"Wir könnten über etwas reden, dass uns stolz macht. Oder über einen Traum reden, den wir haben. Allgemein schöne Sachen in den Vordergrund stellen", erklärt sie und irgendwie klingt das Ganze schön. Loise ist eher ruhig, aber wenn sie mal etwas sagt, ist es meistens berechtigt. 

"Lass uns das machen", meldet sich Álvadro begeistert zu Wort.
"Okay, ich fange an", sagt Maria und denkt eine Weile nach.
"Ich bin stolz darauf, dass ich mich vollständig akzeptiere. Ich würde nichts an mir ändern, wenn ich könnte, weil alles zu mir gehört. Und das ich es geschafft habe, mich so anzunehmen, wie ich bin, macht mich stolz."
"Das kannst du auch sein", murmele ich. Ich gönne es ihr von Herzen. 

"Okay, jetzt ich. Ich bin stolz darauf, mich geoutet zu haben. Für alle, die es noch nicht wissen, ich bin bisexuell. Es sollte eigentlich nichts besonderes sein, sondern völlig normal, aber für mich ist es...irgendwie etwas besonderes, weil ich mich einmal in meinem Leben etwas getraut habe", gibt Álvadro zu. 
Aus Intuition heraus fangen wir an zu klatschen und er senkt beschämt aber grinsend den Kopf. 
Ich hatte es bei ihm nicht erwartet, aber ich akzeptiere es voll und ganz. Wenn ich von einem gedacht hätte, dass er das nicht tut, hätte ich Leon gesagt, aber auch dieser lächelt und applaudiert mit uns. Scheinbar täuscht man sich manchmal in Menschen. So eine lange Zeit voller Harmonie ist für uns auch ungewöhnlich, aber es macht mich glücklich.

"Ich erzähle euch von einem Traum von mir, nicht von einer Sache, auf die ich stolz bin. Ich will einmal Fallschirmspringen. Oder so etwas ähnliches. Irgendetwas, wo man sich vollkommen frei fühlen kann oder so", erklärt Loise und bei dem Gedanken daran glitzern ihre Augen vor Tatendrang.
"Das will ich glaub ich auch mal machen."
Leon und Loise grinsen sich an, vielleicht hatten sie schon geplant, das zu zweit zu erleben.

 "Aber das zählt nicht, du musst uns noch was eigenes sagen", wirft Fernando ein. Ich mag es, wie wir alle ernsthaftes Interesse zeigen. 
"Ich bin stolz darauf, zu wissen, was ich studieren und mit meinem Leben machen will", sagt Leon nach einer Weile.
"Und was wäre das?", fragt Maria.
"Architektur."

"Klingt cool", meine ich. Innerlich wundere ich mich darüber. Er war immer so besessen von Anastasia und der Rache an ihr. Und jetzt hat er in der Zukunft einen Plan, der nicht sie betrifft. Aber irgendwie macht es mich glücklich. Sowohl für sie als auch für ihn.

"Ich will den Menschen, die mir alles geraubt haben, gegenübertreten. Und dann je nach Gefühlslage handeln." Fernando ist also noch nicht weitergeschritten im Leben. Aber ich verstehe ihn.

"Und du Lien?", fragt Maria nach einer Weile, in der sie darauf gewartet haben, dass ich von mir aus das Wort ergreife.
"Ich will mit meinem Leben etwas für die Welt tun", spreche ich das erste aus, das mir einfällt.
"Nicht für die Menschen, aber für die Welt, die Tiere, die Natur", füge ich hinzu, weil das ansonsten schnell missverständlich sein könnte.

"Das klingt nach einem Plan", meint Álvadro darauf und grinst mich an. Ich kratze mir an der Stirn und zucke mit den Schultern. Vielleicht ist es das.
Viel eher ist es allerdings einfach das erste, das mein Kopf ausgespuckt hat, weil ich davor nicht darüber nachgedacht habe.

"Die zwei Stunden sind gleich um."
Meine Stimme klingt heiser und ich weiß nicht, woher ich das weiß, aber meine Intuition sagt mir das.
"Ich wollte euch nur noch sagen, dass wir das schaffen. Gemeinsam. Und, dass ihr mir echt wichtig geworden seid."
Damit spreche ich die Wahrheit aus, zumindest darüber, wie ich mich fühle. Lange habe ich Menschen nicht so intensiv kennengelernt und durch sie beginne ich daran zu zweifeln, ob hinter den undankbaren Fassaden der Menschen nicht noch mehr steckt.

"Geht mir genauso."
Álvadro und ich lächeln uns an. Er ist mir ähnlich, irgendwie, im entferntesten Sinne wie nur möglich. Aber ich fühle mich mit ihm verbunden.
Auch Maria macht den Mund auf, um noch etwas zu sagen, aber auf einmal wird mir schwarz vor Augen und schließlich finde ich mich wieder in der Realität vor.

Also hat Jenson sich an seinen Teil der Abmachung gehalten, auch wenn es ihn zum Verräter macht. Das erstaunt mich wie es mich erleichtert.
In der Hoffnung, dass die Sicherheitskameras immer noch ausgeschaltet sind, laufe ich zurück zu dem Meetingraum.

Jenson hat alles für mich riskiert und ich werde das auf keinen Fall so erwidern, dass ich ihn im Stich lasse. Olivias Leiche. Die muss ich ihm zeigen, dann bin ich raus hier. Und auch wenn mich das, jetzt, wo es wieder aufgekommen ist, fertig macht, geht es mir damit besser, weil ich einen Plan habe.

Schon von weitem merke ich, dass etwas nicht stimmt. Ich höre Stimmen, eine aufgebrachte, eine beschwichtigende.
Und weil das eine verdächtigerweise nach George klingt komme ich mit Grund zur Annahme, dass ich, nein wir, in Schwierigkeiten stecken.

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cold time wishesWhere stories live. Discover now