Kapitel 1

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„Scheiße, dass kann doch nicht mein Ernst sein" grummel ich leise vor mich hin, während ich meine rechte Hand unter das kalte Wasser halte.

„Sweetie, wenn das so weitergeht, brauchen wir einen Sanitäter nur für dich" lacht Kelly hinter mir.

Kelly ist meine Chefin in dem kleinen Café in dem ich seit drei Wochen arbeite. Ok, ich versuche es zumindest. Aber dieser Milchaufschäumer an dem Kaffeeautomaten-Monstrum hat sich zusammen mit der Eiswürfelmaschine gegen mich verschworen. Meine Hände sind übersät mit Brandblasen und kleinen Schnittverletzungen. Jede Schicht geht etwas schief. So auch heute. Ich brauche nur etwas Milchschaum für einen Cappuccino und schon habe ich mich wieder verbrannt. Eigentlich sah es wirklich gut aus, aber jetzt zum Ende der Schicht geht wieder alles daneben. Diese heiße Luft aus dem Aufschäumen ist aber auch wirklich teuflisch und es hat sicher nichts mit meiner angeborenen Tollpatschigkeit zu tun.

„Zeig mal her, ich hab gestern noch neue Brandsalbe gekauft" kommt es von meiner Kollegin Helen. Sie ist diejenige mit der ich immer zusammen arbeite und die mich in der Regel auch verarztet.

„Und heute Abend steigt bei euch im Wohnheim die erste Party?" fragt sie, während sie meine Wunde behandelt.

Das Studentenleben hat es wirklich in sich, auch wenn das Semester erst nächste Woche startet, ständig wird in einem der Wohnhäuser gefeiert. Ich bin jetzt ein paar Wochen in Brisbane und versuche noch, mich einzuleben. Mein WG-Mitbewohner Ryder hat sich in kürzester Zeit in mein Herz geschlichen und mutiert schon jetzt zu einem meiner besten Freunden. Er studiert ebenfalls an der Griffith University und hat mir hier ganz viel gezeigt. Zu meinem Unglück bin ich nämlich nicht nur tollpatschig, ich habe auch keinen Orientierungssinn. Da helfen mir auch die Lagepläne und ein Navi nicht. Am ersten Tag bin ich völlig übermüdet in die WG gestolpert, nachdem ich mich auf dem Rückweg vom Burgerladen verlaufen hatte und habe wirklich meine Tür mit der von Ryder verwechselt. Es war mehr als peinlich, als ich in seinem Zimmer stand. Denn er stand dort ebenfalls, allerdings nackt. Naja, es ist sein Zimmer, da darf er nackt sein. Blöd nur, dass ich dort nicht hingehöre. Das wirklich peinliche war aber, dass sein Freund Jack mit einem Mal hinter mir stand und nur eine Boxershorts trug. Ja, Ryder ist schwul. Das wusste ich da aber natürlich noch nicht.

Zu unserer WG gehören noch Steve, nicht schwul, wirklich nett und immer in Partylaune und Scarlett, die ihrem Namen alle Ehre macht. Blondine mit zu viel Schminke im Gesicht und zickig, als hätte sie durchgängig ihre Tage. Aber da sie die meiste Zeit mit ihren Tussi-Freundinnen verbringt, ist es ok.

Nachdem Helen mich versorgt hat, mache ich Feierabend. Wenn ich mich beeile, habe ich noch genügend Zeit und kann mich vor der Party etwas hinlegen. Das die Party bei uns im Haus stattfindet bedeutet definitiv viel zu wenig Schlaf, viel zu viel Alkohol und viel zu viele fremde Menschen. In Gedanken schnappe ich mir meine Handtasche und verlasse das Café.

Codewort: HandtascheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt