Einundzwanzig

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Ich hatte keine Ahnung, was die alte Hexe damit meinte und beobachtete das Schauspiel ganz genau, während mein Vater, Kyle und der eben zugestoßene Coby nur beeindruckt die Augen aufrissen.

Männer hatten in weiblichen Konfliktsituationen schon immer einen Hang zum verstecken wollen. Waren wir Frauen regelrecht dem Drama verfallen und kreischten und schrieen, wenn sich unsere Männer mit einem Artgenossen anlegten, verfielen Letztere in Schockstarre und beobachteten nur die Situation in der Hoffnung, sie würden nichts vom weiblichen Gewitter abbekommen.

Ich beobachtete also die Blitze zwischen Naomi und ihrer Mutter, während Coby, mein Vater und Kyle nur dastanden und sich bereits innerlich zusammenrollten, wie dreierlei Gürteltiere, welche Angst vor dem Fressfeind hatten. Der Fressfeind war in diesem Fall Naomi's unzähmbarer Mutterinstinkt. Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen.

Sofort erntete ich erleichterte Blicke seitens der männlichen Gattung und zornige Hexenblitze aus der weiblichen Front.

„Wie auch immer. Meredith, wann kommt dein Taxi?", versuchte ich ein wenig Sonnenstrahlen ins Gewitter zu bringen und wurde sofort von der nächsten Flutwelle unterspült. „Meine Tochter hat mir angeboten, über Nacht hier zu bleiben. Aber ich denke, es ist wohl besser, wenn ich das Feld räume."

Ja, man sollte einsehen, wenn man verloren hatte.

„Nein, Mom. Du bleibst hier."

Offensichtlich hatte Naomi an ihren vierzigsten Geburtstag sämtliche, rationale Gedanken abgegeben. Ich konnte mir dieses Getue nicht mehr länger geben und verschwand mit meinem persönlichen Highlight in mein Zimmer.

Er hielt wenigstens die Klappe und das tat genau das, was ich ihm schon längst nicht mehr sagen musste, bis ich vor Erschöpfung einschlief.

Meine Kehle fühlte sich an, als hätte ich wochenlang kein Wasser getrunken.

Wieder einigermaßen nüchtern stützte ich meine Arme auf und sah aus dem Fenster. Die warme Sommernacht hätte nicht romantischer, über unserem Garten liegen können. Keine Wolke, kein Lärm, kein Wind, einfach nur die warme Ruhe gepaart mit dem beruhigenden Zirpen der Grillen, welche fröhlich durch das satte Grün des Gartens hüpften. Eigentlich ein recht idyllisches Bild, hätte nicht die Schneekönigin persönlich im Gästezimmer mit ihrem eisigen Atem sämtliche Stimmung im Haus eingefroren.

Beim Gedanken an den vergangenen Abend rümpfte ich meine Nase und schnappte mir mein Telefon, um nach zu schauen, zu welcher unchristlichen Zeit mein Körper nach Wasser flehte.

03:00 Uhr - Geisterstunde, wie passend.

Während ich darüber nachdachte, ob Meredith gerade mit dem Besen einen Ausflug über Newton gestartet hatte, tapste ich verträumt die Stufen in die Küche hinab, um meinen dehydrierten Zellen etwas Flüssigkeit zu gönnen.

Ich schnappte mir ein Glas und füllte es mit dem kühlen Nass und genoss, wie das vermeintliche Feuer in meinem Hals gelöscht wurde. Gerade als ich mir ein zweites Glas gönnen wollte, hörte ich ein leises Schluchzen von der Terrasse.

Ich kannte dieses Schluchzen. Ich hatte es bereits tausende Male in meinem Leben gehört. Als Tarzans Mutter starb, schluchzte sie genauso. Als Jack zu blöd war, um auf die Tür zu klettern, schluchzte sie und als sie mich vor rund zweieinhalb Jahren im Arm hielt, schluchzte sie genau in der Art und Weise, wie sie jetzt ganz leise auf der Terrasse vor sich hin schluchzte.

Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, setzte ich meinen Weg in Richtung Tür an. Ich konnte sie nicht alleine weinen lassen. Es brach mir das Herz.

Leise schob ich die Glastür zur Seite und sofort schreckte Naomi hoch, als wäre sie ein angeschossenes Reh. Ihre Augen waren so rot und angeschwollen, dass ich sofort erkannte, wie lang sie schon hier draußen sitzen mussten.

the devotion between us // abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt