Errege kein Aufsehen

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„NEIN", hallte es durch den wohl nie endenden, schmalen Gang, „ nein, bitte sagen Sie mir, dass es ein Scherz ist, denn wenn ja, können Sie echt gut scherzen, aber bitte..das kann nicht die Wahrheit sein. Sie würde sowas doch niemals machen. Sie ist doch meine kleine.." schrie eine hohe, zittrige weibliche Stimme durch den nun mit Menschen befüllten Gang.
Aus ihrer Stimme und Tonlage hörte man ein jederzeit mögliches Zusammenbrechen heraus.

Nur nicht umdrehen.

Ein leises Räuspern, als Zeichen, die Stimme solle ihre Lautstärke senken, schloss sich dem Hall der pingeligen und quietschenden Stimme an.
Das alles mitzubeobachten, während ich mich von hier wegschlich, war ein Dorn in meinem kaltblütigen Herzen. Es berührte mich, auch wenn nur etwas. Es erregte meine Trauer auf eine unbeschreiblich, unangenehme und unverständliche Weise. Ein Zittern und ein kurzes Zucken überkam mich. Meine Augen füllten sich mit Tränen, mein Mund fühlte sich trocken an. Meine Nase und meine Wangen begannen zu glühen vor Trauer und vor den Tränen welche pausenlos über meine Wangen liefen, so wie als hätte jemand eine Heizung auf die höchste Stufe gedreht.
Lass das so schnell, wie möglich vorbei gehen.
Ich räusperte mich so, dass es nur ich hörte, aber ich befürchte, dass ich gehört wurde.
Errege ja kein weiteres Aufstehen, lauf Richtung Ausgang.
Eine Welle des Zögerns hielt mich für einen kurzen Moment an meinem Posten fest. Waren es Minuten? Waren es Sekunden, die ich mit meinen Füßen in den Boden hinein stand ? Ich weiß es nicht, es fühlte sich an, wie eine Ewigkeit.
Die Stimmen der Gespräche prallten in meiner Ohrmuschel ab und gelangen direkt wieder hinaus, ohne, dass ich etwas davon mitbekommen hatte.
Ich richtete die Kapuze meines Pullis, welche knapp über meine feinen, vollen Augenbrauen fiel, zupfte an dem breiten Bund unten am Pulli und schob mir die Sonnenbrille nach oben, näher an die Augen. Ob ich diese wohl gebrauchen werde?
Ich nahm gar nicht wahr, dass ich meine zwei, vollbepackten Taschen auf den Boden fallen lies, als ich wie versteinert da stand. Blicke brannten sich in meinen Rücken.
War ich nun aufgeflogen?
Ich griff hastig nach den tiefliegenden Griffen der beiden Taschen und lief etwas gebeugt und in der Versuchung gelassen zu laufen in Richtung der zwei Glastüren, welche von der Sonne bestrahlt wurden.
Es scheint, wie das Licht am Ende eines ewig langem Tunnels, welcher diesem Gang sehr ähnelte.
Unzählige Male saß ich hier drinnen schon fest, das war wesentlich schlimmer, als das Absitzen von einer Gefängnisstrafe. Mit Sicherheit war es das. Krankenhäuser waren noch nie ein Ort, welche mich freuten einen Fuß hineinzusetzen. Nach dem Herzversagen meines Vaters war dieser Ort der letzte, den ich sehen wollte. Aber unzählige Male passierte es, dass auch ich in Gefahr auf der blauen Liege lag.






Ich war nun zu weit weg, um das Gespräch der Ärztin und der wohl wichtigsten Person in meinem Leben, meiner Schwester, zugleich meine beste Freundin, mitzuhören oder auch nur klare Worte verstehen zu können. Wahrnehmen konnte ich nur die leise und wimmelige Stimme meiner Schwester.
In Gedanken vertieft, lief ich zu meinem Taxi, zielstrebig steige ich hinein und sage, wohin es gehen soll. Der Flughafen, mein Ziel.

Die unerträglich laute Stille Where stories live. Discover now