🤧1. 𝙺𝚊𝚙𝚒𝚝𝚎𝚕❤️

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"So, jetzt fehlt nur noch Rudi", sagte ich erleichtert und sah mich nach meiner besten Freundin und Adoptivschwester Amy um, die gerade dabei war, den vollbepackten Kofferraum unseres Autos zu schließen. Als mein Satz bei ihr angekommen war, riss sie entsetzt die Augen auf. "Nein Rose, das kann nicht dein Ernst sein. Du bist siebzehn und willst deinen Teddybären mitnehmen?", fragte sie mich fassungslos. 

"Du weißt doch, dass ich nicht ohne ihn schlafen kann", gab ich beleidigt von mir. "Alle werden uns für verrückt halten, wegen diesem Elefanten", murmelte sie eher zu sich selbst und schüttelte den Kopf. Ich schnaubte und lief zurück in unsere kleine Wohnung. Sie war bis auf die Möbel, welche morgen an Hilfsbedürftige Menschen gespendet werden sollten, komplette leer. Nur auf dem alten Sofa saß noch mein Teddy. Zugegeben, er war ziemlich groß. Größer als ich, was sich für einen Teddybären schon schwierig gestalten dürfte, denn mit meinen 1,76 m war ich nicht gerade klein.

Nur Amy übertraf mich mit ihren 1,78 m, sonst waren alle meine Freunde kleiner als ich. Ich nahm Rudi in den Arm und quetschte mich mit ihm durch die Tür. Draußen angekommen, öffnete Amy die Autotür und ich setzte Rudi auf die Rückbank. "Können wir noch ein letztes Mal hereingehen?", fragte ich Amy und sie nickte stumm und nahm meine Hand in ihre. 

Wir gingen ein letztes Mal in unsere alte Wohnung, und ich prägte mir alles nochmal ein. Da war das gemütliche Fensterbrett, auf ich so oft Bücher gelesen, oder einfach nur rausgeschaut habe, der Kamin, vor dem wir oft stundenlang gesessen hatten und uns unsere Zukunft vorgestellt hatten, das alte Sofa, das schon dem Vormieter gehört hatte und am aller wichtigsten, der Balkon, von dem man eine so schöne Sicht auf den Sonnenuntergang gehabt hatte.

Nun würde es nicht mehr lange dauern, und wir würden unser neues Heim betreten. Ein Internatszimmer auf Schloss Rosenfels. Amys Eltern, meine Adoptiveltern, hatten uns dort Plätze reserviert, nachdem Amys schulische Leistungen im letzten Jahr stark abgenommen hatten. Da unsere Eltern für ein paar Monate nicht erreichbar seien würden, hatten wir gestern Abend noch lange mit ihnen telefoniert, aber ich hätte sie viel lieber umarmt, anstatt nur durch Handys verbunden zu sein. Ich vermisste sie.

Da die beiden seit zwei Jahren auf Weltreise waren, weil sie beide als Fotografen und uns nur alle paar Monate besuchen kamen, hatte unsere Nachbarin, eine nette ältere Dame, welche früher einmal als Lehrerin unterrichtet hatte, sich um uns gekümmert und uns Fächer, die wir nicht verstanden haben erklärt. Leider war sie vor einem halben Jahr wegen einer unheilbaren Krankheit ins Koma versetzt worden und nun vor ein paar Wochen gestorben.

Ich erinnere mich noch an ihre letzten Worte:

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"Nein, du darfst nicht sterben", flüsterte Amy mit tränenbedeckten Gesicht. "Es ist Zeit für mich zu gehen", flüsterte Annelise. "Ihr werdet weiter leben und ich werde immer in euren Herzen bleiben und auf euch aufpassen. Ihr werdet sehen, da draußen warten Personen auf euch, die euch über alles lieben. Ihr müsst mich loslassen, und euch damit abfinden. Bald werdet ihr erkennen, dass das mehr als nötig war. Und nun geht, ich möchte nicht, dass ihr euch Sorgen um mich macht. Ich bin da oben gut aufgehoben und werde immer auf euch aufpassen. Besonders auf dich Rosalie. Du musst aufpassen wem du vertraust", flüsterte sie und ich weinte noch heftiger.

Mittlerweile sah ich nur noch verschwommen. "Bitte", flüsterte ich und sah nach oben, still betete ich alle möglichen Gebete, die mir einfielen, doch keins brachte etwas. Ich umarmte Annelise noch einmal vorsichtig und Amy tat es mir gleich. Dann flüsterte ich ein letztes Mal: "Ich werde dich nie vergessen. Ich liebe dich" "Ich dich auch Rose, ich dich auch." Dann Stille. Ich schrie und rannte aus dem Zimmer. Amy kam mir hinterher und wir fielen uns in die Arme und weinten uns die Seele aus dem Leib.

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Die Beerdigung war der traurigste Moment in meinem Leben. Jeder mochte Annelise und sie hatte viele Freunde, die noch immer mit uns trauerten. Sie war für Amy und mich wie eine Oma. Ihr Verlust schmerzte noch immer sehr.

Mir lief eine Träne die Wange entlang. Amy wischte sie sanft weg und nahm mich in den Arm. Ich hörte wie auch sie leise ein paar Tränen vergoss. Wir trösteten uns, mit unserer Nähe. Das war schon immer so gewesen. Vor allen Dingen, als Amys damaliger Ex-Freund Jonathan sie mit einer ihrer besten Freundinnen betrogen hatte, haben wir gegenseitig Nähe bei dem anderen gesucht, denn wen eine litt, litt auch die andere.

Oft, dachten die Leute, wir seien wirklich Geschwister, denn obwohl Amy blonde Haare und gräuliche Augen und ich rote Haare und braun-grüne Augen hatte, besaßen wir ähnliche Gesichtszüge und hatten beide Sommersprossen, wenn auch ich viel mehr hatte als sie. Als unsere Tränen allmählich versiegten, gingen wir wieder nach draußen zu unserem Auto. Mit achtzehn Jahren, hatte Amy den Führerschein zwar schon ein paar Monate, doch sie fuhr noch immer so vorsichtig, wie bei ihrer ersten Fahrstunde. Da Amy die achte Klasse wiederholt hatte, waren wir zum Glück trotzdem in der gleichen Stufe.

"Ich werde unsere Wohnung vermissen", seufzte ich und Amy nickte zustimmend. Müdigkeit überrollte mich, denn ich hatte letzte Nacht kein Auge zu gemacht. "Ruh dich ruhig aus, solange du noch kannst", sagte Amy liebevoll und ich nickte. Mein Kopf fiel gegen das kühle Fensterglas und ich schloss die Augen. Amy summte leise vor sich hin und nach kurzer Zeit war ich eingeschlafen.

The one and onlyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt