. Bis er es nicht mehr war.
Wenn er an seine Highschooljahre dachte, dachte er an das angenehme, vollmundige und trotzdem leicht klingelnde Lachen, Daichis echtes Lachen, und an den Fokus auf seine schmalen, leicht spröden Lippen.

Suga wusste nicht wann sich sein Fokus verändert hatte, und noch weniger wusste er, wann es aufgehört hatte wehzutun. Ob es überhaupt je komplett aufgehört hatte wehzutun.
Er war über Daichi hinweg, schon lange. Die was-wäre-wenn-Szenarien, die ihm früher pausenlos durch den Kopf schwirrten waren vergessen. Er lebte schon lange nicht mehr zu dem Lachen seines besten Freundes und doch, in diesem Moment, in dem etwas zu engen Eingangsbereich seiner Wohnung, fühlte er sich wieder wie siebzehn.
Er war über Daichi hinweg, schon lange, doch als er die Einladung zu seiner Hochzeit öffnete, war die Erinnerung an den Schmerz frisch.
Sie bestand aus schwerem, cremefarbenen Papier, die Schrift goldfarben, aber trotzdem schlicht, mit hübschen Mustern am Rand.
„Daichi & Michimiya" stand groß in der Mitte, und eigentlich überall, in der Farbe und Form der Schrift, in den hübschen Mustern am Rand, auf die Daichi alleine nie gekommen wäre und in der Wunschliste auf der Rückseite. Pragmatisch wie immer. Alles an der Einladung schrie Michimiya, wo nie Platz für Suga gewesen war.
Suga sollte Trauzeuge sein. Nicht überraschend, trotz der Entfernung, die verschiedene Universitäten mit sich gebracht hatten, standen sie sich noch immer nah.
Es erinnerte Suga an ein Gespräch zwischen ihm und Daichi, eines Nachts, irgendwann in ihrem dritten Jahr. Sie waren in Daichis Zimmer, nach einem langen Nachmittag voller Lernen und es war spät geworden, weswegen Suga entschieden hatte über Nacht zu bleiben. Bevor er anfing zu sprechen, hatte Daichi so lange geschwiegen, dass Suga dachte er wäre bereits eingeschlafen. Doch seine Stimme klang wach und ernst.

„Wenn... falls ich heirate, wirst du mein Trauzeuge."

„Schaffst es wohl nicht ohne mich.", witzelte Suga, blieb jedoch von Daichi weggedreht, damit dieser seine feuchten Augen nicht sehen konnte. Es war dunkel, aber Suga wollte nichts riskieren.

Daichis Antwort war kurz und genauso ernst wie die vorangegangene Feststellung: „Ja."

Suga hatte mit einem bitteren Lächeln die Tränen zurückgehalten, zusammen mit der Frage, ob es nicht auch reichen würde, wenn er mit Daichi gemeinsam am Altar stand. Stattdessen sagte er: „Dann mach dich schonmal auf die peinlichste Trauzeugenrede deines Lebens gefasst."

Daichi lachte, sein echtes, vollmundiges Lachen, dann breitete sich Stille aus. Eine einzelne Träne schaffte es, sich aus Sugas Auge zu lösen und still auf das Kissen zu tropfen. Es war die einzige in dieser Nacht, aber nicht die einzige um Daichi.
Suga war über Daichi hinweg, schon lange, und er vermisste die Zeit in der er es nicht so war absolut nicht. Doch manchmal vermisste er, was hätte sein können. Vielleicht in einem anderen Leben.
Als sich ein Schlüssel im Schloss drehte und die Tür öffnete wurde Suga aus seinen Gedanken gerissen. Mit einer weiteren Person im Flur wurde es nochmal enger.

„Oi, was hast du da?", fragte Oikawa, und Suga erinnerte sich, dass er kein anderes Leben brauchte.

„Daichi hat mich und mein +1 zu seiner Hochzeit eingeladen.", antwortete Suga mit einem sanften Lächeln, blickte zu Oikawa auf, der seine angelaufenen Brillengläser säuberte und zeigte ihm die Einladung.

„Pff, was für eine spießige Karte, aber was erwartet man auch von Dai-chan. Wie heißt seine Verlobte nochmal? Naja, egal, wir brauchen was zum Anziehen!", plapperte Oikawa.

„Wer sagt denn, dass ich dich und nicht Hajime mitnehme?", stichelte Suga.

„Gemein! Iwa-chan hat keinen Sinn für sowas!", beschwerte sich Oikawa, während sie endlich aus der Enge des Flurs in die offene Wohnküche traten.

Suga warf noch einen letzten Blick auf die Einladung, bevor er sie auf der Küchenarbeitsfläche ablegte. Ohne weiter auf Oikawas Beschwerde einzugehen, begann er zu überlegen: „Meinst du silber als Krawatte und Einstecktuch ist zu viel bei meiner Haarfarbe? Oder komplimentiert sich das gerade... hmm, oder vielleicht orange, als Hommage an unsere Zeit an der Karasuno?"

Gespielt eingeschnappt reckte Oikawa das Kinn in die Höhe, die Arme verschränkt.

„Mir egal was du machst, ich möchte eine türkisfarbene. Mit Aliens drauf."

Suga lächelte in sich hinein, während er sich von hinten an seinen abgewendeten Partner anschlich und seine Arme um ihn schlang.

„Keine Angst, ich nehme nicht Hajime mit und auch keine orangefarbene Krawatte", sprach er zwei Dinge aus, die sie beide schon wussten, „aber wir könnten im Partnerlook gehen. Du mit Türkiser Krawatte, von mir aus mit Aliens, und silbernem Einstecktuch, und bei mir umgedreht."

Dem Anderen schien seine Idee zu gefallen, denn er drehte sich langsam in Sugas Umarmung um, sodass dieser sich nun an dessen Brust schmiegte und drückte ihm einen sanften Kuss auf die hellen Haare.

„Sehr gerne", flüsterte er gegen Sugas Haar. Suga lächelte und schaute auf, um Oikawa noch einen richtigen Kuss zu geben.

Er war über Daichi hinweg, schon lange. Alles, was er in Daichi vergeblich suchte, hatte er in Oikawa gefunden. Er war glücklich.

Take me to churchWhere stories live. Discover now