Aller Anfang ist schwer

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11. August 2018

Deria Morgenstern wurde zum heutigen Zeitpunkt 17 Jahre alt. Ihre gesamte Familie stammte aus Deutschland, doch ihr Zuhause war Japan. Seit sie ein kleines Mädchen von gerade mal 8 Jahren war, wurde sie aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten von ihrer Familie verstoßen. Es machte ihnen Angst, wozu sie im Stande war.
Wie sie hierher kam, hatte sie nur zu gut in Erinnerung. Ein damaliger Freund der Familie, selbst ein Jujuzist, erkannte ihre Begabung. Auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie genau Deria diese geerbt haben sollte, wenn es in ihrer Familie noch nie einen Jujuzisten gab. Zumindest keinen bekannten.

Kurz später stimmte ihre Familie zu, Deria in die Obhut ihres Freundes zu geben, der versprach, sich gut um sie zu sorgen. Wenn das nur gestimmt hätte. Tagelang war Deria alleine Zuhause. Sie konnte sich nur damit ablenken, mit ihren Fähigkeiten zu spielen. Jeden Tag saß sie im kleinen Vorgarten auf dem Gras. Es war kalt und nass, doch das hinderte sie niemals. Wie immer konzentriere sie sich auf einen bestimmten Grashalm, welcher sich kurz daraufhin schwarz verfärbte und dann zu Staub verfiel. Oft nahm sie kleine Marienkäfer oder Schnecken in die Hand, wollte ihnen ein Zuhause bauen, doch wurde damit enttäuscht, dass sie reglos zur Seite kippten. Was machte sie nur falsch? Sie stand auf und rannte hinein.
Dort angekommen schraubte sie von einer Wasserflasche den Deckel ab, füllte etwas klares Wasser hinein und lief mit Vorsicht und Bedacht schnell wieder zu ihrem Rückzugsort. Den Deckel stellte sie auf dem Gras ab.
„Na komm Kleiner.. Ich tu dir doch nichts!" Mit zitternder Hand ließ sie einen Käfer auf ihren kurzen Finger laufen, drehte sich zum Deckel und ließ ihn schnell davor ab. „Hast du keinen Durst?" Ein trauriger Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Hallo? Käfilein?" Schmollend stupste sie ihn an. Doch er war nur wie alle anderen reglos in sich eingesunken. Mit feuchten Augen starrte sie auf ihre kleinen, mit Erde beschmierten Hände.
Vor Wut haute sie mit ihren Fäusten auf den Boden und tötete dabei versehentlich eine Schnecke.

Dies war nur ein Vorfall von vielen, der sich beinahe täglich ereignete. Wenn Deria nicht draußen war, saß sie in ihrem kahlen Zimmer auf dem Bett und las dieselben Bücher wie schon eh und je. Sie konnte sie beinahe auswendig. Ihr war sterbenslangweilig. Und sie vermisste ihre Mama. Und ihren Papa. Sogar ihre nervige kleine Schwester Anna, die ihr immer die Aufmerksamkeit ihrer Eltern geraubt hatte. Die immer geheult hat, nur um sie zu zwingen, das Zimmer dass sie sich geteilt hatten, aufzuräumen. Doch sie wollten sie nicht mehr. Sie haben sie fortgeschickt. Sie konnte doch gar nichts dafür. Das kleine Mädchen brach in Schluchzen aus.

Ein solches Leben war für ein Kind einfach ungeeignet.
Die kleine Deria war unschuldig.

Manchmal verkroch sie sich unter ihr Bett oder in ihrem Kleiderschrank. Dort versteckte sie sich, auch wenn es niemanden gab, der sie suchen würde. Außer vielleicht Naohito. Naohito Ito war der Freund der Familie, in dessen Obhut sie sich befand. Er kam gebürtig aus Japan, lebte sein halbes Leben aber schon in Deutschland. Er war nett wie Deria fand. Wenn er da war, kochte er ihr Speisen aus seiner Heimat, die sie lecker fand. Und wenn er nicht da war, sollte sie sich einfach am Kühlschrank bedienen. Es war vielleicht nicht sonderlich verantwortungsvoll, eine 8-jährige tagelang sich tagelang von Schokolade, Glückskeksen und halb gefrorenen Frühlingsrollen ernähren zu lassen. Doch er hatte keine Wahl. Er war oft auf Missionen gegen Flüche. Man mag es kaum glauben, doch in einem vom Groll geprägten Land wie Deutschland gab es mehr negative Energie und Flüche, als gedacht. Naohito war einer der wenigen Jujuzisten, die in Deutschland existierten.

Eines Tages war es soweit, dass Naohito entschied, mit Deria in seine Heimat zu gehen. Er versprach, er hätte mehr Zeit für sie, und dass Japan ihr sicherlich gefallen würde. Sie würden in der Stadt leben, in Tokyo. Dort wäre immer etwas los. Sogar fast schon zu viel, wie er meinte. Gerade lebten sie nämlich auf dem Land umgeben von einem großen Wald. Weit und breit nichts außer Bäumen und Feldern.
Deria konnte bei all diesen Vorschlägen nicht anders, als sich auf den Umzug zu freuen. Sie wusste nicht, dass Japan ungefähr 9.000 Kilometer von Deutschland entfernt war. Doch selbst wenn, hätte sie sowieso keine andere Wahl gehabt. Sie war sich ziemlich sicher, ihre Familie nie wieder zu sehen. Langsam aber sicher entwickelte sich ein Hassgefühl, und sie hörte auf, nach ihren Eltern zu fragen. Naohito empfand das als etwas beunruhigend und tat sein bestes, ihr ein guter Ersatz zu sein. Doch auch er wusste, dass er in diesem Thema vielleicht ein wenig unfähig war. Er wusste einfach nicht das gut und schlecht für ein Kind war.

Wenn die Dunkelheit mich nicht einholtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt