Vom Erdboden verschluckt

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Seit meiner Begegnung mit dem Jungen waren einige Tage vergangen. Ich war nach einer Weile auch eingeschlafen, obwohl ich mich nicht daran erinnern konnte, müde gewesen zu sein. Irgendwie war das seltsam. Als ich aufwachte war der Junge wie vom Erdboden verschluckt. Mittlerweile schwirrten tausende von Fragen in meinem Kopf herum. Wer war er? Wie hatte er mein Geheimversteck gefunden? Gehörte er zum Adel? Würde er mich verraten? Aber eine Frage ließ mich schon seit einigen Stunden nicht los. Würde ich ihn vielleicht irgendwann wieder sehen? Natürlich nur, um ihm zu sagen, dass er niemandem von diesem Ort erzählen durfte. Ich war schon immer allein, ich brauchte keine Freunde oder sonst jemanden. Es war gerade 11.28 Uhr und in genau zwei Minuten würden die Dienstmädchen mit ihren Kleidern, Kämmen und Lockenstäben kommen, um mich fertigzumachen. Ich stöhnte auf und vergrub mein Gesicht in den Kissen. „Ich hasse das alles...." 11.29. Ich stand auf, zog meine Trainingskleidung über und ging auf den Kamin zu. Alle Schächte und Kamine erhaben einTunnelnetz, welches sich bis in die Kanalisation Mondstadts schlängelte. Und neben meinem Garten gab es da auch noch einen gewissen Raum. Einen Raum, dessen Existenz vielleicht noch gefährlicher war. Ich betätigte den Öffnungsmechanismus der Wand und huschte schnell durch das Loch, welches sich ebenso schnell wieder hinter mir schloss. Auf der anderen Seite des Zimmers konnte ich die Dienstmädchen reden hören. „Wo seid ihr, junge Herrin?" „Junge Dame, ihr müsst euch fertig machen!" Ich kicherte leise und machte mich auf den Weg. Wenn ich um 13.30 wieder da war, reichte das vollkommen. Meine Schritte hallten an den steinernen Wänden wider, weshalb ich an diesem Punkt meine Schuhe auszog und den Weg fortsetzte. Man konnte hier wirklich jeden hören, da die Wände nicht sehr dick waren. Ich hatte die Tunnel teilweise ausgebaut, und so konnte man durch verschiedene kleine Löcher die Leute im Orden beobachten. Barbara und Jean hatten das Glück, Vaters richtige Kinder zu sein. Sie lebten in ihren eigenen Wohnungen, Barbara in der Nähe der Kirche und Jean.....ja......wo war Jeans Wohnung eigentlich? Sie arbeitete fast immer nur und schlief deshalb auch oft einfach an ihrem Schreibtisch im Ritterorden ein. Ob das so gesund war...? Naja, außer mir durften sie natürlich alle leben so sie wollten....und ausgerechnet ich wurde gezwungen, im Orden zu wohnen. Wahrscheinlich hoffte Vater, dass ich irgendwann einen reichen Mann heirate, natürlich einen Adligen, und ich damit etwas für den Ruf der Familie tue. Aber das kann sich dieser alte Sack so war von abschminken! „Ich hasse dich.....alter Sack!" flüsterte ich leise in die Tunnel und setzte meinen Weg fort. Und dann - war ich da. Es war eine kleine Treppe, die Steil nach oben ging. Am Ende wartete eine hölzerne Klapptür, die mich endlich in die Freiheit entlassen sollte. Mit aller Kraft drückte ich dagegen und blickte hoch, in ein grünes Blätterdach. Ich war jetzt außerhalb von Mondstadt, knapp hinter der Brücke in einem kleinen Wald nahe Quellingen. Diese Leute waren es, die wirklich Hilfe brauchten.

Der Schatten von Mondstadt - Venti FF (Genshin Impact)Where stories live. Discover now