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Heute ist er endlich da, der langersehnte Tag. Das Finale von The Biggest Loser 2016. Der achte Juni. Allein beim Gedanken daran spürte ich, wie mein Herz immer schneller schlug. Wie viele Wochen, gar Monate ich dafür gekämpft hatte, heute dort stehen zu dürfen. Die Teilnahme an dieser Show war vermutlich das härteste, was ich in meinem ganzen Leben jemals getan hatte und zugleich doch auch das Beste. Mit jedem Kilo weniger spürte ich, wie meine Freude am Leben zurückkehrte und mein Wille, die Show als Sieger zu verlassen, größer wurde. Und obwohl das schon Gründe genug gewesen wären, jeden Tag alles zu geben, gab es zusätzlich noch einen anderen, der all die anderen für mich in den Schatten stellte. Mareike. Allein beim Gedanken an sie spürte ich, dass ich einerseits innerlich ruhig wurde und trotzdem dieses Kribbeln in mir hatte. Ich wollte sie so sehr stolz machen, meinen Coach. Sie hatte mich all die Monate begleitet, war immer an meiner Seite und nun auch meine größte Motivation. Denn mir war klar, ohne sie, würde ich heute nicht in dieser Show stehen, zumindest nicht unter den Finalisten. Ich hätte dieses neue, unbeschwerte Lebensgefühl nicht.
War ich am Anfang noch unsicher, ob ich bei ihr wirklich besser als bei Ramin aufgehoben war, verschwand diese Unsicherheit schon nach der ersten Trainingseinheit. Mareike hatte einfach die Fähigkeit, aus jedem von uns das Beste rauszuholen. Sie hat uns gesehen, unseren Träumen und Zielen einen Raum gegeben und sie nun mit uns erreicht. Sie war wortwörtlich der Sonnenschein im Camp gewesen.
Und nachdem ich immer gedacht habe, beim Gedanken an den heutigen Tag nur Freude zu verspüren, muss ich heute zugeben, dass ich mich getäuscht habe. Beim Gedanken daran, dass diese Reise, die ja irgendwie auch unsere war, zu Ende war, zog sich in mir alles zusammen. Ob ich es wahrhaben wollte oder nicht, Mareike war mir unendlich wichtig geworden. Zu wichtig. Zu wichtig dafür, dass sie mein Coach ist.
Rückblickend kann ich gar nicht mehr genau sagen, wie es zu diesem Punkt kam. Es schien mir, als wäre es das natürlichste der Welt, dass ich sie so sah. Zu all den Kandidaten hatte sie natürlich eine gute Beziehung, jeder mochte sie und ihre aufgeweckte, liebevolle Art von Anfang an. Doch ich hatte immer das Gefühl, zwischen und beiden war etwas anders. Irgendwie noch mehr selbstverständlich, als wäre diese Bindung immer schon da gewesen und hätte nur darauf gewartet, dass wir noch mehr daraus machen.
Und gerade konnte ich nur hoffen, dass diese auch das Finale und somit das Ende der Show überstehen würde.
Besonders in den letzten Wochen vor der Finalshow hatten wir noch intensiver zusammen gearbeitet, versucht, alles rauszuholen, was noch irgendwie möglich war. Und mir war durchaus bewusst, dass ohne sie um einiges weniger dringewesen wäre. Mareike hatte unermüdlichen Einsatz gezeigt, um mich zu Höchstleistungen zu motivieren. Sie war 24 Stunden am Tag für mich zu erreichen, trainierte mit mir vor Ort und motivierte mich, wo es nur ging. Manchmal hatte ich mir gewünscht, sie wüsste, dass allein der Gedanke daran, sie stolz zu machen, mehr Motivation war, als alles andere.
Letzte Nacht hatte ich unruhig geschlafen. Der Gedanke an den heutigen Tag machte mich nervös, ich war förmlich zerrissen zwischen Freude und diesen Ängsten, dass wir uns danach aus den Augen verlieren würden. Gegen vier Uhr hatte ich irgendwann aufgegeben und stieg stattdessen aufs Laufband. Doch auch beim Rennen sah ich stets ihre wundervollen Augen und ihr Lächeln vor mir. Es war wie verflucht, zumindest fühlte ich mich so.

Und jetzt saß ich hier, in meiner Garderobe und wartete, bis in einer Stunde die Aufzeichnungen losgehen sollten. Wie sehr ich gehofft hatte, Mareike davor noch sehen zu können. Ich hatte das Gefühl, keinen Schritt auf die Bühne machen zu können ohne ihren Zuspruch. Zwar war mir bewusst, wie stark ich nach außen wirkte und dass die anderen mich als Konkurrenz sahen, doch in mir drin war ich unsicher. Hatte Zweifel, ob ich wirklich wie angekündigt als Sieger hervorgehen konnte.
Vorhin beim Gespräch mit den anderen Kandidaten hatte ich mir natürlich nichts anmerken lassen. Ich klopfte meine Sprüche und gab mich siegessicher. Zeitgleich spürte ich, wie meine Fassade zu bröckeln begann, doch das merkte keiner von ihnen. Ich wusste, Mareike hätte mich wohl mit einem Blick durchschaut, doch gerade war sie nicht hier und das traf mich mehr, als ich je zugeben würde. Irgendwie schmerzte es mich, zu wissen, dass sie nur ein paar Räume weiter saß und wir uns gerade doch nicht sahen.
Während ich versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und mich auf die Show zu fokussieren, hörte ich ein leichtes Klopfen.
Kurz darauf öffnete sich die Tür und Mareike kam herein. Bei ihrem Anblick wurde mir heiß und kalt auf einmal. Ich hatte das Gefühl, mich selbst nicht mehr unter Kontrolle zu haben, so schnell schlug mein Herz. Sie war schon fertig geschminkt und hatte ihre Haare gelockt, trug aber noch ihren Jogginganzug. Und ich liebte es, ich liebte alles an dem Moment, wie sie hereintrat und mir ihr schönstes Lächeln schenkte.
Sie kam auf mich zu und schloss mich in ihre Arme. Der Moment kam mir unendlich lange und doch viel zu kurz vor. Ich merkte, wie ich mich entspannte und versuchte, all meine Gefühle in diese Umarmung zu geben. Als Mareike mich irgendwann los lies, schaute sie mich fragend an. Mir war klar, dass sie merken würde, das etwas nicht stimmt. Genau das schätzte ich so an ihr, sie war unglaublich feinfühlig und hatte einfach ein Gespür für ihre Mitmenschen.
Trotzdem war ich überfordert, hatte ich doch keine Ahnung, wie ich mein Gefühlschaos in Worte fassen sollte. Ich zuckte nur mit den Schultern und spürte, dass sie mich wieder in den Arm nahm. Ihr leises "ich weiß, dass du das schaffst" hörte ich direkt an meinem Ohr und ich versuchte, meine aufkommende Gänsehaut zu verdrängen. Wir saßen lange einfach nur da und genossen die Nähe, sie schaffte es mal wieder, mich zu erden, obwohl sie selbst Grund für meine Nervosität war.
Als sie schließlich aufstand und sich zum Gehen wandte, hatte ich das Gefühl, dass auch sie einen traurigen Schleier in den Augen hatte, den sie jedoch bestmöglich zur Seite verschieben versuchte. Ich hielt ihre Hand fest und schaute ihr in die Augen "ich werde dich nicht enttäuschen, mach dir keine Gedanken".
Sie schüttelte stumm den Kopf, was mich nur noch mehr verwirrte, drückte fest meine Hand und dann fiel die Tür hinter ihr zu.
Leider hatte ich keine Zeit mehr, mir über ihr Verhalten Gedanken zu machen, denn direkt im Anschluss mussten wir in die Maske und zum Umziehen. Da wir die Finalisten waren und erst gegen Ende der Show gezeigt wurden, konnten wir den ersten Teil der Show backstage verfolgen. Als die beiden Coaches angekündigt wurden, schlug mir mein Herz bis zum Hals und ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Und dann sah ich sie. Mareike in ihrem Kleid, wie sie mit dem schönsten Strahlen die Bühne betrat. Der Anblick traf mich mitten ins Herz und sie hatte in diesem Outfit wohl wirklich die größte Ähnlichkeit mit einem Engel.
Ich schluckte und versuchte, meine aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Wann bitte war ich so emotional geworden?
Nachdem die anderen Kandidaten ihren Auftritt hatten und gewogen wurden, waren wir an der Reihe. Ich war natürlich ausgerechnet der Erste, dabei hätte ich die Zeit zum durchatmen gut gebrauchen können.
Und dann war es soweit. Der Moderator kündigte mich an und im Film sah man den Zusammenschnitt aus meinen Wochen im Camp. Dann betrat ich die Bühne. Zunächst unsicher, doch dann fand ich Mareikes Blick. Sie sah mich an, als hätte sie genau gewusst, dass ich diese Sicherheit benötigen würde. Die nächsten Schritte fühlten sich um einiges leichter an. Keiner von uns beiden wollte den Blickkontakt lösen. Als ich sah, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten, wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Sie war stolz auf mich. Ihr Strahlen in dem Moment war so ansteckend, dass es sich sofort auf mich übertrug.
Als mich der Moderator Matthias ansprach und mich bat, zu ihm zu kommen, löste ich wiederwillig meinen Blick zu ihr. Nachdem er mir gratulierte, sprach er natürlich an, dass bei Mareike Tränen geflossen waren. Mareike schaute zu mir, immernoch sah ich, wie unglaublich stolz sie war. Und das war mein Moment, der Moment, ihr danke zu sagen. Nicht, dass ich das noch nicht oft genug getan hätte, aber es gehörte an genau diese Stelle im Finale. Sie sollte nochmal hören, wie sehr ich sie schätze. Und genau das sagte ich ihr. Dass sie mein Engel war, der mir mein Leben zurückgegeben hat, ohne den ich hier nicht stehen würde und dass das ihr Verdienst war.
Ich sah, dass ihr wieder Tränen über die Wangen liefen und wünschte mir nichts mehr, als sie in den Arm nehmen zu können, doch das ging leider nicht. Ich kann nicht sagen, wie der Moment für all die anderen im Studio war, aber mir kam es so vor, als gäbe es gerade nur sie und mich. Wir waren in unserer Blase.
Doch die Show ging weiter. Die anderen drei Finalisten kamen nach und nach und ich spürte wieder, wie der Druck in mir stieg. Denn auch die drei hatten natürlich mehr als hart gearbeitet.
Als wir vom Umziehen ins Trainingsoutfit wieder kamen, wusste ich, dass es jetzt ernst wurde. Jetzt wurde gewogen. Und ausgerechnet ich war als letzter dran. Meine Gedanken schweiften zwischen Zuversicht und Versagensängsten. Mein einziger Halt war Mareikes Blick, den ich auf mir spürte, zu wissen, sie war da. Wie sie es von Anfang an gewesen war.
Und dann war ich an der Reihe. Die drei hatten gut vorgelegt, vor allem Jan mit seinen fast 100kg die er verloren hatte, war eine große Konkurrenz.
Die Zeit auf der Waage schien nicht vorbeizugehen, es zog sich wie Kaugummi und die Zahlen ratterten nur so hoch und runter. Dann die Erlösung: -86kg! Mir war bewusst, dass ich somit mehr als die Hälfte meines Ausgangsgewichts verloren hatte und der Sieg eigentlich klar war. Ich riskierte einen Blick zu Mareike und nahm wahr, wie sie aufsprang. Sie sah zu mir und nickte kurz. Mir war klar, dass wir uns beide sicher waren. Und dann fielen die erwarteten Worte von Matthias "Ali, du hast 51,35% deines Gewichts abgenommen und bist damit The Biggest Loser 2016!"
Die Last die mir von den Schultern fiel, war unglaublich. Ich sprang auf, spürte meine Tränen und formte mit der Faust eine Siegerpose. Dann ging es ganz schnell, plötzlich waren alle auf der Bühne, jeder wollte mir gratulieren, mich beglückwünschen. Doch ich hielt nur Ausschau nach ihr. Niemand anderen wollte ich jetzt lieber im Arm halten. Und da sah ich sie, in der Hand den Geldkoffer mit meinem Gewinn und immernoch Tränen im Gesicht.
Lachend lief sie auf mich zu und ich hörte schon von weitem ihr "Du hast es geschafft!"
Doch den Geldkoffer den sie mir gab, stellte ich achtlos neben mich, was war der schon wert, wenn diese Frau vor einem stand.
Endlich konnte ich sie in den Arm nehmen. Wir weinten beide und als ich sie in die Luft hob, war ich mir sicher, gerade in diesem Moment der glücklichste Mensch auf Erden zu sein. Der Moment gehörte nur uns beiden, all die anderen, die um uns standen, die gratulieren wollten, wir nahmen sie nicht wahr. Keiner von uns wollte sich vom anderen lösen. Doch dann kam die Erkenntnis, dass ich sie wohl gerade vorerst zum letzten Mal im Arm halten konnte, das unser Weg hier gerade vorbei war. Ich schloss meine Arme noch fester um sie, dankte ihr nochmal für alles und lies sie dann schweren Herzens los. Sie schaute mich an und ich hatte das Gefühl, als würde sie meine Gedanken lesen. Keiner sagte etwas, doch die Tränen liefen weiter. Freudentränen, Tränen der Überforderung.
