Prolog: Schatten im Untergrund

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Das ohrenbetäubende Geräusch des Riesenbohrers hallte von den nackten Gesteinswänden wider. Feiner rostfarbener Staub wirbelte durch die Luft, während sich die Maschine weiter durch den Felsen fraß. Bernie beobachtete das Spektakel von seiner Konsole aus. Für ihn war dieser Anblick schon lange kein Spektakel mehr.

Der Sechsundsechzigjährige aus dem Sputnik-Sektor hatte in den letzten einunddreißig Jahren genug Zeit gehabt, sich an die immer größer werdenden Maschinen zu gewöhnen. Alt und verbraucht wirkte der Minenarbeiter, wann immer er sich im Spiegel betrachtete. Die wenigen grauen Haare auf seinem Kopf waren einer hohen Stirn gewichen. Übrig geblieben waren ihm lediglich einige Haarbüschel, und die meisten von ihnen sprossen aus dunklen Leberflecken, die sich auf seinem runzeligen Schädel verteilten. Mit seinen buschigen, ebenfalls grauen Augenbrauen, blickte er stets finster drein. Ich wollte im Alter nie verbittert sein. Seine Wangen waren gerötet, dank des lästigen Ausschlags, der durch den Feinstaub in den Minen verursacht wurde. Wie immer, wenn er sich bei der Arbeit befand, trug der alte Bernie dieselbe zerschlissene Arbeitshose und denselben grauen Pullover, der seine besten Tage bereits vor Jahrzehnten gesehen hatte. Zu seiner Schutzausrüstung gehörte der gelbe Bauhelm auf seinem fast kahlen Kopf, die Schutzbrille aus dickem Acrylglas, ein Mundschutz, der sich durch den daran haftenden Staub jeden Tag aufs neue braun und rot verfärbte und die abgenutzten Handschuhe, die er monatlich wechseln musste.

Die Minenarbeiten waren essenziell für das Leben in Metropola. Die Arbeiter schafften wichtige Erze an die Oberfläche, und so wuchs und wuchs die Stadt über ihren Köpfen immer weiter in die Höhe. Die Stadtmauer zu vergrößern, würde um einiges mehr an Ressourcen verbrauchen, als wenn man die Gebäude um mehrere Stockwerke erhöhen würde. Und so kam es, dass Metropola zu einem Großteil aus Wolkenkratzern bestand, auch wenn die meiste Zeit über gar keine Wolken am Himmel schwebten. Helios trocknete den Boden derart aus, dass ein Leben nur in der Nähe des Flusses Eden möglich war, der an einem unbekannten Ort entsprang und sich schließlich in einen gewaltigen Canyon stürzte. Bernie hatte vor vielen Jahren in der Schule gelernt, dass Helios der Sonnengott der alten Griechen war. Jetzt diente sein Name dem neuen Heimatstern der letzten lebenden Menschen.

Die Bezahlung für die Bedingungen, die hier unten herrschten, hätte wesentlich schlechter ausfallen können, und so beschwerte sich Bernie nicht, zumindest nicht so, dass es jemals jemand gehört hätte. Frust und Wut fraß er täglich in sich hinein. Denn Tag für Tag musste er den Anblick der schweren Grabungsgeräte ertragen, die einst von der Firma seines Vaters entworfen und konstruiert wurden. Ich könnte heute steinreich sein. Stattdessen hatte sein Vater die Von Stetten Engineering Company zu Grunde gewirtschaftet. Die finanziellen Rücklagen waren weg, die Mitarbeiter, das Firmengebäude, das schicke Luxusapartment im Sputnik-Sektor. Übrig geblieben waren lediglich die Schulden. Als der Vater dann auch noch gezwungen war, in der Firma zu arbeiten, die zu seinen Hauptabnehmern gehört hatte und sich Spott und Häme aussetzen musste, nahm er sich feige das Leben und hinterließ Bernie und seinen drei jüngeren Schwestern, bis auf eine dürftige Hinterbliebenenrente, nichts. Von da an musste die Familie ums nackte Überleben kämpfen. Hier unten ist die Hölle nicht fern, Vater. Pass also auf, dass ich dich nicht erwische!

METROPOLA - Band 1 - Der JahrhundertsturmWhere stories live. Discover now