Kapitel 9: Dave

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Der Bohai-Sektor

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Der Bohai-Sektor. Für Mia ein gänzlich fremdes Pflaster. Ihr Zuständigkeitsbereich lag im Trans-Atlantik-Sektor, doch bei grenzübergreifenden Ausnahmefällen durften Ermittler auch außerhalb von diesen agieren. In meiner Dienstzeit dürfte ich gar nicht erst hier sein.

Gleich nachdem Mia sich mit ihrem alten Freund in Verbindung gesetzt hatte, schwang sie sich aufs Motorrad und bretterte in den Machtbereich von Mama Lola. Während der Grundausbildung der Polizei musste man sich entscheiden, ob man weiterhin bei der Schutzpolizei Karriere machen wollte, oder ob man sich in den Dienst der Kriminalpolizei stellte. Mia hatte sich für Letzteres entschieden und sich den Rang des Detectives, nicht zuletzt mit der Festnahme von Marek dem Schatten, erarbeitet. Ein Karrieresprung, der so plötzlich kam, wie ich es nie für möglich gehalten habe.

Die Stadtplanung der frühen Sektoren, noch bevor die Union überhaupt gegründet worden war, hatte nicht viel Wert auf Ästhetik gelegt. Alle Gebäude unterlagen strengen Vorgaben, und so war ganz Metropola eher zweckmäßig errichtet worden, so auch der Bohai-Sektor. Asiatische Einflüsse suchte man vergebens, schon alleine auf Grund der vielen Jahre, die bereits ins Land gezogen waren. Ursprünglich lebten hier Menschen aus Ost- und Südostasien, die sich vor der Flucht von der Erde zum Bohai-Sektor zusammengeschlossen hatten. Straßennamen wie Shanghai Road oder Yokohama Avenue waren mitunter die einzigen Verweise auf einstige asiatische Einflüsse. Mittlerweile konnte man die Menschen in der gesamten Stadt kaum mehr einem Ursprungsland zuordnen. In den knapp vierhundert Jahren seit der Gründung Metropolas hatten sich sämtliche Ethnien und Kulturen zu einer bunten Masse vermischt. Den Asiaten gab es somit nicht mehr, genau wie Staats- oder Volkszugehörigkeiten kein Thema mehr waren. Die Erde war zerstört und es spielte keine Rolle mehr, woher man stammte ... hätte man meinen können.

Die Realität sah gänzlich anders aus. Rassismus aufgrund der Hautfarbe oder anderer äußerlicher Merkmale war gerade in den ärmeren Teilen der Stadt weit verbreitet und Hassverbrechen existierten nach wie vor. Nationen wurden von Sektoren abgelöst. Wenn man jemanden wegen seiner Abstammung aus einem der Sektoren anfeindete, sprach man neuerdings von Sektorismus. Auch in den oberen Schichten grassierten Rassismus und Sektorismus, als hätte die Menschheit nach dem Neuanfang nichts gelernt. Die Heimat der Menschen war nicht mehr, doch hatten sie all die alten Probleme mit nach Carth genommen, wo sie sich weiterentwickelt hatten.

Mia ließ den Motor ihrer Maschine aufheulen, als die Ampel auf Grün schaltete. Kühl war es geworden, selbst unter der gefütterten Lederjacke. Die Wüstenhitze steckte zwar noch im Stahlbeton der Gebäude und im Asphalt der Straßen, doch der Fahrtwind sorgte bei ihr für eine Gänsehaut. Die Straßen waren, wie im Rest der Stadt auch, ständig verstopft. Mühsam kämpfte sich Mia mit ihrem schlanken Zweirad durch die Blechlawinen. Schon jetzt konnte sie die Lounge sehen, in der Dave bereits auf sie warten würde.

Das Motorrad parkte sie in der Tiefgarage des gigantischen Gebäudes. Heavens Lounge hieß der ganze Laden, der über siebzig Stöcke aus Wellness- und Friseursalons, Massage- und Nagelstudios und Sonnenbänken bestand. Dazu kam eine Wohlfühloase, die sich auf die obersten fünf Stockwerke verteilte. Mit dem Aufzug, in der grässliches Geklimper spielte, ging es aufwärts. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, konnte Mia die gesamte Cilloutlounge überblicken. Auf den schneeweißen Sofas und Sesseln unterhielten sich einige wenige Gäste bei Wein und kleineren Snacks. Die Böden waren gesäumt von weißen, flauschigen Teppichen, sodass man hätte barfuß gehen können, wäre da nicht das Barfußverbot gewesen. Von der Decke schien weiches, rötliches Licht und der süße Duft von Lavendel und Honig erfüllte die Luft. Im Zentrum des Ganzen befand sich ein isolierter Raum, in dem die Mitarbeiter für das leibliche Wohl der Gäste sorgten. Und da die Außenwände ausschließlich aus Glas bestanden, hatte man einen ungehinderten Rundumblick über die Stadt. Atemberaubend und schön die Stadt von hier oben zu sehen, dachte sich Mia. So müssen sich die Bonzen fühlen, die hier oben sitzen, weit weg von den Problemen der kleinen Leute.

METROPOLA - Band 1 - Der JahrhundertsturmWhere stories live. Discover now