Doch unser Moment wurde durch Ramin zerstört, der Mareike antippte um ihr zu sagen, dass sie zum Interview musste. Entschuldigend blickte sie mich an und verschwand dann. Ich blieb stehen und versuchte mich vergeblich, zu sortieren. Ramin stand neben mir, schaute Mareike hinterher und dann zu mir. "Du solltest es ihr sagen. Glaub mir."
Erstaunt schaute ich zu ihm. Scheinbar war ich wohl doch durchschaubarer als gedacht. "Ich kann nicht"
Dann ging ich zur Garderobe, um mich frisch zu machen. Ich wusste, die anderen waren gerade wohl alle bei der Aftershowparty und noch vor Wochen hätte ich mich genau dort jetzt auch gesehen. Doch gerade war mir definitiv nicht nach feiern. Meine Gefühle für diese wundervolle Frau überrollten mich nahezu und ich konnte gerade keinem unter die Augen treten.
Seufzend fuhr ich mir durchs Gesicht und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
Wenig später fand ich mich auf der Dachterrasse des Studios wieder. Stumm lehnte ich mich ans Geländer und spürte, wie die kalte Nachtluft mich zumindest etwas beruhigte. Doch in meinem Kopf war nach wie vor dieses Gedankenkarussell.
In all die Stille öffnete sich plötzlich ruckartig die Terrassentür und mit einem "Ali, endlich, hier bist du!" stürmte Mareike herein. Mir stockte der Atem. Niemals hätte ich hier mit ihr gerechnet. Als ich zu ihr sah, erschrak ich. Sie weinte immernoch und sah unglaublich müde aus. Sie ging ein paar Schritte auf mich zu und ich streckte einfach nur meine Arme aus. Sie lies sich fallen, lag in meinen Armen und gerade wollte ich einfach nur ihr Halt sein. Minutenlang sagte keiner irgendwas, bis sie sich löste, meine Hände nahm und mir tief in die Augen schaute.
Mein Herz schlug mir bis zur Brust und ich hatte das Gefühl, gleich würde es einfach rausspringen. Ich sah, wie sie mit sich und ihren Worten kämpfte, wie sie überlegte und das was sie sagen wollte dann doch wieder verwarf. Ich drückte ihre Hände, wollte ihr zeigen, dass sie alle Zeit der Welt hat. Erneut räusperte sie sich "Ali.. ich, ich bin so stolz auf dich. Was du heute geschafft hast, ist so unbeschreiblich, du hast so viel geleistet und ich will, dass du das selbst auch siehst. Ich bin dir so dankbar für diese gemeinsame Zeit und... und du bist mir so ans Herz gewachsen", sie schluckte und ich merkte, dass sie zitterte "du bist mir unglaublich wichtig geworden, vielleicht.. vielleicht sogar zu sehr und ich will dir sagen, dass.."
Während mein Kopf noch versuchte, diese Informationen zu verarbeiten und ihr weiter zu folgen, hörte ich von ihr ein leises "ach, scheiß drauf"
Kurz darauf spürte ich ihre rechte Hand an meiner Wange, ihren Atem in meinem Gesicht. Mein Herz raste und ich hatte den Eindruck, auch ihren Puls hören zu können.
Sie ging auf die Zehenspitzen und dann passierte es. Ihre Lippen trafen auf meine und meine auf ihre. Zunächst ganz sanft, dann immer vertrauter. Ich schlang meine Arme um ihre zierliche Taille und zog sie noch näher zu mir. Ich war mir selten so sicher gewesen, dass ich träumen würde, wie gerade in diesem Moment.
Schließlich lösten wir uns voneinander, liesen unsere Hände aber vereint. "Wow" kam mir über die Lippen und ich sah zu ihr. Sie lächelte, wirkte dennoch noch immer unsicher. "Ich hab mich in dich verliebt Ali, langsam aber unaufhaltsam. Und jetzt stehe ich hier und kann es nicht mehr leugnen." Ihr liefen Tränen über die Wangen, doch ich wischte sie ihr nur zärtlich weg. Diese Worte von ihr zu hören, waren das Schönste, was ich je gehört hatte. Niemals hätte ich gedacht, dass diese wundervolle Frau Interesse an mir haben könnte. "Mareike, ich.. wow, ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Seit Tag eins ist da diese Verbindung zwischen uns, mit der Zeit diese Gefühle.. Heute hatte ich so Angst, dass es das jetzt war. Wenn ich eins sagen kann, dann, dass ich mich auch in dich verliebt habe."
Wir grinsten uns beide nur an und küssten uns erneut, dieses Mal voller Glück und Erleichterung.
Diese Frau war an dem Abend und für jeden weiteren Tag mein absoluter Hauptgewinn.

Hauptgewinn✨Where stories live. Discover now