Mavie - Die Reiter der Königin

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Das Versteck unter den Brettern war kaum mit Blättern zugedeckt, da hörte Mavie die Klänge der Hufe. Sie drängte sich zum Fenster hinüber. Job, Warna und Arx standen so nahe wie möglich an der hinteren Wand der Hütte. Sie waren so blass wie Gespenster. Aber Mavie konnte nicht anders. Sie musste sehen, was da draußen geschah. Neben sich spürte sie Tanjos muskulöse Schulter. Seine Hand umfasste ihre. Sie klammerte sich an sie, als wolle sie sie zerquetschen.

Mavie zuckte zusammen bei dem ersten Splittern von Holz, das draußen zu hören war. Überall brachen die Reiter in die Hütten hinein. Rüstungen schepperten ohrenbetäubend laut. Aber nicht so laut wie ihre Rufe und die Schreie aus den Hütten. Mavie sah, wie sie zu dritt einen Jungen aus einer Hütte herauszerrten. Es war Lasso, der Bruder von Kenjas Freund Winz. Ihr Herz sank. Einen Jungen. Warum einen Jungen? Es gab nur eine Erklärung.

Bitte nicht Krieg. Lass es nicht Krieg sein. Mavie biss sich fest auf die Zunge. Großer Adler, wenn es dich wirklich gibt, dann lass es nicht Krieg sein. Lass nicht zu, dass sie sie mitnehmen.

Da fiel Mavie siedend heiß etwas ein. Die Armbrust. Wenn sie sie fanden... In diesem Moment knarzte die Tür. Einer plötzlichen Eingebung folgend, schnappte sie sich ihren Umhang und warf ihn sich über die Schultern. Sie stellte sich in das dunkelste Eck der Hütte. Krächz hielt sich still unter dem Umhang. Als wisse er, dass er jetzt keinen Laut von sich geben durfte.

Drei rote Rüstungen schimmerten im düsteren Licht, das durch den Türspalt hereindrang. Zwei der Männer klappten ihre Visire hoch, als sie eintraten. Aber es war zu dunkel, als dass sie ihre Gesichter hätten sehen können.

Die Männer standen einen Augenblick lang da und musterten die Geschwister, die sich stumm in die Ecke drängten. Mavie spähte kurz zu Kenjas kleinem Finger hinunter. Neben ihm lag ihre Armbrust. Es war ihr, als würde sie gleich zu leuchten beginnen und sie verraten.

Doch die Männer durchwühlten nicht wie sonst die Hütte. Ihr Blick galt den fünf Kindern.

„Sie sind zu groß", stellte der Linke fest. "Sie sind alle mindestens ein dutzend Steinreihen hoch."

Der mittlere machte einen Schritt nach vorne und packte Mavies Arm. Sie keuchte.

„Der hier nicht. Auf ihn könnte die Beschreibung passen."

 Mavie war starr wie eine Statue. Sieversuchte zu atmen. Aber es ging nicht.

Der linke Reiter lachte. „Das ist ein Mädchen, du Idiot. Sie hat nur kurze Haare."

Der andere Mann warf Mavie einen misstrauischen Blick zu. Aber dann ließ er sie los. „Stimmt."

Noch nie in ihremganzen Leben war Mavie so erleichtert gewesen.

"Glück gehabt!", sagte der Reiter. Als er grinste, konnte sie seine gelblichen Zähne sie. Sie schauderte. "Kommt, weiter!"

Als die Tür hinter den Dreien wieder zuflog, standen die Fünf noch eine Minute lang starr in der Ecke. Tanjo hielt Mavie fest, an dem Arm, den eben noch der Reiter unklammert hatte. Als wolle er ihn beschützen. Und Mavie hielt Warna fest. Und Warna hielt Job fest. Fest umklammert mit all ihrer Kraft hielten sieeinander, als würden sie sonst umfallen. Schmerzhafter als ein Schwerthieb durchzuckte sie die  Erinnerung an ihre Eltern. An die Schreie ihrer Mutter, als sie auf ein braunes Pferd gezerrt wurde. An das Lachen des Reiters. An ihren Vater, mit seiner Axt in der Hand -

Mavie hielt es nicht mehr aus. Sie trat zurück zum Fenster und spähte hinaus. Bei den meisten der Hütten liefen Reiter hinein oder hinaus. Mavie spähte zu dem großen Haus, das zum Bauernhof gehörte. Zwei Reiter klopften eben mit den Griffen ihrer Schwerter an die Tür. Einer von ihnen trug eine silberne Rüstung und saß auf einem stolzen, schwarzen Pferd. Der Anführer.

Die Legende der Nachtigall 1 - Der Ruf des RabenWhere stories live. Discover now