Kapitel 5

100 4 2
                                    


Lillys Sicht

Wie verabredet verließen sie gegen vier die Wohnung und liefen über das Gelände von Hogwarts. Sie machten einen kleinen Umweg, der am schwarzen See entlangführte. Besonders zu Nachmittagsstunden war er sehr schön. Sie redeten wenig, ab und zu verwies Lilly auf ein Eichhörnchen, aber sonst bot sich ihnen kein richtiges Gesprächsthema dar.

„Also Severus, vielleicht sollten wir uns gegenseitig etwas aus unseren Leben erzählen, um den anderen besser einschätzen zu können." Sie unterbreitete den Vorschlag ziemlich unsicher, in Angst, dass sie ihm damit zu nah trat.

„Hmm..." er nickte zustimmend und schien zu überlegen, dann fuhr er fort.

„Nun gut, also ich wuchs in Spinners End auf. Mein Vater, Tobias Snape, war Muggel, meine Mutter, Eileen Prince, war Hexe. Meine Eltern opferten nie viel Zeit für mich auf. Sie waren entweder in ihre eigenen Rangeleien oder in ihre Arbeit vertieft; du musst wissen, wir hatten damals nicht viel Geld. Als ich nach Hogwarts kam, hatte ich die Hoffnung, dass ich mich hier endlich zu etwas zugehörig fühlen konnte. Dabei ging es gar nicht um etwas Spezifisches. Nur irgendetwas; ich wollte Teil von irgendetwas sein. Allerdings hatte ich mich in der Hoffnung, dass ich diese Zugehörigkeit hier finden würde, geirrt. Stattdessen hänselten mich viele Mitschüler. Dadurch verlor ich auch" Severus schluckte. Es fiel ihm offensichtlich sehr schwer, Worte für das zu finden, was er aussprechen wollte. „eine Person, die mir sehr wichtig war."

Lilly konnte sich denken, wer das war. Es sind Gerüchte über Severus Snapes Vergangenheit kursiert. Seine große Liebe, Lily Evans, die Mutter von Harry Potter hatte sich statt für ihn, für James Potter, seinen Mobber und Erzfeind entschieden. Snape fuhr fort.

„Ich verlor mich in den Tiefen der dunklen Magie. Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr; Ich schloss mich den... den Todessern an. Darauf bin ich nicht stolz...Ich wollte einfach nur irgendwo dazugehören und die Todesser gaben mir ein gewisses Gemeinschaftsgefühl. Nach dem erstmaligen Sturz des dunklen Lords bot Dumbledore mir Zuflucht, da ich aufrichtige Reue für meine Fehler zeigte. Und so landete ich in Hogwarts." Er endete und blickte starr den Weg entlang, welcher nun in einen kleineren Pfad abzweigte.

Lilly schaute ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung von der Seite an. Für sie hatte es sich so angehört, als hätte Severus diese Worte schon lange loswerden wollen, als hätte er diese kleine Geschichte schon Jahre mit sich herumgetragen, es aber niemandem erzählt. Zumindest war es ihre Vermutung. Sie könnte es nachempfinden, denn sie fühlte sich ähnlich.

„Wow, also...ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich sagen soll. Ich danke dir dafür, dass du mir das erzählt hast." Sie bogen von dem etwas schummrigen Pfad in eine kleine Gasse, in der sich links und rechts Häuser aufreihten.

„Nun ja, ich denke, du solltest es wissen."

Sie gingen die Gasse weiter schweigend entlang, welche in eine größere Fußgängerzone mündete. Nach einigen Minuten Fußweg kamen sie an einem Restaurant vorbei.

„Das hier soll gut sein. Wollen wir es hier probieren?" Lilly nickte nur.

Sie traten ein, suchten sich einen Tisch und begannen stumm die Speisekarte zu lesen. Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten blickte Severus ihr in die Augen,

„Lilly, ich denke, jetzt wärst du mit deiner Geschichte dran. Erzähl mir etwas über dein Leben." Er stützte seine Ellenbogen auf, faltete die Hände vor seinem Kinn und blickte sie erwartungsvoll an.

Sie wollte sich dagegen sträuben, sie hatte wie gesagt noch nie jemandem so richtig etwas von ihrer Familie erzählt. Allerdings wusste sie, dass es nur gerecht und ausgeglichen wäre, etwas von sich zu erzählen, wenn Severus ihr so viel über sich berichtet hatte. Sie atmete einmal tief durch, dann setzte sie an.

