Donny

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Ich lernte Don kennen, da war ich ca. sieben Jahre alt. Er wohnte im Haus neben uns und kämpfte ums Überleben, um den Stolz unserer Vorfahren. 
In unserem Viertel lebten vor allem Immigranten aus Südamerika und Italien, so auch meine Eltern. 
Vor einigen Jahren kamen sie aus Venezuela hierher, auf der Suche nach einem glücklichen Leben. 
Ich glaube, sie haben sich das "glückliche Leben" ein bisschen anders vorgestellt, aber dennoch weiß ich, dass unsere jetzige Situation besser ist, als wenn wir in Venezuela leben würden. 

Donny und ich wuchsen miteinander auf, unsere Mütter waren befreundet und zogen uns gemeinsam auf. Alles was ich heute in Sachen Verteidigen kann, habe ich von ihm gelernt, und das was er an Grips in seinem Kopf hat, habe ich ihm gelehrt. 

Schon seit gut zehn Jahren steht fest, dass wir einander heiraten werden. Donny ist damit einverstanden, auch wenn er sich nebenbei mit anderen Frauen begnügt. Aber ich habe etwas dagegen, da ich Donny trotz der tiefen Freundschaft die uns verbindet, nicht liebe. Jedenfalls liebe ich ihn nicht so, wie man mir erzählte, wie Liebe sich anfühlt. 
Donny war mir zu brutal, zu gewalttätig und ein bisschen frauenfeindlich, er war ziemlich altmodisch was dieses Thema anging. Seiner Ansicht nach hatte sich eine Frau nur in der Küche aufzuhalten, was auch einer der Gründe ist, wieso ich mich seit fast einem Jahr von ihm fernhalte. 
Ich möchte die Hochzeit so weit es geht aufschieben um bis dahin leben zu können. 

Als ich an dem Tag, am 29. Juni. 1981, mit dem Fahrrad zurück nach Hause fuhr, sah ich Donny schon aus weiter Ferne. 

Er saß auf einer Mauer, seine Gang neben sich und trank Dosenbier. 

In unserer Gegend gab es zwei Gangs: Die Wolfs, die Amerikaner, und die Aguilas, zu denen Donny gehörte. Besser gesagt war er der Anführer, er hatte diesen "Titel" sozusagen von seinem Vater geerbt, der nach seiner Ankunft in den USA die Gang gegründet hatte. 

"Mi Niña!", rief er und sprach von der Mauer hinunter. Grinsend kam er auf mich zu, die leere Bierdose schmiss er auf den Gehweg. 

"Hey Donny", begrüßte ich ihn und rang mir ein Lächeln ab. Er ging neben mir her, während ich mein Rad schob, und legte den Arm um mich. 

"Wo warst du?", fragte er und sein spanischer Akzent war unüberhörbar. 

"Bei Hanna", antwortete ich und zeigte auf die Einkaufstüten, die vor allem mit Gemüse gefüllt waren, die in dem Fahrradkorb lagen. 

Donny nickte und drückte mir ein Kuss auf mein dunkelbraunes lockiges Haar. Er war im Gegensatz zu Cole nicht besonders groß, fiel mir mit einem Mal auf. Wenn die beiden nebeneinander ständen würden, würde Donny wahrscheinlich mickrig und schmal aussehen. 

"Willst du dich nicht zu uns setzen?" Donny nickte in Richtung der anderen, die mir grinsend zuwinkten.

"Nein, ich muss nach Hause." Ich lächelte und versuchte traurig zu wirken. 

"Okay, mi Amor. " Plötzlich beugte sich Donny herunter und gab mir einen Kuss auf den Mund. Er war so schnell vorbei, dass ich gar nicht die Möglichkeit hatte, zurück zu weichen. Grinsend drehte er sich um und lief zurück zu seinen Jungs. 
Benommen machte ich mich auf den Weg nach Hause. 


Als ich am nächsten Morgen das Haus verließ um Bonita, meiner Tante, beim Putzen zu helfen, hörte ich jemanden meinen Namen rufen: "Joanna!" 
Überrascht drehte ich mich um und sah Hugo, ein Mitglied der Aguilas, auf mich zu laufen. 
Ich blieb stehen und wartete darauf, dass er bei mir ankam. 

"Was ist?", fragte ich schließlich. 

"Bist du Donny heute schon begegnet?" Panisch blinzelte er mehrmals hintereinander. 
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. 

"Nein, wieso?" 

"Dann würde ich ihm aus dem Weg gehen, er ist fuchsteufelswild." 

"Warum?"

"Wegen Cole Barkley." Mein Herz setzte für einen Schlag aus. War Donny  etwas passiert?

"Geht es ihm gut?", fragte ich mit leichter Angst in der Stimme. 
Denn obwohl ich Donny nicht liebte, war er doch so etwas wie ein Bruder für mich und wenn er in Gefahr schwebte, machte ich mir höllische Sorgen. 

"Ja, schon. Aber ist sauer. Auf dich." Völlig überrumpelt stand ich da und wusste nicht, was ich sagen könnte. 
Ich stemmte meine Hände in meine Hüfte und fragte: 

"Wieso das denn?" Genervt verdrehte ich die Augen. Was um alles in der Welt hatte ich falsch gemacht? 

"Wegen Cole Barkley", wiederholte Hugo, als würde er mit einem Kleinkind sprechen. "Er sucht überall nach dich." 

"Wer jetzt? Donny oder Cole?" 

"Donny. Er hat gehört, dass du dich gestern mit ihm unterhalten hast. Yolanda hat es beobachtet." 
Ungläubig seufzte ich auf. 

"Das war nichts, ich habe Barkley nur gesagt, dass er zahlen muss."

"Schon, aber sag das lieber Donny. Ich glaube, der kann es gar nicht leiden, wenn sich sein Mädchen mit dem Feind herum treibt." Hugo schaute mich noch einen Sekundenbruchteil an, bevor er sich umdrehte und wortlos verschwand. 


"Verdammt, hier bist du!" Kurz bevor ich Bonitas Haus erreichte, tauchte Donny auf und hielt mich am Arm zurück. 

"Was ist denn?", fragte ich harsch. 

"Ernsthaft, Joanna? Cole Barkley? Wie oft haben dir deine Eltern schon gesagt, dass du dich von den Amis fernhalten sollst?" Wütend schnaufte Donny aus. 

"Mein Gott, ich habe doch nur mit ihm geredet, da ist nichts großes dabei." Genervt schüttelte ich seine Hand ab und schloss Bonitas Haustür auf. Ich konnte meine kleine Cousine Laia schon schreien hören. 

"Vielleicht jetzt nicht, aber halte dich von ihm fern." Donnys Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen. Mit dunklem Blick schaute ich ihm in die braunen Augen, bevor ich die Tür vor ihm schloss. 

War between usDonde viven las historias. Descúbrelo ahora