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Es war  gut, zu wissen, dass nicht alle zu snobistischen und hochnäsigen Exzentrikern worden, wenn sie sich mehr als eine kleine Wohnung in der Mitte von Manhattan leisten konnten. Denn als Rose Harry Velten entdeckte, konnte sie nicht anders, als zu lächeln. Er trug zwar ebenso wie alle anderen Männer ein Golfhemd und lange Hosen, sowie ordentliche Golfschuhe, doch in seinen Augen blitzte noch immer der Schalk, als er seinem Sitznachbarn auf den Rücken klopfte. Selbst mit 61 war er noch ein attraktiver Mann, der sein Leben in vollen Zügen genoss und im Gegensatz zu vielen anderen Menschen nichts gegen die vielen grauen Strähnen in seinem sonst dunkelbraunen Haar tat. Seine Schultern waren noch immer breit gebaut, auch wenn sie einen Bauchansatz unter dem Hemd entdeckte. Als er plötzlich in lautes Lachen ausbrach, weshalb einige andere Gäste im Restaurant teilweise neugierig, teilweise genervt aufgrund der Störung in seine Richtung sahen, wurde aus Roses Lächeln ein breites Grinsen. Ja, er hatte sich rein gar nicht verändert, stellte sie zufrieden fest.

Ohne sie vorher wirklich bemerkt zu haben, fiel eine Last von ihren Schultern. Rose hatte ihren ehemaligen Mentor seit drei Jahren nicht mehr gesehen und war sich nicht sicher gewesen, wie er im Ruhestand seinen Wohlstand nutzen und ob ihn das verändern würde. Scheinbar hatte sie sich vollkommen umsonst Sorgen gemacht.

Stillschweigend verabschiedete sich der Mitarbeiter von ihr und Rose trat an den runden Tisch. Harry und sein Bekannter saßen beide im Wintergarten mit direktem Blick auf den Golfplatz auf denen sich vereinzelt Leute zu Fuß oder in einem Golfcart von einem Loch zum nächsten begaben. „Dein Alter hat deinem lauten Organ wirklich keinen Abbruch getan Harry. Ich bin erstaunt."

Harry Velton hob den Kopf und blickte direkt in die strahlendblauen Augen von Rose. „Meine kleine Blume!", rief er erfreut aus und stand auf. Erwartungsvoll breitete er die Arme aus, als er neben seinen Stuhl trat. Als wären nicht schon ein paar Jahre seit ihrem letzten Treffen vergangen, zögerte Rose keine Sekunde und begab sich in seine väterliche Umarmung. Während er ihr glücklich den Rücken tätschelte, stellte sie fest, dass sie ihm noch immer nur bis zur Nasenspitze reichte. Das gefiel Harry wahrscheinlich noch immer, da er gerne der größte im Raum war. Sichtlich gut gelaunt schob er sie eine Armlänge von sich weg und musterte ihr Gesicht. Sie wusste, dass er sah. Die helle Porzellanhaut, die weichen Gesichtskonturen und symmetrischen Gesichtszüge – all das hatte sich nicht geändert. Sie hatte noch immer ihre kleine schmale Nase und ihre schmalen Lippen, die sie am liebsten mit rosa Lippenstift schminkte. Als er ihr in die Augen blickte, registrierte er die einzige Veränderung. Roses Blick zeigte, dass sie in den letzten Jahren sehr viel an Erfahrung dazugewonnen hatte.

„Es freut mich ja so, dass du es geschafft hast."

„Danke für die Einladung. Du hast mich vollkommen überrascht mit deiner Nachricht, dass du wieder in New York bist."

„Wie hätte ich dir nicht gleich schreiben können?" Gut gelaunt zwinkerte er ihr zu und zog sie mit einem Arm neben sich, sodass sie Schulter an Schulter standen. „Ich muss doch darauf achten, dass meine kleine Blume nicht verdorrt."

Unwillig rümpfte Rose leicht die Nase. Harry hatte diesen unliebsamen Spitznamen schon immer verwendet. Seit dem ersten Tag, als sie ihm als Praktikantin vorgestellt worden war. Warum er damals sofort einen Narren an ihr gefressen hatte, konnte sie nicht sagen. Sie wusste nur, dass er sich ihrer angenommen und sie in die komplexe, aber spannende Welt der Finanzen eingeführt hatte. Und obwohl sie viel und eng miteinander zusammengearbeitet hatten, viele Überstunden hatten ableisten müssen und mehr als einmal für einen Kunden durch die Welt gereist sind, hat es nie diesen Moment gegeben, in dem er versucht hätte, mehr zu sein als ein väterlicher Mentor. Harry hatte seine Frau vor 12 Jahren bei einem Unfall verloren und sich seitdem nicht mehr gebunden. Daher hatte sie vor allem am Anfang erwartet, dass er ihr ein Angebot machen würde. Das hatte er aber nie getan – im Gegensatz zu vielen anderen Männern. Und genau das war ein Grund, warum sie ihm blind vertraute.

Color of your BeautyWhere stories live. Discover now