„Ich bin in Hastings, in einem großen Haus an der Küste aufgewachsen. In der Schule war ich nicht unbeliebt, aber mir war Trubel schon immer zu viel, weshalb ich mich ein wenig von den anderen abkapselte. Ich habe mich zu einer Art Einzelgänger entwickelt. Zu Hause kümmerte ich mich ebenfalls meist um mich selbst. Meine Eltern sind beide Muggel. Ansonsten habe ich keine Familie mehr. Sie arbeiteten gemeinsam in ihrer eigenen Firma, weshalb sie immer nur daran interessiert waren und nie so wirklich an mir oder meinem Leben. Sie haben mich immer mir selbst überlassen. Als ich dann mit elf einen Brief von Hogwarts bekam unterstützten sie mich auch nicht wirklich. Zuerst waren sie überrascht und auch einigermaßen interessiert an dieser ihr unbekannten Welt. Ich dachte, dass von da an alles besser laufen würde, aber ich hatte mich geirrt. Nach einiger Zeit flaute auch dieses letzte bisschen des Interesses an mir ab. Sie waren wahrscheinlich erleichtert, dass sie die Verantwortung für mich nun abgeben konnten und ich sie nur noch in den Sommerferien besuchen kam. Ich wusste einfach nicht mehr, wo mein Platz war, ich wusste nicht, wo ich hingehörte..." Lilly senkte den Blick und knetete ihre Hände. Dann fügte sie kleinlaut hinzu „das weiß ich jetzt immer noch nicht so richtig. Dazu kommt noch eine weitere Sache... früher hat mein Vater mich..." sie schluckte „meine Mutter schien ihm nicht genug zu sein. Deshalb hat er sich oft... er hat sich mir oft auf eine Art und Weise genähert und mich an Stellen berührt, die der Vater seines 9-jährigen Mädchens nicht berühren sollte. Ich habe es nie jemandem erzählt, nicht Mal meiner Mutter. Es ist auch nie zu mehr gekommen, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass es mich innerlich zerbrochen hat. Diesen Sommer bin ich dann endlich bei meinen Eltern ausgezogen. Eigentlich war mein Plan, mir nach meinem Schulabschluss irgendwo in London eine Wohnung zu suchen und dann weiterzuschauen. Aber daraus wird nun ja nichts." Nun schaute sie Severus wieder an. Er saß da und schaute sie weiterhin konzentriert an, als würde er darauf warten, dass sie fortfuhr.

„Also das war meine Geschichte." Sie merkte wie ihre Augen etwas feucht wurden und schaute rasch nach unten.

„Entschuldige, du warst der erste, dem ich davon erzählt habe." Sie wischte sich mit den Handballen über die Augen und schaute Severus wieder an.

Severus' Sicht

Sie sah ihm mit ihren blauen Augen in seine. Severus merkte, wie Wut in ihm hochkam. Wut auf Lillys Eltern, vor allen Dingen auf ihren Vater. Warum genau, konnte er nicht sagen, immerhin kannte er sie nicht einmal. Aber es machte ihn wütend, dass ein so großartiges und kluges Mädchen wie Lilly in solchem Maße ignoriert und missbraucht wurde. Es schmerzte ihn sich vorzustellen, dass sie niemanden hatte, der für sie da war, der sich um sie sorgte, mit dem sie reden konnte. Er wusste, wie es sich anfühlte, wenn man niemanden hatte. Wenn man allein war. Niemand auf der Welt verdiente es, sich so fühlen zu müssen, vor allen Dingen nicht Lilly.

„Das tut mir leid. Wirklich! Es tut mir leid, dass du so etwas durchleben musstest! Weißt du, es ist bekannt, dass du keine Geldsorgen hast. Früher habe ich dich deswegen immer als ein wenig abgehoben eingeschätzt, obwohl ich nichts von dir wusste. Dafür möchte ich mich entschuldigen! Ich hatte ja keine Ahnung-"

Lillys Sicht

Severus wurde von der Bedienung unterbrochen, die das Essen brachte. Einerseits wollte sie weiterhören, was er zu sagen hatte, doch andererseits wollte sie ebenfalls verhindern, dass sie das ganze so aufwühlte, dass der ganze Abend ruiniert war, also lenkte sie das Gesprächsthema auf etwas anderes.

„Ich habe heute Morgen eines von deinen Büchern gelesen. Abwehr von Flüchen auf den Gegner hieß es glaube ich. Da habe ich etwas über so eine Technik gelesen, die ich nicht ganz verstehe..."

Und so unterhielten sie sich den Rest des Abends über derartige Dinge. Er erzählte ihr, dass er als Teenager sogar einige Zaubersprüche selber erfunden hatte. Sie redeten relativ ausgelassen über alles Mögliche. Als sie das Lokal verließen und auf die Straße traten, begann es bereits zu dämmern. Sie gingen einen kürzeren Weg zurück nach Hogwarts und kamen schon bald wieder im Schloss an. Sie betraten die Wohnung und sahen, dass eine Eule am schmalen Fenster knapp unter der Decke saß und gegen das Fenster pickte. Severus reckte sich und öffnete ihr jenes, durch das sie sich gar nicht erst versuchte zu zwängen, sondern den Brief einfach fallen ließ und  davonflog.

„Er ist an uns beide adressiert" stellte Severus laut fest und setzte sich an den kleinen Schreibtisch, um einen Brieföffner aus der Schublade zu holen und den Brief aufzuschlitzen. Dann stöhnte er verärgert auf.

„Vom Ministerium. Was wollen die denn jetzt schon wieder?"

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: Jan 10, 2021 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Severus Snape - marriage lawWhere stories live. Discover now