Kapitel I

32 1 0
                                    

Es war erst neun, als ich auf die Uhr schaute und draußen regnete es. Auf dem Pausenhof entdeckte ich eine Katze, die sich einen Unterschlupf zu suchen schien. Während ich mir gerade darüber Gedanken machte, wie das Schnurren bei Katzen zu Stande kommt und warum Schnurrhaare Schnurrhaare heißen, bemerkte ich, dass es ziemlich still im Raum war. Ich schaute gerade zu meiner Banknachbarin um sie zu fragen, welche Aufgabe wir als nächstes lösen sollen, als ich bemerkte, dass sie mich fragend anstarrte, sowie der Rest der Klasse. Eingeschlossen unser Mathelehrer Mr Mason. Verlegen stellte ich fest, dass auch dieser mich erwartend anschaute mit einen unterdrücktem spöttischen Lächeln auf den Lippen. Er hatte mir wahrscheinlich eine Frage gestellt, denn ich sah Keira vor mir, die sich umdrehte und merkwürdige Mundbewegungen machte um mir die Lösung zu verraten. Ich verstand gar nichts. "Soll ich die Frage noch einmal für Sie wiederholen, Ms Farrington? Oder wollen Sie dies übernehmen, Ms Roberts?", fragte Mr Mason mit herausfordernder Stimme. Keira errötete, als er auch ihren Namen erwähnte. Unser Mathelehrer war der Einzige, der uns Schüler beim Nachnamen nannte, denn er war der Überzeugung, dass man mit sechzehn dafür alt genug war. Ich fühlte mich winzig und verloren. Ich hasste solche peinlichen Situationen. Verlegen schaute ich ihn an, in der Hoffnung, er habe wenigstens etwas Erbarmen und ich könnte mich eventuell in Luft auflösen.

Eine halbe Stunde später war der Matheunterricht nach gefühlten fünf qualvollen Stunden zu Ende und wir hatten Pause. Es hatte aufgehört zu regnen und Keira und ich gingen auf dem Pausenhof. „Der hat sie doch nicht mehr alle", begann sie. Ich seufzte nur. Ich wollte nicht weiter über Trigonometrie, Mr Mason und Schule nachdenken. Ich lehnte mich gegen die Wand des Schulgebäudes und starrte nur geradeaus. Weit entfernt hörte ich Keira noch, wie sich über die Lehrer dieser Schule und ihre Schwester aufregte, die sich heute Morgen ihre Lieblingsjeans ausgeliehen hatte.
Ich ließ meinen Blick schweifen und sah Luke, der etwa acht Meter von uns entfernt stand und sich mit seinem Kumpel Charles vermutlich über Musik, Sport, oder Mädchen unterhielt. Was für Gesprächsthemen hatten Jungs denn sonst?
Ich habe Luke lange nicht mehr gesehen, er sah verändert aus. Vielleicht sind seine Haare auch einfach nur gewachsen. Ich fand seine Frisur schon immer gut. Sie hatte etwas von Leonardo DiCaprio in Titanic, nur etwas kürzer. Seine dunkelbraunen Haare passten perfekt zu seinen blau-grünen Augen mit dem grünem Tupfer, in die ich damals hätte Stunden lang schauen können. Und sein Lächeln war unglaublich. Wir waren nie ein Paar, aber beide ineinander verliebt, bis er... „Joy? Hallo?", unterbrach Keira schnipsend meine Gedanken. „Ähm ja, was hast du noch mal gesagt?", fragte ich verlegen. Sie verdrehte die Augen und schüttelte nur den Kopf. „Tut mir leid, ich...", begann ich, aber sie unterbrach mich erneut: „Ja ja schon gut, dir ist das, was vorhin in Mathe passiert ist noch peinlich - ich weiß, aber das passiert doch jedem mal. Ist auch grad echt ein blödes Thema. Wen interessiert das schon - Schließlich...", beendete sie plötzlich ihre Gedanken. „Uhhhh, schau mal, wer da auf uns zukommt!", sie schaute mich mit breitem Grinsen an. Als ich bemerkte, dass sie Luke meinte, wurde ich noch verlegener. Hatte sie bemerkt, dass ich ihn eben vielleicht etwas zu lange angeschaut habe? Von meiner damaligen Freundschaft mit ihm konnte sie doch gar nichts wissen, sie war doch erst seit einem dreiviertel Jahr auf dieser Schule. Verwirrt schaute ich sie an. „Na Charles, schau ihn doch mal an! Er ist so süß!", zischte sie. Ich verdrehte die Augen. (Aber eher wegen meiner eigenen Dummheit, als wegen ihrer Schwärmerei)

Charles war wirklich süß. Aber mehr auch nicht. Er hatte blondes Haar, das einen ordentlichen Schnitt hatte, braune Augen und spielte Gitarre. Süß halt. Aber Luke neben ihm... Ich versuchte ihn unauffällig anzuschauen. Sie kamen auf uns zu und ich wurde unruhig. Mein Verstand sagte: Oh nein, dreh dich um und geh. Geh einfach. Jetzt. Bevor es auffällig wird. Und mein Herz: Nun ja, eigentlich sagte es gar nichts, sondern galoppierte voller Freude in meiner Brust. Ich versuchte einfach cool zu bleiben und wollte Keira gerade fragen, woher sie ihr Top hatte, aber sie zischte mich nur wieder an und schaute die beiden Jungs erwartungsvoll an. Ich betrachtete meine Schuhe. Diese Situation war schon fast peinlicher, als das vorhin in Mathe.

TransparentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt