20.

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Ich öffnete die Augen, als mein Wecker klingelte und spürte gleich die Wärme an meiner Brust. Ein Arm war fest um meinen Bauch geschlungen und gleichmäßiger Atem streifte meinen Hals. Ich lächelte als ich Vanessa friedlich in meinem Arm schlafen sah. Sie hatte tatsächlich bei mir geschlafen und scheinbar nicht schlecht. So würde ich am liebsten jeden Morgen aufwachen, doch ich wusste, dass das nicht passieren würde. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich wie immer zu spät war. Als ich mich bewegte, wachte Vanessa langsam auf und streckte sich müde. „Oh, sind wir eingenickt?", fragte sie verschlafen und rieb sich ihre Augen. Ich schmunzelte und meinte: „Ich hoffe du bekommst jetzt keinen Herzinfarkt." Sie runzelte die Stirn und ich hielt ihr meinen Wecker hin. Innerhalb von Sekunden war sie hellwach und begann, sich hektisch anzuziehen. Ich war mir sicher, dass Vanessa noch nie zu spät in den Verlag gegangen war. Sie wirkte ausnahmsweise absolut nicht professionell, sondern eher ungeschickt. Ich lachte und hielt sie an ihren Handgelenken fest: „Warte mal kurz." Sie sah mir in die Augen und ich lächelte: „Du hast heute keinen Außentermin, also dusch jetzt erstmal und dann bekommst du einen Kaffee. Die Firma läuft auch zwei Stunden ohne dich." Sie schien nicht gänzlich überzeugt, machte aber, was ich gesagt hatte. Ich sah ihr schmunzelnd hinterher und quälte mich dann aus den weichen Kissen.

Tatsächlich war den meisten gar nicht aufgefallen, dass Vanessa nicht da gewesen war. Sonst saß sie immer schon in ihrem Büro, bevor irgendwer in der Firma war, sodass niemand sie kommen sah. Ich ging durch einen anderen Eingang als sie hinein und redete kurz mit Rosie. Sie lächelte ehrlich und meinte: „Ich glaube, du tust Miss King gut. Keine Assistentin hat es je geschafft, dass sie so entspannt ist." Ich erwiderte ihr Lächeln und nickte dankbar, das bedeutete mir wirklich viel. Sie trug mir in den Kalender ein, dass Vanessa mittags mit ihr Kaffee trinken gehen musste und ließ mich dann gehen. Ich setzte mich gleich an meinen Laptop und schrieb bis zum Mittag. Als Vanessa aus dem Büro kam, sah ich auf und unsere Blicke trafen sich. Sie sah heute nicht ganz so makellos aus wie sonst, was irgendwie eine schöne Abwechslung war. Da einige Angestellte auf dem Gang unterwegs waren, erwartete ich nicht, dass sie mit mir reden würde. Allerdings blieb sie stehen und fragte: „Kommen Sie am Sonntag in Begleitung?" Ich zog eine Augenbraue hoch, hatte sie Angst, dass ich wieder Tyler mitbrachte? Am Sonntag war die Jahresabschlussfeier der Firma, danach hatte der Verlag über die Feiertage zwei Wochen geschlossen. Es würde eine große Party werden, auf die ich mich schon länger freute. Ich schüttelte den Kopf: „Nein. Brauchen Sie sonst noch etwas?" Sie blickte in meine Augen und ich erkannte das kurze Grinsen in ihnen. Sie schnappte sich einen Zettel und kritzelte darauf eine Notiz, dann lief sie zügig zu den Aufzügen. Als sie weg war, las ich den Zettel und musste grinsen. Das Kleid wird dich umhauen.

„Allein für so ein Outfit, würde ich die ganze Drecksarbeit mit Freude tun", meinte Kayla und betrachtete mein Kleid sehnsüchtig. Vanessa hatte sich selbst übertroffen und ich wollte nicht wissen, wie teuer das Kleid gewesen sein musste. Es hatte einen dunkelroten Farbton, der mir gut gefiel und reichte mir bis knapp über meine Knie. Ich sah mich im Spiegel an und Kayla musterte mich prüfend: „Du brauchts noch ein bisschen Make-Up." Sie drückte mich auf unseren Sessel und tobte sich aus. Ich vertraute ihr dabei blind, denn ich wusste um ihre geschickten Hände. Sie lächelte zufrieden, als sie fertig war und nickte: „Ja, damit haust du sie um." Kurz fühlte ich mich ertappt, dann wurde mir klar, dass sie vermutlich in der Mehrzahl sprach. Als sich unsere Blicke kurz trafen, wirkte es allerdings eher so, als wüsste sie genau, was bei mir los war. Ich wusste nicht, ob es mich erleichtern oder verunsichern würde, mit ihr über meine Affäre zu Vanessa zu reden. Sie streichelte kurz mein Knie und zwinkerte mir dann zu: „Na los, sonst kommst du zu spät." Ich richtete mich auf und drückte kurz Kaylas Hand, um ihr stumm zu danken. Sie nickte lächelnd und öffnete mir die Tür, der Wagen wartete bereits.

Ich atmete tief ein und aus und lächelte, ich war bereit für einen schönen Abend.

Show me your dark linesWhere stories live. Discover now