1

142 28 91
                                    

Fröstelnd spazierte ich über den überfüllten Jahrmarkt. Überall roch es köstlich nach Crêpes, Zuckerwatte und anderen Süßwaren.

Jährlich kamen hier im November zig Leute her, um diese zu verspeisen, eine der vielen Attraktionen auszuprobieren, wie sich in große, sich drehende Tassen zu setzen, oder einfach nur von Stand zu Stand zu wandern um sich alles anzusehen.

Und genau aus diesem Grund hatte mich heute Abend meine beste Freundin Grace überredet, sie hierher zu begleiten. Normalerweise war ich eher der Mensch, der sich abends mit Snacks und einem Roman im Bett verkroch, um so wenig von der Außenwelt wie möglich mitzubekommen.

Das laute Stimmengewirr der Menschenmasse um uns herum übertönte fast ihre mir vertraute Stimme. „Ach komm schon, nur diese eine Runde, bitte Lia!", flehte sie mich mit ihren großen braunen Augen praktisch an.
Damit war eine Fahrt mit dem riesigen Kettenkarussell und der lauten Pop-Musik gemeint, dass hier auf dem großen Rummelplatz schon vor einiger Zeit aufgebaut worden war.

Doch ich hatte ihr nun schon zum zweiten Mal gesagt, dass ich nicht wirklich Lust auf solche nervenaufreibenden Aktivitäten hatte.
Grace war schon immer für so etwas zu haben, doch ich hatte lieber festen Boden unter den Füßen, als in dieser schwindelerregende Höhe nur von ein paar Metallketten gesichert zu sein.

„Das wird Spaß machen, ganz sicher!", versuchte sie mich mit funkelnden Augen weiter zu überreden und holte mich damit aus meinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurück.

Eigentlich wollte ich ihr den Gefallen ja nicht abschlagen, doch ich war wirklich wenig begeistert von der Idee, mich in die Höhe ziehen zu lassen.

Schließlich ergab ich mich doch unter ihrem flehenden Blick und willigte seufzend ein. „Okay meinetwegen, weil du es bist."
Ihre Augen weiteten sich und ihre Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Danke, danke, danke!", umarmte sie mich stürmisch und fügte zufrieden hinzu: „ich bezahle auch die Eintrittskarten".

Angekommen am Verkaufshäuschen, das mit einigen bunt-leuchtenden Glühbirnen geschmückt war, stellten wir fest, dass sich schon einige Leute in der Schlange angestellt hatten. Wir würden hier wahrscheinlich gleich eine ganze Weile herumstehen. Na super.

Beim Anblick des hohen Turms wurde mir ganz mulmig. Meine Angst war immer noch da, auch wenn ich sie gleich wohl überwinden musste.

Die ältere Frau, die an der Kasse saß, reichte uns jeweils eine Eintrittskarte und murmelte noch ein gedämpftes „Viel Spaß", ehe wir beiseite rückten um die nächsten Leute an das Häuschen zu lassen.

„Bereit?", vergewisserte sich meine beste Freundin bei mir mit einem Funkeln in den Augen und nahm meine Hand. „Mehr oder weniger", entgegnete ich mit einem - halb gespielten, halb echten - gequälten Ausdruck in der Stimme. „Na dann los!", erwiderte Grace belustigt und zerrte mich voller Vorfreude zur ewig lang scheinenden Schlange wartender Menschen.

Die meisten, die hier anstanden, waren ungefähr in meinem Alter. Keiner schien so nervös zu sein, wie ich mich fühlte, wodurch ich nur noch hibbeliger wurde.

Als ich meinen Blick weiter über die Menge schweifen ließ, fiel mir ein schlank gebauter Junge auf, ein paar Meter entfernt, der genau wie ich die Leute um uns herum beobachtete. Sein rot-blondes, verwuscheltes Haar fiel ihm leicht in die Stirn und betonte seine dunklen, fast schwarzen Augen, die ich trotz der Entfernung noch gut erkennen konnte.
Dank des besonderen Lichts, dass der ganze Park auf ihn warf, wurden seine markanten Gesichtszüge hervorgehoben. Holy.

starry nightsWhere stories live. Discover now