06 | eisgrau.

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MÄRZ - APRIL 1997


Wenn in den kommenden Wochen das Rauschen der Schneeböen zu Vogelgezwitscher wurde, wurde das Klingeln der Türglocke im Laden der Weasley Zwillinge leiser.

„Ihr solltet das Ding abhängen", befand Logan an einem Morgen, als der Frühling über Nacht eingeschlichen war und Knospen auf den Eschen am Rande der Winkelgasse explodierten. „Sie ist total verbogen, hört ja nie mit dem Klingeln auf."

Und das meinte Logan auch so. Wenn sie Abends ins Bett ging, vefolgte das Geschnatter der Menschenmassen und das Läuten der Glocke sie manchmal bis in ihre Träume hinein. Egal, wie fest Fred sie dann in ihren Armen hielt. Denn im Laufe der Zeit war auch das, was man sich zwischen den Regalreihen von Weasleys Zauberhaften Zauberscherzen erzählte, drückender geworden.

„Es sind immer mehr, die verschwinden", befand George eines grellen Märzmorgens und ließ das Magazin, über das er sich am Tresen gebeugt hatte, theatralisch zufallen.

Überrascht schielte Logan auf die Titelseite. „Du liest den Klitterer?"

Es klang anklagender, als es eigentlich hätte sein sollen.

George bemühte sich, so ernst wie möglich zu bleiben, als er voller tatsächlicher Überzeugung sagte: „Ist die einzige Quelle, der man noch trauen kann."

Genüsslich nippte er an seinem Morgentee. Hinter ihnen streiften schon die ersten Besucher der Winkelgasse an den Schaufenstern vorbei, doch weder George noch Logan bequemte sich zum Ladenschild. Umsatz machten sie sowieso genug. Außerdem schien George sie schon gar nicht mehr zu bemerken.

„Sie veröffentlichen eine Liste der Vermissten", war nämlich, was er als nächstes betonte, und schlug das Magazin wieder dort auf, wo er es zurückgelassen hatte. 127, drei Lettern als Überschrift. Und nun lag etwas Undurchdringbares in Georges Stimme, das sich auch immer ärger in Logans Nacken festsetzte: „Bei jeder Veröffentlichung wird sie länger."

Das dünne Papier war unter Georges Kaffee verwellt und von der röhrenden Heizung im Büro der Zwillinge aufgeweicht, aber trotzdem waren die gedruckten Namen messerscharf zu lesen. Der Tagesprophet hatte schon im vergangenen Sommer, zwei Wochen nach Scrimgeours Amtseintritt, aufgehört, solcherlei Infos zu veröffentlichen.

Also glitten Logans Augen im Halbschatten der Regalreihen über die Worte hinweg. Buchstaben, Zeilen. Namen irgendwelcher Fremden, die sie niemandem zuordnen konnte. Bis auf einen.

Sie stockte. George musste es vor ihr gelesen haben, denn er beäugte sie prüfend von der anderen Seite des Tresens. Dabei genügten seine Blicke und sein erbittertes Schweigen, um die plötzliche Schwere in der Luft nachhallen zu lassen.

Logan schloss das Magazin und schob es unter den Tresen Als könne seine Abwesenheit die Wirklichkeit unreal machen; die Dinge irgendwie ändern. Doch selbst, als sie zwei Atemzüge später durch einen trügerischen Schleier auf die Ladentür starrte, hatte sich rein gar nichts geändert.

Der Name stand immer noch dort, dritte Spalte, zweitunterste Zeile. Und sie war noch immer fort.

Naome Corner.

Logan schrieb noch am selben Abend einen Brief. Zittrige Zeilen, kaum lesbare Worte. Naomes Stimme hallte in ihrem Hinterkopf: Du krickelst ja schlimmer als Corbs, Logan, und das will was heißen!

Doch als sie sich am Küchentisch der Zwillinge umdrehte, war sie nicht dort. Und auf den Brief, den sie in jener Nacht mit Fred und Georges Liefereule in den Frühlingshimmel los schickte, bekam sie nie eine Antwort.

THE AFTERMATH » fred weasleyDove le storie prendono vita. Scoprilo ora