"Das Leben kann jederzeit zu Ende sein."

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Als ich das Zimmer betrat wurde ich von einem monotonen Piepsen empfangen. Ich ging weiter in das Zimmer und blieb dann an einem weiß gehaltenen Krankenhausbett stehen. Und dort lag Mum. Sie war enorm blass und ihre Augen waren geschlossen. Um ehrlich zu sein sah sie kein Bisschen besser aus, wie als ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Nur das Blut war nicht mehr da, aber sie war nach wie vor an einem Beatmungsgerät angeschlossen. Allerdings hatte sie keine Atemmaske mehr auf, sondern einen Schlauch in ihrem Mund.
Ich musste mich echt zusammenreißen um bei dem Anblick meiner Mutter nicht wieder loszuheulen wie ein kleines Kind. Nachdem ich mir dann doch eine kleine Träne aus den Augenwinkeln wischen musste, setzte ich mich auf die Bettkante des Krankenhausbettes und blickte meine Mutter an. Ich saß einfach da bis ich schließlich ihre Hand umfasste und sie leicht drückte.
„Du wirst das schaffen, Mum…Du musst.“, flüsterte ich leise. Ich hoffte, dass sie bald aufwachen würde, allerdings hatte ich keine Ahnung wie lange die Narkose noch halten würde. Wenn überhaupt die Narkose daran schuld war, dass Mum noch nicht bei Bewusstsein war, flog es mir durch den Kopf, doch ich schob den Gedanken sofort in den hintersten Winkel meines Kopfes.
„Ich erzähl dir jetzt einfach mal, was ich denke…ich weiß nicht ob du überhaupt mitbekommst, dass ich hier bin, aber ich will es trotzdem gesagt haben, okay?“, ich machte eine kurze Pause, in der ich Mum musterte um zu sehen, ob sie in irgendeiner Weise reagiert, doch sie lag immer noch bewegungslos in dem Bett. Nur ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig.
„Ich weiß ich dürfte mir nicht die Schuld für das hier geben, doch ich mache es…schließlich bin ich doch überhaupt daran schuld, dass wir shoppen gegangen sind…du würdest jetzt wahrscheinlich sagen, dass ich es nicht ahnen konnte oder so, aber so denke ich halt darüber.“, wieder machte ich eine kleine Pause. Ich musste mir den nächsten Satz jetzt gut zurechtlegen.
„Aber weißt du was mein größtes Problem ist? Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass ich einen Mann erschossen habe. Ich hatte sein Leben in den Händen, indem ich deine Waffe auf ihn gerichtet hatte, und ich habe dieses Leben beendet. Menschen sollten nicht über das Leben andere bestimmen können, doch genau das habe ich getan. Allerdings hat der Mann auch über das Leben anderer bestimmt, indem er ihnen das Leben genommen hat…ich will nicht, dass er auch dein Leben nimmt, hörst du?“, murmelte ich und drückte ein weiteres Mal die Hand meiner Mutter. Dann stand ich auf und ging zu dem Fenster des kleinen Zimmers. Mein Blick schweifte nach draußen in den gut bewachsenen Park des Krankenhauses. Ich sah Kinder auf Krücken und andere Leute in Rollstühlen oder mit Verbänden. Einige von den Menschen sahen auch gesund aus, zumindest äußerlich. Eine Weile stand ich einfach da und beobachtete die Menschen, doch dann drehte ich mich wieder um. Mein Blick schweifte das Bett und erneut stellte ich fest, dass Mum sich kein bisschen gerührt hatte.
Langsam schritt ich wieder auf das Bett zu und ein weiteres Mal setzte ich mich auf die Bettkante.
„Weißt du was Mum? Draußen sitzt Dad und wartet, dass er zu dir kann.“, meinte ich und ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
„Ich glaube ich gehe dann mal und lasse Dad zu dir. Aber keine Sorge, ich werde dieses Gebäude nicht verlassen, bis du nicht aufgewacht bist. Ich hab dich lieb.“, fügte ich noch an, dann erhob ich mich von dem Bett und schritt in Richtung Türe. Ich umfasste die Türklinke, schaute mich noch einmal um und drückte dann die Klinke hinunter um das Zimmer zu verlassen.
Hinter mir schloss ich die Türe wieder. Meine Aufmerksamkeit richtete sich dann auf die Bank neben der Türe auf der, nach wie vor, Gibbs saß. Dann setzte ich mich neben ihn.
„Du kannst zu ihr.“, meinte ich lächelt. Dad schaute zu mir und erwiderte mein Lächeln leicht, dann erhob er sich und schritt zur Türe.

