Die Flucht

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Ich erwachte aus einem qualvollen Traum. Der Wind ließ die Regentropfen gewaltsam gegen das Fenster meines Zimmers prallen. Ich wälzte mich in meinem Bett, sodass ich direkten Blick zu meinem Fenster hatte und beobachtete, abwechselnd, die sich wie verrückt umherschwingenden Äste der vielen Bäume und dessen Schatten in meinem Zimmer. Ich hatte letzte Nacht vergessen die Rollläden runter zu machen. Nach dem ewig langem Gespräch mit meiner Schwester Grace und meinem Vater, sehnte ich mich nur noch nach Schlaf und ließ mich ungeduldig in mein Bett fallen.

Die Blitze ließen mein Zimmer einen kurzen Moment lang erhellen. Ich hasse Gewitter. Angst verbreitete sich in mir. Ich schob mich weiter unter die Decke Vielleicht nimmt mir diese ja die Angst vor dem Gewitter.  Mein Blick wandte sich ab von den Bäumen und meine Konzentration richtete sich auf meine Wände. Bilder fehlen hier eindeutig! Ich hoffe wir haben meine Bilder nicht zurückgelassen in unserer kleinen Hütte, welche wir unser Zuhause nannten. Da fühlte ich mich nie wirklich Wohl, egal wo ich hinging, immer begleitete mich meine Angst. Egal wo ich hinblickte, ich sah in allem das Negative. Erst recht in den Gesichtern der Menschen. Das waren die Schlimmsten an all der Sache. Freunde hatte ich nie wirklich, alles, was die Menschen, die sich meine Freunde nannten von mir wollten, war Aufmerksamkeit, welche sie anscheinend in ihren Familien oder sonst wo nie bekamen. Sie wollten mich alle kaputt machen, was sie erfolgreich hinbekamen. Aber hatte mich je einer von ihnen gefragt, wie ich auf diese Welt blickte? Hatten sie mich je gefragt wie es mir ging? Es war einseitig, egal welche Tat, egal welchen Schritt ich wagte, auf eine Person zu, alles war einseitig. Da blieb ich lieber alleine. In der Schule war dies nicht anders. Jeden Tag musste ich mir Beleidigungen anhören, jeden Tag musste ich mir Schubsereien antun und nie hatte sich einer Gedanken drum gemacht, wie es mir dabei hätte ergehen würde. Meine Fehlstunden waren Abhängig von den Menschen, nur meine Noten waren dies nicht. Ich war die Beste in meinem Jahrgang. War dies der Grund, warum mich alle hassten?

Wir waren vor ein paar Tagen erst hier her gezogen. In dem kleinen Örtchen, voll mit Erinnerungen hatten wir drei das nicht mehr ausgehalten. Es hagelte Diskussionen mit all unserer Familie, aber wir mussten tun, was das Beste für uns war. Es war eine Qual, die nicht mehr zu ertragen war. Stille herrschte an egal welchen Orten dieses Hauses, zu egal welcher Zeit. Selbst Gespräche waren wie Stille, als sie da war, war dies unvorstellbar. Unsere Gespräche waren voll mit Elan und Freude. Sie hat Leben in unser Haus gebracht. Gespräche haben wir auch nur noch nach Notwendigkeit geführt, keiner verspürte die Lust nach Austausch, keiner verspürte die Kraft auch nur ein Wort freiwillig von sich zu geben. Zu unserem Glück, haben wir diese Zeit alle Zuhause verbracht. Wie mein Vater und meine Schwester es auf der Arbeit ausgehalten hätten wäre fraglich und praktisch unmöglich. Schließlich arbeiteten sie in der selben Firma, wie sie. Ich hätte es in der Schule nicht ausgehalten, zu meinem Glück hatten wir derzeit Schulferien, trotz alledem wäre ich in meinem Bett geblieben. Die Kommentare der Menschen hätte ich mir nicht mehr länger anhören können. Laut Grace wären das alles Neider, dumme Neider wenn sie meinen sie erreichen damit etwas. Naja mehr oder weniger haben sie das auch, aber bei meinem Glück, blicke ich keinem, aber wirklich keinem mehr ins Gesicht!

Ich verließ diese Schule, ohne zu wissen, es wäre mein letzter Tag dort gewesen. Ich verließ sie jeden Tag mit einem Lächeln. Das war ich den Menschen dort schuldig, oder? JA. bestimmt war ich ihnen das schuldig, anscheinend störte sie meine Anwesenheit so sehr.

Der Tod meiner Mutter war für uns alle unerklärlich. Wir waren dem Rest der Familie immer die wichtigste Priorität, somit auch der Tod meiner Mutter. Für uns war sie ein Diamant in der Lawine von Steinen. Sie war das, was die ganze Familie zusammen hielt. Sie war der wichtigste Bestandteil unserer Familie. Sie war mit keinem Menschen auf dieser Welt zu vergleichen, sie hatte uns Sachen ermöglicht, die wir uns nicht mal hätten vorstellen können, auch nicht, wären wir am Träumen. Ihr Lächeln erweckte unsere Welt zum strahlen. Mit dem Verlust an ihr verblasste unsere Welt. Und den Glauben daran je wieder Farbe in diese zu bekommen verlor ich auch. Sie schien immer so glücklich, meine Tante brachte den Verdacht an einem Mord hervor, aber sie war ein liebevoller Mensch, also wieso sollte jemand so einen großen Hass gegenüber einer Person verspüren, welche so war, wie sie? Und Beweise dafür hätten wir sowieso nicht. Ein Selbstmord war auch ein sehr unwahrscheinlicher Weg. Sie genoss jeden Moment ihres Lebens, jeden Atemzug. Sie war dankbar für alle schönen, sowohl als auch schlechten Momente in ihrem Leben.

Ich nenne diesen kurzfristigen Umzug die Flucht, die Flucht vor Erinnerungen, die Flucht vor Schmerzen, die Flucht vor dem Grauen. Auch, wenn uns alles weiterhin begleiten wird. Es ist Zeit für ein neues Kapitel ohne sie. Ein neues Kapitel, ohne die Frau meines Vater, ohne die Frau, die zwei Töchter auf diese Welt setzte.

Mein Blick löste sich nun endlich von meiner leeren und kühl scheinenden Wand und ich blickte auf den Wecker auf meiner kleinen Kommode, eher gesagt das marmorierte Brett, welches an der Wand neben meinem Bett hing.

06:43 Uhr

Ich griff um mich herum, um nach meinem Handy zu suchen. Nach kurzer Zeit gab ich es auf und schaltete die kleine Nachttischlampe, die auf der Kommode stand an. Keine Spur von meinem Handy, es war nicht unter meinem Kopfkissen, nicht auf der Kommode. Ich stand auf und lief in die Küche, ohne meine Mutter fühlte es sich nicht gleich an, selbst um diese Uhrzeit stand sie bereits total motiviert für den Tag mit ihrer Kaffeetasse herum. Sie hatte immer ein Lächeln in ihrem Gesicht. Ihre braunen voluminösen Haare belebten ihr Erscheinen noch viel mehr. Die Farbe und das Volumen habe ich eindeutig von ihr. Grace hingegen hatte dunkelblondes feines Haar. Die Augen meiner Mutter waren ein sattes grün, wir alle drei hatten die selbe Farbe. Man könnte meinen, bis auf die Haare von Grace, dass wir ihr aus dem Gesicht geschnitten waren, so sehr ähnelten wir uns.

Ich öffnete vorsichtig den Kühlschrank, nahm eine Flasche von dem kühlen Wasser hinaus und stellte diese auf der Arbeitsfläche nebendran. Anschließend drückte ich mich auf diese hoch, stellte mich drauf und öffnete den Wandschrank. Also, wer auf die Idee kam, Wandschränke in einem Haushalt mit einem Zwerg anzubringen, der verdient echt einen Oscar. Ich ging wieder in die Hocke und sprang so leise es geht auf die kalten Fliesen, man hörte nur das Echo vom Aufkommen meiner Füße.

Ich stellte das Glas neben die Flasche und füllte dieses bis zu Hälfte mit dem Wasser. Die Flasche verschloss ich anschließend und stellte sie wieder zu den anderen in den Kühlschrank hinein. Während ich mein Wasser trank, sah ich mich in unserer Küche um. Das Farbenfrohe fehlte, das was wir im alten Haus hatten fehlte. Meine Mutter fehlte. Sie brachte frischen Wind in die stickige Luft.

Das leere Glas fand seinen Platz in unserem Geschirrspüler und ich fand meinen Platz in meinem Bett wieder.

Das vorher spurlos verschwundene Handy lag auf dem Teppich vor meinem Bett. Ich hob es auf und steckte es wieder an das Ladekabel. Ich schaltete es nicht mal an, Nachrichten hätte ich sowieso nicht, so sehr ich auch wollte. Freunde hatte ich ja auch keine.

Die Sonne war soeben am aufgehen, dennoch entschied ich mich dazu nochmal zu schlafen, in der Hoffnung alles sei nur ein schlechter Traum gewesen und wir wollten am Mittag die Stadt besichtigen, an den Namen erinnere ich mich nicht mehr. Vielleicht war alles genau so ein Traum, wie dieser, welcher mich davor aus meinem Schlaf gerissen und gequält hatte.

,,Ich war der Grund für den Tod meiner Mutter'', hörte ich von jeder möglichen Person her sagen. ,,Ich war die Mörderin'' ,,Ich trug die Schuld.''  ,,Ich war verantwortlich für alles'' Deshalb rechten sie sich an mir und machten sich verantwortlich für meinen Tod.

War es also vielleicht doch alles meine Schuld? Oder war es ein Hinweis darauf gewesen, es könnte ein Mord gewesen sein?

Die unerträglich laute Stille Where stories live. Discover now