1. Emily

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Seth:

Am liebsten würde ich ihn schlagen, wirklich. Von wem ich rede? Meinem Dad. Dieser Mann mag aussehen, wie der Anführer der nächstbesten Mafiagang, aber ich, als sein Sohn, kann versichern: Er ist ein absoluter Vollhorst. Da der Arme von seiner Mutter tatsächlich so genannt wurde, darf ich mir diese ‚Beleidigung' erlauben. Dad ist so unorganisiert, dass es selbst mir so langsam auf den Sack geht. Meine Mutter ist ein wenig verpeilt, aber wenigstens ordentlich, während mein sehr verehrter Herr Vater hingegen sich so Späße erlaubt, wie zum Beispiel heute. Er hat ein Zimmermädchen eingestellt, in seinem Hotel. Wobei, eigentlich hat er ihr nur zugesagt, ohne dabei daran zu denken, dass er bereits drei von der Sorte zu viel eingestellt hat. Jetzt stehe ich also hier und betrachte diesen bebrillten, fluchenden Mann, welcher aus seinem Stapel aus Gott weiß wie vielen Papieren eine Mappe herauszieht und damit auf mich zugestapft kommt.
„Was hältst du von der hier?", fragt er mich stirnrunzelnd.
Widerwillig nehme ich die Mappe entgegen und sehe mir den Inhalt an.
„Dad, du hast schon vor zwei Wochen ein Zimmermädchen eingestellt, was jetzt nichts zu tun hat.", seufze ich genervt.
„Ich weiß, Seth, ich weiß! Aber irgendwas wird sie doch zu tun haben müssen! Sieh dir die Kleine an, die ist einfach goldig, ich musste sie einstellen!", ruft mein Vater entzückt aus, woraufhin ich mich nur stöhnend in seinen bequemen Sessel werfe, um das neue Mädchen zu begutachten.
Ich habe eine kleine Schwester, aber sie ist schwerkrank. Niemand weiß, ob sie je wieder gesund wird. Manchmal glaube ich, dass er deswegen diese ganzen jungen Mädchen einstellt, weil sie ihn an Liane, meine Schwester, erinnern. Ein Rumpeln reißt mich aus den Gedanken, als die Tür aufschwingt und ein Mädchen, sicherlich nicht älter als ich, hereinfällt, wortwörtlich. Ich muss schmunzeln, als sie leise fluchend jemanden von sich stößt.
„Zum letzten Mal, verschwinden Sie! Ich bin KEINE Prostituierte, ich arbeite hier!", weist sie einen älteren Herrn zurecht, welchem die Situation sichtlich peinlich ist.
Er ergreift die Flucht, während das Mädchen ihm feindselig hinterherstarrt.
„Emily, mein neuestes Goldstück!", grinst mein Vater und steht auf.
Ich lache innerlich, als ich den verdutzten Ausdruck auf ihrem Gesicht sehe. Mit Dad hat sie es nicht leicht.
„Ich bin es, Horst Danvers, ich habe dich eingestellt!", fügt mein Vater hinzu.
Ich kann mich nicht mehr beherrschen und breche in schallendes Gelächter aus, als Emily, wie sie zu heißen scheint, fast umkippt und meinen Vater mit ihren großen, blauen Augen ungläubig anstarrt.
„I-Ich hatte sie etwas anders in Erinnerung.", lächelt sie nervös, funkelt mich dennoch aus dem Augenwinkel an, was ich umso witziger finde.
„Natürlich, mein Engelchen, bei einem Vorstellungsgespräch sind wir doch alle ein wenig anders, nicht wahr?", lacht mein Vater herzlich und schiebt Emily zu seinem Schreibtisch.
Es ist köstlich anzusehen, wie das höchstens 1,65m große Mädchen versucht, zwischen den Papierstapeln meinen Vater anzusehen, welcher, wie sonst auch, nicht mal bemerkt, wie höflich sie zu sein versucht und ungeniert weiterbrabbelt.
„Jedenfalls gibt es ein Problem, Liebes. Ich habe übersehen, dass ich bereits einer jungen Frau den Posten gegeben habe, den ich dir versprochen hatte.", spricht er murmelnd.
„Oh, ich verstehe. Kein Problem, bei einem so großen Unternehmen kann das ja mal passieren.", antwortet Emily, sehr diplomatisch, wie ich finde, kann ihre Enttäuschung allerdings nur schlecht verbergen, zumindest vor mir.
„Kopf hoch, Kindchen, lass mich ausreden! Natürlich habe ich dir zugesagt und ich habe nicht vor, ein liebes Ding wie dich wegzuschicken. Falls dir dieser Kompromiss also recht ist, würde ich dich bei mir zuhause einstellen wollen. Unsere Haushälterin ist in Rente gegangen und ein wenig frischer Wind wäre sicher auch meiner Familie willkommen. Natürlich verdoppele ich deinen Gehalt, für die Unannehmlichkeiten.", sagt mein Vater beschwichtigend.
Ich weiß nicht, wer von uns schlimmer glotzt, ich, oder Emily. Seit Helga, unsere Haushälterin, in Rente gegangen ist, hat Dad nur eine andere eingestellt und sie die Woche darauf gleich wieder gefeuert. Zum einen hat sie sich dauernd an mich rangemacht und zum anderen hat sie meine Mutter beklaut und sich dabei auch noch erwischen lassen. Seitdem haben wir keine Andere eingestellt. Ich kenne Helga, seitdem ich ein Baby bin und sträube mich gegen die Vorstellung, das ein Mädchen meines Alters in ihre Fußstapfen treten wird.
„S-Sind Sie sich da sicher, S-Sir?!", überschlagen Emilys Worte sich.
Zugegeben, ich finde es bemerkenswert, aber irgendwie auch amüsant, wie sie meinen Vater ernst nehmen kann. Jede Andere hätte wahrscheinlich schon ‚Ja' geschrien, bei dem Gedanken an über dreißig Euro Stundenlohn.
„Natürlich, mein Täubchen!", lacht mein Vater und schreibt ihr unsere Adresse auf.
Sie nimmt den Zettel entgegen, verliert dann jedoch jegliche Emotion.
„Warum der gequälte Gesichtsausdruck?", frage ich, denn Emily sieht gar nicht glücklich aus.
Emily dreht sich zu mir um und mustert mich genau. Wahrscheinlich überlegt sie gerade, wer ich bin, dass ich im Büro des Chefs rumlungere.
„Ach ja, entschuldige! Emily, das ist Seth, mein Sohn.", stellt mein Vater mich dann endlich mal vor.
„Ich wohne am anderen Ende der Stadt. Bis hierher sind es bereits drei Stunden Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihr Haus liegt nochmal zwei Stunden von hier entfernt, das lässt sich für mich leider nicht vereinbaren.", antwortet sie meinem Vater, anstatt mir.
Auch, wenn ich mich darüber ärgere, dass sie mich ignoriert, staune ich doch darüber, welchen Weg sie freiwillig auf sich nimmt, um für meinen Vater zu arbeiten. Vielleicht sollte ich ihr empfehlen, einfach einen Führerschein zu machen. Natürlich könnte ich mich auch darüber wundern, woher sie sofort weiß, wo unser Haus liegt, aber es wäre seltsamer, wenn sie es nicht wüsste. Als einer der reichsten Familien dieser Stadt wohnen wir natürlich in Hillside Square, vom Volksmund gerne als ‚Bonzenviertel' bezeichnet.
„Kein Problem, unsere erste Haushälterin hatte auch ein Zimmer in unserem Haus! Du kannst gerne die Woche über bei uns bleiben und das Wochenende nach Hause.", bietet mein Vater an, was ziemlich großzügig ist, immerhin kennt er Emily kein Stück.
„A-Aber ich habe einen Hund, Sir, den kann ich nicht alleine lassen.", wirft Emily ein.
„Wenn er stubenrein ist, dann kannst du ihn mitbringen und wenn deine Miete zu hoch sein sollte, darfst du gerne das ganze Jahr bei uns wohnen. Meine Frau überarbeitet sich nur noch, deine Hilfe wäre also dringend nötig.", spricht mein Vater und selbst ich bin überrascht, wie sehr er sich ins Zeug legt, Emily für sich zu gewinnen.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, fügt er noch schnell ein: „Du musst aber nicht, Emily, ich kann dich zu nichts zwingen. Wenn du darauf beharrst, dann suche ich hier im Hotel nach einer Aufgabe für dich.", hinzu.
„Ich möchte Ihnen wirklich keine Umstände machen!", erwidert Emily hastig.
„Also ist das ein Ja?", fragt Dad freudig.
„Ich darf Muffin wirklich mit zu Ihnen bringen?", vergewissert sie sich. „Meinen Hund.", ergänzt sie, als mein Vater sie verwirrt ansah.
„Dein Hund heißt Muffin?", lache ich amüsiert, woraufhin sie verschämt zu Boden sieht.
„Deine Katze heißt Twinkels, was ist also an Muffin so verkehrt?", fragt eine Stimme, die mich sofort strammer sitzen lässt.
„Mom, lass Twinkels aus dem Spiel.", grummele ich. „Außerdem hat Liane sie so genannt.", füge ich hinzu, bereue es jedoch augenblicklich, als Moms Augen sich senken.
„Liane?", fragt Emily vorsichtig.
„Das ist meine Tochter. Du musst Emily sein. Ich bin Anastasia Danvers, Horsts Frau.", lächelt sie freundlich und reichte Emily die Hand.
Das junge Mädchen springt sofort auf und schüttelt meiner Mutter die Hand. So voller Elan, dachte ich mir. Irgendwie ist es witzig mit anzusehen, wie jedes junge Ding sich augenblicklich in meine Mutter verliebt. Natürlich ist sie mit ihren strahlend grünen Augen, den langen Wimpern, roten Lippen und ihren Modelmaßen entsprechend hübsch, aber für mich ist die Frau mit den blonden Locken eben nur meine Mutter.
„Mein Mann hat mir von dir erzählt. Und, wirst du bei uns arbeiten?", fragt sie.
Ich muss nicht mal hinsehen, um zu wissen, dass Emily nicht ablehnen wird. Niemand, nicht mal ich, kann dieser Frau etwas abschlagen.
„G-Gerne!", stottert Emily freudig.
„Sehr schön! Du kannst übermorgen anfangen! Seth wird dich nach Hause fahren, damit du deine Sachen packen kannst und ich werde den Vertrag aufsetzen. Deine Dienstkleidung bekommst du von uns.", sagt mein Vater hastig.
Manchmal frage ich mich, warum eine so hübsche Frau wie meine Mom, mit einem glatzköpfigen, altaussehenden Vollidioten wie meinem Dad, zusammen ist. Ich sehe nur, wie Emily schüchtern nickt und Mom mich auffordert, aufzustehen.
„Morgen werden wir dir alles erklären, also hast du heute noch etwas Zeit für dich.", sagt sie und dirigiert mich zum Ausgang.
Mir gefällt der Gedanke zwar nicht, bergeweise Koffer in mein Auto zu laden, aber was die Frau sagt, wird auch gemacht.

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