~Sichtänderung~
Mir schwirrte immer noch der Satz im Kopf herum, den ich zu Lilli gesagt hatte: Glaub mir, sie ist mir nicht egal. Immer und immer wieder wiederholte sich der Satz in meinem Kopf, wie eine Schallplatte, die einfach nicht zu Ende gehen wollte. Der Satz kam einfach aus dem Bauch heraus, ich hatte nicht über ihn nachgedacht, bevor ich es gesagt hatte, doch es entsprach hundertprozentig der Wahrheit.
Ich betrat das kleine Zimmer der Intensivstation und sofort rückte das  Krankenhausbett in meinen Fokus.
Sie sah so unendlich zerbrechlich aus. Es versetzte mir einen Stich ins Herz, sie so sehen zu müssen. Doch ich sollte froh sein, sie so zu sehen, statt bei Ducky auf dem Tisch. Denn wäre letzteres der Fall…ich dachte nicht weiter nach, denn ich verstieß dadurch gegen meine eigene Regeln.
Ich ging weiter auf das Bett zu, bis ich es erreicht hatte und stehen blieb.
Unschlüssig stand ich eine Weile so dar, bis ich mich entschloss mich an die Seite des Bettes zu setzten. Wäre Jen jetzt bei Bewusstsein hätte sie mich wahrscheinlich sofort angewiesen wieder aufzustehen, doch im Moment konnte sie mich nicht anfauchen, wie sie es sonst gerne tat. Wobei, wusste ich wirklich ob sie es gerne tat? Ob sie sich gerne mit mir stritt?
Ich sollte aufhören die ganze Zeit nachzudenken. Vielleicht sollte ich einfach mal meinen Bauch entscheiden lassen. Allerdings könnte es mir meinen Job kosten, wenn Jenny mitbekommen würde, was ich ihr aus dem Bauch heraus sagen wollte. Doch die jetzige Situation hatte mir etwas verdeutlicht: Es konnte jederzeit vorbei sein und wenn ich ihr es jetzt nicht sagen würde, könnte es irgendwann zu spät sein und ich würde es bereuen es nicht gesagt zu haben.
„Jen…ich weiß nicht ob du mich hörst, aber ich muss dir etwas sagen.“, murmelte ich. Es war wirklich nur ein leises Murmeln. Ich, Leroy Jethro Gibbs, hatte Angst davor, das auszusprechen, was ich nun sagen wollte. Die meisten dachten, ich hatte vor nichts Angst, doch es war nicht die Wahrheit, denn ich musste mir eingestehen, dass ich Angst davor hatte zu fühlen. Angst davor hatte Gefühle zuzulassen und sie nicht einfach in die hinterste Ecke zu sperren.
„Mir ist etwas klar geworden, es wird dich verwundern, aber es ist so. Das Leben kann jederzeit zu Ende sein. Wir leben gefährlich, dass wusste ich schon immer….Ich hoffe du hörst nicht, was ich jetzt sage…Ich muss nur mit jemanden darüber sprechen…Ich lebe in der Gegenwart und ich muss aufhören der Vergangenheit nachzutrauern, denn es bringt mir zwei der für mich wichtigsten Dinge nicht zurück. Es hält mich nur davon ab wieder richtig glücklich zu sein…mit der Frau, die ich liebe…“, ich brach ab. Soweit war ich also gesunken…anstatt es alles Jen zu erzählen, sollte ich wohl lieber zum Seelenklempner gehen. Ich schüttelte meinen Kopf. Dann stand ich auf und verließ, ohne mich nochmal umzusehen, zügig den Raum. Ich lief einfach an Lilli vorbei, denn ich musste hier raus. Am besten wäre es jetzt wohl an meinem Boot weiterzubauen und zwischendurch Bourbon zu trinken…

Auf der Suche nach Mummy *Navy CIS*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt